Havanna fordert europäische Unterstützung vor UN-Menschenrechtskommission.
Eine Woche, bevor Washington die kubanische Regierung vor der UN-Menschenrechtskommission in Genf erneut
verurteilen lassen will, haben die Staaten der Europäischen Union ihre Bereitschaft zur Kooperation
mit der sozialistischen Regierung erkennen lassen. Stellvertretend für das Staatenbündnis reiste
Bill Rammell, Staatssekretär im britischen Außenministerium, Anfang der Woche zu einer
dreitägigen Visite nach Havanna. Es war der erste Besuch eines hohen EU-Repräsentanten, seit die
bilateralen Beziehungen zwischen Brüssel und Havanna Ende Januar wieder aufgenommen wurden. Die EU
hatte die Kontakte auf Initiative der rechtskonservativen Aznar-Regierung Spaniens im Juni 2003
abgebrochen. Als Grund dafür wurde damals die Inhaftierung von 75 Regierungsgegnern angeführt,
die nach Ansicht der kubanischen Gerichte von der US-Regierung finanziert worden waren. 14 von ihnen sind
inzwischen wieder frei.
Der EU-Diplomat Rammell kündigte am Dienstag in Havanna eine »Politik der konstruktiven
Verpflichtung« an. Die Union wolle sowohl zur Regierung als auch zur »friedlichen Opposition« Kontakt
halten. Der kubanische Außenminister Felipe Pérez Roque erklärte während eine
Besuches des EU-Parlamentes in Strasbourg seinerseits, Havannas sozialistische Regierung sei zu »klaren
Gesten« bereit. Dazu gehöre der offene Dialog über Menschenrechte und die Unterzeichnung des
internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Voraussetzung für
diese Schritte sei laut Pérez Roque jedoch ein entsprechendes Stimmverhalten der EU-Länder
während der Sitzung der UN-Menschenrechtskommission kommende Woche in Genf. Die USA legen diesem
Gremium seit Jahren eine Resolution vor, nach der Kuba wegen vermeintlicher Menschenrechtsverletzungen
verurteilt werden soll. Die Regierung in Havanna lehnt diese regelmäßige Initiative als
aggressiven Akt ab. Auch die Staaten der EU, so Pérez Roque, sollten die Resolution daher
geschlossen zurückweisen.
Harald Neuber
Junge Welt, 10.03.2005
Abgeschrieben:
Wir dokumentieren in Auszügen eine von zahlreichen Intellektuellen und Politikern unterzeichnete
Petition, die unter dem Titel »Frankreich und Europa dürfen sich nicht den antikubanischen
Maßnahmen der UNO anschließen« am 1. März in Frankreich veröffentlicht wurde:
Seit Jahrzehnten führt die UNO- Menschenrechtskommission jedes Jahr im März und April eine
sechswöchige Sitzungsperiode durch, während der Hunderte Resolutionen beschlossen werden. Kuba
wird auf Betreiben der Vereinigten Staaten wiederum Gegenstand einer solchen Resolution sein.
Unter dem Deckmantel einer Einschätzung der Menschenrechtssituation auf Kuba soll diese Resolution
in Wirklichkeit das Land weiter isolieren und wird die Misere seines Volks vergrößern.
Vor über 40 Jahren haben die USA ein Embargo verhängt, um die Revolution zu ersticken, die sie
nicht tolerieren konnten – und zwar noch bevor eine Verbindung zur Sowjetunion zustande kam. Um die Insel
zu isolieren, haben sie ihre Verbündeten veranlaßt, sich diesen Maßnahmen
anzuschließen.
Sie haben ihre feindseligen Aktionen vervielfacht (...) Der Drang der Vereinigten Staaten nach Bestrafung
Kubas hat seit 1990 mit dem Verschwinden der Sowjetunion noch zugenommen. Das Toricelli- und das
Helms-Burton-Gesetz verhängen unter Mißachtung internationalen Rechts weltweit Sanktionen
gegen Betriebe, die Geschäftsbeziehungen zu Kuba unterhalten.
Die unlängst in den Vereinigten Staaten verfügten drastischen Beschränkungen von Reisen
kubanischer Immigranten nach Kuba und von Geldüberweisungen dieser Personen an ihre auf der
Karibikinsel zurückgebliebenen Familien verfolgen dasselbe Ziel – die Austrocknung der kubanischen
Wirtschaft – und erhöhen den Druck auf die kubanische Bevölkerung. (...)
Washington versucht mit allen Mitteln, eine Opposition zu schaffen und zu organisieren, die sich für
eine Umgestaltung der Macht und der Gesellschaft instrumentalisieren läßt, um die 1959
verlorenene Position wiederzuerobern. Nur die wenigsten Oppositionellen sind imstande, Distanz zu
Washington zu halten, das ihnen Geld und Anerkennung bietet.
Ungeachtet dessen verurteilt Kuba seine Bürger dennoch nicht wegen ihrer Meinungen. Die Personen,
die 2003 vor kubanischen Gerichten standen, wurden wegen Gefährdung der Sicherheit des Landes
(Landesverrat) und wegen Spionage für einen fremden Staat auf der Grundlage gerichtlich
festgestellter Beweise nach internationaler Strafrechtspraxis verurteilt.
Daher appelliere ich an alle, die sich zu der antikubanischen Resolution der UNO- Menschenrechtskommission
zu äußern haben, objektiv zu berücksichtigen, daß die Kubaner nicht nur
ökonomische, soziale und kulturelle, sondern auch politische und Bürgerrechte genießen.
Ich bitte besonders die französische Regierung und die europäischen Gremien, die antikubanische
Resolution, die in diesem Jahr vor der UNO-Menschenrechtskommission präsentiert werden wird, nicht
zu unterstützen.
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Junge Welt, 10.03.2005