Was Obama nicht sagte
Der US-Geheimdienst CIA ermöglichte Südafrikas Rassisten 1962 die Verhaftung Nelson Mandelas. Es folgten 27 Jahre Haft.
US-Präsident Barack Obama gehörte am Dienstag in Johannesburg zu den Trauerrednern für den verstorbenen südafrikanischen Freiheitshelden Nelson Mandela. Was er in seiner Ansprache nicht erwähnte: Es war der US-Geheimdienst, der Mandela Pretorias Rassisten ans Messer lieferte. Die CIA hatte der südafrikanischen Geheimpolizei die entscheidenden Hinweise gegeben, die am 5. August 1962 zur Festnahme Nelson Mandelas und seiner anschließenden 27jährigen Haft führten.
Nach dem Tod des früheren südafrikanischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers erinnerte das US-Nachrichtenmagazin Newsweek am vergangenen Donnerstag daran, wie die USA bei der Jagd auf Mandela in den 60er Jahren mitgemischt hatten. Washington war damals mit dem Apartheidregime durch ein militärisches Kooperationsabkommen eng verbunden. Die USA bezogen einen großen Teil des Urans für ihre Kernkraftwerke und atomare Aufrüstung von dort. Die Widerstandskämpfer des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) störten nicht nur die guten Geschäfte, sondern galten auch als Sicherheitsrisiko im Kampf gegen den Einfluß der sozialistischen Länder. Der ANC und seine Führer wurden von der US-Administration offiziell zu »Terroristen« erklärt. Senatoren, Kongreßabgeordnete und politische Mitarbeiter trugen am Revers Buttons mit der Aufschrift: »Hang Nelson Mandela and all ANC terrorists!«
Bereits kurz nach Mandelas Freilassung am 11. Februar 1990 hatte die in Johannesburg erscheinende Sunday Times enthüllt, daß ein CIA-Agent namens Millard Shirley die südafrikanische Geheimpolizei Anfang August 1962 auf die Spur Mandelas geführt hatte. Dem Bericht zufolge hatte der US-Dienst einen Spitzel in die Leitung des ANC in Durban eingeschleust und dessen Aktivitäten systematisch ausspioniert. Gerard Ludi, ein früherer südafrikanischer Geheimdienstagent, gestand dem Blatt, daß die eigenen Leute für ihre Aufgaben nicht ausreichend trainiert gewesen und deshalb von den US-Helfern unterstützt worden seien. »Ich vermute, daß Shirley die Informationen auf Anweisung seiner Regierung an die Südafrikaner gegeben hat, weil es im Interesse der USA lag, Mandela aus dem Weg zu räumen«, sagte Ludi.
Am 10. Juni 1990 bestätigten mehrere US-Medien die Berichte aus Südafrika. Die New York Times und die Chicago Tribune zitierten einen damaligen Regierungsbeamten, der sagte, daß er kurz nach Mandelas Festname von dem hochrangigen CIA-Mitarbeiter Paul Eckel mit folgenden Worten davon unterrichtet worden war: »Wir haben Mandela den südafrikanischen Sicherheitskräften überstellt. Wir haben sie über alle Details – Ort, Uhrzeit und welche Kleidung er trägt – informiert. Sie haben ihn aufgelesen. Das ist einer unserer größten Erfolge.« Der Beamte habe sein Schweigen erst nach knapp 30 Jahren gebrochen, weil er nach Mandelas Freilassung keinen Anlaß mehr für die Geheimhaltung gesehen habe, so die US-Nachrichtenagentur Cox News Service.
Obwohl Mandela noch bis zum 1. Juli 2008 auf ihrer »Terrorism Watch List« geführt wurde, änderten die USA nach seiner Freilassung und dem Zusammenbruch des Apartheidregimes offiziell ihren Kurs. Der damalige Präsident George Bush behauptete, daß die US-Regierung immer den Kampf Mandelas gegen den Rassismus unterstützt und sich stets gegen seine Inhaftierung ausgesprochen habe. Diese Version verbreitet die offizielle US-Politik bis heute. Auch Barack Obama knüpfte an diese Lüge an. Bei seinem Südafrika-Besuch im vergangenen Juli stieß er nicht zuletzt deswegen immer wieder auf heftige Proteste. Sein angebliches Vorbild Nelson Mandela hat er persönlich nie zu Gesicht bekommen. Nun erwies der US-Präsident einem Revolutionär die Ehre, der 27 Jahre seines Lebens hinter Kerkermauern verbringen mußte, weil die CIA dem Rassistenregime bei seiner Verfolgung und Ergreifung geholfen hat.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 11.12.2013