Eine Sammlung von Solidaritätsplakaten des kubanischen Kollektivs OSPAAAL.
Im Frühjahr des Jahres 1966 wurde in Havanna das "Exekutivsekretariat der Solidaritätsorganisation der Völker Afrikas, Asiens und Lateinamerikas" (OSPAAAL) ins Leben gerufen. Diese Organisation publizierte im April 1967 den Brief Che Guevaras mit der Forderung "Schafft zwei, drei, viele Vietnam", der später weltberühmt werden sollte. Nur ein halbes Jahr später wurde der gefangene Che Guevara von seinen Häschern in Bolivien ermordet. Unmittelbar darauf schuf der Plakatkünstler Helena Serrano das Plakat auf dem das von Alberto Korda mit visionärem Blick versehene Konterfei Che Guevaras über den ganzen lateinamerikanischen Kontinent ausstrahlt. Zugleich illustriert es in bestechender Weise die von Che Guevara unter Einsatz seines Lebens verfochtene Focus Theorie, der zufolge schwache revolutionäre Kräfte durch die militärische Aktion einen umfassenden Prozess revolutionärer Umwälzung initiieren und in Gang setzen könnten.
Die Organisation OSPAAAL existiert noch heute. Insgesamt 52 PlakatgestalterInnen haben seitdem mehrere hundert Plakate hergestellt, die als gefaltete Beilage für die Zeitschrift Tricontinental in fast allen Teilen der Welt vertrieben wurden. Wenig verwundert es, dass für das Kollektiv durch die gesamte Zeit seines Bestehens besonders der Bezug auf Che Guevara geblieben ist: so wurden ihm über 20 Plakate gewidmet. Sie zeigen dessen Konterfei in allen Varianten, wobei bemerkenswert ist, dass Che Guevara erstmals auf einem zum 20. Jahrestag seiner Ermordung im Jahre 1987 herausgegebenen Plakat lächelt.
Die kubanischen PlakatgestalterInnen beanspruchten mit ihren Werken den nationalen Bezugsrahmen zu verlassen und sich einen globalen Horizont zu eröffnen. Notwendigerweise musste OSPAAAL sich im Kontext des intiimperialistischen nationalen Befreiungskampfes von Kuba aus mit Bildtraditionen anderer nationaler Kulturen auseinander setzen. So entwarf OSPAAAL Plakate, die global Aufmerksamkeit zu erregen suchten sowie von Menschen blitzartig "gelesen" und verstanden werden sollten, von denen viele überhaupt nicht lesen und schreiben können. Ein OSPAAAL Plakat sollte – so formulierte es Mirta Muñiz – einen "Schrei an die Wand" bringen. In der Gestaltung mussten sich dafür die kubanischen PlakatgestalterInnen sowohl von der vulgären Kommerzialität der amerikanischen Plakatkunst (und ihren Imitationen an zahllosen Reklameflächen in Europa und Lateinamerika) einerseits, und Elementen bombastischer Hässlichkeit des sowjetischen sozialistischen Realismus und der folkloristischen und hagiographischen Naivität der chinesischen politischen Grafiken andererseits frei machen. In diesem Spannungsfeld entwarf das OSPAAAL-Kollektiv mit ihren politischen Plakaten eine Farbpracht und eine Bildersprache, die wahrlich den Sinnen schmeichelt.
Der lächelnde Che Guevara
OSPAAAL-Plakate erkennt man an einem zumeist rechts oder links unten in einem Kasten platzierten Logo. Von der Dimension her diesen Kasten sprengend, zeigt es eine Weltkugel, die auf einem Arm zu ruhen scheint, an dessen Ende eine Hand mit einem Gewehr zu sehen ist. Dabei ist die Typografie abstrakt gewählt, was dem Logo eine eigentümlich zeitlose Modernität verleiht. Schon hier zeigt sich die für spätere Orientierung an der Darstellung der Knarre. Sie symbolisiert die Guevaristische Methode des bewaffneten Befreiungskampfes. Dass die Fixierung auf diese Kampfform zeitweise auch religiöse Züge annahm, wird auf einem von Alfredo G. Rostgaard im Andenken an Camilo Torres gestalteten Plakat deutlich. Der Befreiungstheologe Torres war als Guerilla 1966 in Bolivien erschossen worden, und so zeigt die Darstellung Jesus im Heiligenkranz mit dem geschulterten Gewehr.
Aus heutiger Sicht betrachtet mutet dieses Motiv eigentümlich fern an. Es ist unabweisbar, dass diese Etappe des bewaffneten Befreiungskampfes zwischenzeitlich als historisch gelten muss. Dennoch lassen sich einige OSPAAAL-Plakate durchaus in einem sehr aktuellen Sinne interpretieren. Würde man z.B. heute das 1970 ebenfalls von Rostgaard gestaltete Plakat ohne den Slogan "Santo Domingo: 1965" verbreiten, so riefe es wahrscheinlich bei vielen Assoziationen zur gegenwärtigen Lage der US-Truppen im Irak hervor. Dem scheinbar sauber bleibenden UN-Marinesoldaten steht die auch schmutzige Waffengewalt des Widerstandes gegenüber: Es gibt nur wenige OSPAAAL-Plakate, wie das 1979 entstandene Plakat zu Nicaragua, auf denen der bewaffnete Kampf zusammen mit einer Demonstration gezeigt wird.
Die Widersprüche innerhalb der revolutionären Bewegung werden auf den OSPAAAL-Plakaten jedoch nicht thematisiert. So darf – bei aller Begeisterung – nicht vergessen werden, dass es sich letztlich immer auch um staatliche Propagandaplakate gehandelt hat. Es steht zu vermuten, dass sich die übergeordneten politischen Instanzen in Kuba ihr Politikmonopol gerade in kontroversen Fragen von den PlakatgestalterInnen nicht haben aus der Hand nehmen lassen. Schließlich stammten die Plakate aus einer Zeit der permanenten militärischen Konfrontation zwischen dem US-Imperialismus und den Staaten der „Dritten Welt“, die verschiedenste Anstrengungen unternahmen, den Sozialismus aufzubauen.
Den Schrei an die Wand bringen
In der BRD adaptierte zwar die Guerillaorganisation Bewegung 2. Juni das OSPAAAL-Logo und verwandte es in einigen Bekennerschreiben, die von OSPAAAL verbreiteten Plakate dürften hier jedoch nicht sehr bekannt gewesen sein. Die geringe Verbreitung lag u.a. daran, dass die Zeitschrift Tricontinental zwar in spanisch, französisch und englisch, aber nicht in deutsch erschien. Wir von HKS 13 haben bei unseren umfangreichen Recherchen vielleicht 25 OSPAAAL-Plakate gefunden. Die geringe Präsenz in bundesdeutschen Archiven erklärt sich auch dadurch, dass sie von Beginn an als Sammlerobjekte begehrt waren, die, wie es ein Kenner mit milder Ironie formulierte: "bei Auktionen ihren Preis erzielen." Was für eine paradoxe Wendung, dass ausgerechnet eine Serie des politischen Plakates, die sich hauptsächlich an die Bevölkerung wirtschaftlich unterentwickelter, ehemals kolonialer Gesellschaften richtet, in den kapitalistischen Zentren zu einem knappen Gut mutiert, dessen Preis bei hoher Nachfrage entsprechend steigt.
In dem jüngst in der Schweiz erschienenen Buch "Das trikontinentale Solidaritätsplakat" können nun fast alle 340 vom Kollektiv bekannt gewordenen Plakate in bislang nicht erreichter Qualität betrachtet werden. Die Leistung des Herausgebers Richard Frick ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass eine – wenn man so will - "ordungsgemäße" Archivierung von OSPAAAL, selbst niemals vorgenommen wurde. Manche Plakate waren im Original weder in Kuba noch an einem anderen Ort der Erde aufzutreiben, sondern mussten nach Schwarz-weiß-Vorlagen aus der Zeitschrift Tricontinental reproduziert werden. Erstmals kommen hier mit Alfredo G. Rostgaard, Olivio Martinez und Lázaro Abreu Padrón auch drei kubanische Plakatgestalter zu Wort. Rostgaard schätzt sich mit diesem Buch glücklich, "das Resultat einer Lebensaufgabe zu sehen, die keine kommerziellen Ziele verfolgte." Und für Olivio Martinez, ist es "über die Plakate der OSPAAAL zu schreiben (…) wie von einer alten Liebe zu reden".
Normalerweise gehört ein politisches Plakat an die Wand und nicht in ein Buch. Von susan Sonntag wurde die Kritik geltend gemacht, die Dokumentation von Plakaten in einem Buch verwandele diese in "miniaturvisierte Sehenswürdigkeiten", und "Kulturgegenstände", die uns in der "bourgeoisen Wohlstandsgesellschaft serviert" werden, damit "wir uns an ihnen delektieren". Dieser Vorwurf ist zwar nicht so ohne weiteres aus der Welt zu schaffen. Dennoch ermöglichen die von Richard Frick versammelten OSPAAAL-Plakate eine Erinnerung an eine Etappe des globalen Befreiungskampfes, die trotz des durchaus auch machistisch angehauchten Heroismus und Nationalismus mit einem enormen kulturellen Reichtum verbunden war. In jahrelanger Sammelarbeit hat der Lehrer für Typografie an der Berufsschule für Gestaltung in Zürich alle auffindbaren Plakate des OSPAAL-Kollektivs zusammengetragen und in einem aufwendig gedruckten großformatigen Buch präsentiert. Ohne sein Engagement würde eine Vielzahl dieser Plakate für immer aus dem blick geraten. Und daran können eigentlich nur die ein Interesse haben, die in dieser Welt bereits am Ende der Geschichte angelangt sind, Das gilt übrigens auch für diejenigen, die ein notwendige Kritik an den OSPAAAL-Plakaten meiden.
Richard Frick. Das trikontinentale Solidaritätsplakat, Bern, 2003, S. 430, Commedia-Verlag. 72 Euro für ver.di-Mitglieder, Regulärer Preis 148 CHF
HKS 13
analyse und kritik, 19.05.2004