Revolutionäre Plakate aus Kuba werden in Hamburg gezeigt. Ausstellung soll zur geschichtlichen Aufklärung beitragen. Ein Gespräch mit Richard Frick.
Richard Frick ist Lehrer für Typografie und Gestaltung an der Berufsschule für Gestaltung in Zürich, Mitglied der Partei der Arbeit und Herausgeber des Buches »Das trikontinentale Solidaritätsplakat«.
F: Noch bis Ende Mai ist in Hamburg die Ausstellung zu sehen: »Das cubanische Solidaritätsplakat – Zeitspiegel der Befreiungskämpfe im Trikont«. Wie kam es zu dieser Veranstaltung?
Ähnliche Ausstellungen gab es schon in anderen Städten. Das Besondere in Hamburg besteht darin, daß es fast ausschließlich Plakate der »Organisation der Solidarität der Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas« (OSPAAAL) sind, die 1966 als Nichtregierungsorganisation gegründet wurde. So kann die Geschichte der Befreiungsbewegungen – vornehmlich aus den 60er und 70er Jahren – gezeigt werden. Schon als Jugendlicher haben mich diese Plakate fasziniert. Viele habe ich dann gesammelt und ihre Entstehungsgeschichte recherchiert.
F: Was zeichnet die Plakate aus?
Sie kommen fast ohne Typografie aus. Diese Plakate wurden über die Zeitschrift Tricontinental in viele Länder verschickt. Auf den ersten Plakaten fanden sich noch Schriftzüge in Englisch, Französisch und Spanisch. Später auch in Arabisch. Aber das war ja nicht beliebig auszuweiten, zudem richteten sich die Plakate an ein Publikum, das oft nicht lesen und schreiben konnte. Das Bild oder die Grafik mußte für sich sprechen. Befreiungsbewegungen sollten unmittelbar unterstützt werden. Die materiellen Möglichkeiten in Kuba waren damals sehr beschränkt. Einige Plakate wurden im Siebdruckverfahren hergestellt, normalerweise aber im Offsetdruck. Die materiellen und technischen Voraussetzungen zwangen zur Reduktion. So ist eine eigene Sprache der Plakatgestaltung entstanden. Viele der Plakatgestalter haben selbst im Untergrund gekämpft. Das OSPAAAL-Kollektiv entwickelte eine enorme Themenvielfalt und eine originäre, äußerst farbige Bildsprache.
F: Auf einem der ausgestellten Plakate ist Jesus Christus mit einem Gewehr abgebildet. Auf einem anderen verteidigt der chilenische Präsident Salvador Allende seinen Amtssitz mit einer Kalaschnikow. Was kann das den Menschen heute noch sagen?
Die Kubaner haben erlebt, daß sie nur mit bewaffnetem Kampf die Gesellschaft verändern konnten. Einer der vitalsten Werte des revolutionären Kubas ist aber sein Internationalismus. Das Plakat von Alfredo Rostgaard entstand im Gedenken an den in Kolumbien erschossenen Befreiungstheologen und Guerillero Camillo Torres. Es zeigt das Bildnis des Jesus mit Heiligenschein und geschultertem Gewehr. Rostgaard hat das einmal so erläutert: Wenn Christus neu auf die Welt käme, wäre er Guerillero. In Verantwortung für die unterdrückten Völker dieser Welt.
F: Wie reagieren die Besucher der Ausstellung?
Es ergeben sich natürlich kontroverse Debatten. Es zeigt sich auch, daß vieles aus dieser Zeit der Befreiungsbewegungen, der damit verbundenen Hoffnungen für eine andere Gesellschaft und für die Befreiung vom US-Imperialismus, nicht mehr präsent ist. Vor 30 Jahren gab es den Sieg in Vietnam. Für die Schüler, die heute die Ausstellung besuchten, ist das graue Geschichte. Hintergründe und Motive des Kampfes sind nicht mehr bekannt. So trägt die Ausstellung auch zur Aufklärung bei.
Interview: Andreas Grünwald
Die Ausstellung mit Plakaten aus den Jahren 1966 bis 1977 ist bis 31. Mai im ver.di-Center Hamburg (Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof) zu sehen, weitere Veranstaltungen zu Fragen der internationalen Solidarität am 26. und 27. Mai im ver.di-center.
Alle 344 noch auffindbaren Plakate des OSPAAAL-Kollektivs – in vierfarbiger Plakatreproduktion – präsentiert Frick in seinem 2003 erschienen Buch »Das trikontinentale Solidaritätsplakat«, herausgegeben von der schweizerischen Gewerkschaft »comedia«. Vertrieb über die Verlagsgesellschaft W. E. Weinmann mbH, lieferbar über die Büchergilde. Preis: 108 Euro
Veröffentlichung |
Junge Welt, 09.05.2005