Millionenschäden durch Blockade
Kuba legt Bericht zu Folgen der US-Politik für Gesundheit und Ernährung vor.
Die von den USA seit mehr als 50 Jahren verhängte Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade hat Kuba auch in den vergangenen Monaten Verluste in Millionenhöhe zugefügt. Das berichtete die Tageszeitung Granma am Montag in Havanna. Besonders betroffen waren demnach überlebensnotwendige Bereiche wie das Gesundheitssystem und die Nahrungsmittelproduktion. So hatte die Karibikinsel zwischen Mai 2012 und April 2013 allein im Gesundheitswesen rund 39 Millionen US-Dollar zusätzliche ausgaben, weil Medikamente, Hilfsmittel und medizinische Geräte von entlegenen Anbietern über Zwischenhändler angekauft werden mußten, statt sie direkt aus den USA importieren zu können. Durch massiven Druck auf ausländische Banken und Unternehmen habe Washington außerdem versucht, die Zusammenarbeit zwischen Kuba und internationalen Organisationen im medizinischen Bereich zu verhindern. So wurde beispielsweise die Züricher Kantonalbank (ZKB) von den USA gezwungen, zum 1. Mai 2013 den Zahlungsverkehr mit Kuba einzustellen. Betroffen davon war etwa die humanitäre Hilfe für kranke Menschen, die mediCuba-Suisse seit 20 Jahren leistet. Der Schweizer Verein unterstützt jährlich mit rund 300.000 Franken (etwa 244.000 Euro) Projekte auf dem Gebiet der Krebs-, Kinder und Palliativmedizin sowie in der Psychotherapie und HIV/AIDS-Prävention.
Der lange Arm der US-Blockade verhinderte im letzten Jahr auch verstärkt die Qualifizierung von kubanischem Personal an medizinischen Geräten. So durften Fachkräfte von der Insel nicht an den für die Krebsdiagnostik unverzichtbaren Systemen zur Positronen-Emissions-Tomographie (PET) der Marke Philips ausgebildet werden. Die meisten modernen Geräte stützen sich dem Bericht zufolge auf die Windows-Betriebssysteme von Microsoft, das deren Aktivierung in Kuba wegen der Blockade verweigert und somit den Einsatz der Maschinen auf der Insel verhindert.
Selbst der Erwerb unspektakulärer Stoffe wird für Kuba oft ein Problem. So berichtet das kardiologische Zentrum für Kinder in Havanna von extremen Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Stickstoffmonoxid, da das in der Herzchirurgie und Säuglingsheilkunde verwendete Gas von europäischen und US-Firmen produziert wird.
Vor allem für Menschen mit hohen Gesundheitsrisiken kann die Blockade tödliche Folgen haben. Das Institut für Nephrologie (Nierenkunde) in Havanna beklagte, daß die von der US-Firma One Lambda produzierten Sätze für HLA-Tests, die für die Erfolgseinschätzung von Transplantationen wichtig sind, nicht nach Kuba geliefert werden dürfen. Auch kubanischen AIDS-Patienten werden durch die US-Blockade Medikamente vorenthalten, die ihre Krankheit positiv beeinflussen und ihr Leben verlängern könnten.
Neben dem Gesundheitswesen wurde auch die Nahrungsmittelindustrie hart von der Blockade getroffen. Nach angaben der Presseagentur Prensa Latina betragen die Verluste jährlich rund 45 Millionen US-Dollar. Die kubanische Importfirma Alimport bezifferte ihre Einbußen auf zusätzlich 20 Millionen, die allein dadurch verursacht worden seien, daß Kuba seine Importe aus Drittländern nicht in US-Dollar abwickeln darf. Da Handelsschiffe nach dem Anlaufen kubanischer Häfen keine Güter für die USA laden dürfen, verteuern sich obendrein die Transportkosten. Auch die Beschaffung von Verpackungsmaterialien für den Export von Lebensmitteln und Getränken sein um mehr als drei Millionen Dollar verteuert worden.
Die jetzt veröffentlichten Beispiele sind Teil einer umfangreichen Dokumentation, die Kuba für die derzeit laufende Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York vorbereitet. Dort steht am 29. Oktober zum 22. Mal die Forderung nach Beendigung der US-Blockade auf der Tagesordnung. Seit der ersten Abstimmung im Jahr 1992 ist die Unterstützung für Kuba von Jahr zu Jahr gestiegen. 2012 stimmten 188 Staaten für den Antrag Kubas, drei Länder (USA, Israel, Palau) votierten dagegen, zwei (Mikronesien und Marshallinseln) enthielten sich.
Die US-Regierung verfolgt mit ihrer Politik nach eigenen Angaben das Ziel, »die Wirtschaft Kubas durch Verweigerung von Geld und Versorgungsgütern zu schwächen, (…) um Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung zu befördern«. Unterstützt wird das ansonsten international isolierte Washington dabei von den kubanischen »Dissidenten«. Berta Soler, die Chefin der »Damen in Weiß«, forderte im April bei einem Auftritt in Miami sogar eine Verschärfung der Blockade. Kurz darauf überreichte ihr der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz als Präsident des Europäischen Parlaments den mit 50.000 Euro dotierten EU-Menschenrechtspreis.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 26.09.2013