Wir akzeptieren keine Bedingungen
Fidel im Interview mit den Fernsehsendern CNN und CBS
Präsident Fidel Castro gab der US-amerikanischen Presse während seines Aufenthaltes in New York mehrere Interviews, in denen die Beziehungen Kuba-USA natürlich das Hauptthema war.
Die Interviews verliefen unterschiedlich, aber sowohl Dan Rather, von der Fernsehstation CBS, als auch Berhard Shaw, von der CNN, behandelten eingehend das Thema der Blockade, die US-amerikanischen Gesetze, die sie verschärfen, und ein mögliches Treffen mit Präsident William Clinton.
Was die Reihenfolge angeht, so erfolgte das Interview mit der CNN zuerst, am 22. Oktober, und am darauffolgenden Tag fand das mit der CNN statt.
Der Journalist Shaw eröffnete das Gespräch mit der Frage über die Präsenz von sowjetischen Raketen auf der Insel in den 60er Jahren. Ob die Beziehungen zu Washington anders gewesen wären, wenn Kuba der Stationierung nicht zugestimmt hätte.
Fidel antwortete kategorisch: "Nein, denn die Raketen waren eine Kosequenz der schlechten Beziehungen". Er berief sich dabei auf die Invasion in der Schweinebucht und die Bedrohung durch eine direkte Invasion. Er erklärte, daß Kuba nicht etwa der UdSSR in die Arme gestoßen wurde.
"Daraus ergab sich ein beidseitiger Vorteil. Für uns bedeutete es über ein, wie man es heute nennt, atomares Schutzschild zu verfügen, und für die sowjetische Seite … bedeutete es, ihre Stellung im strategischen Kräfteverhältnis zu verbessern."
Zu einem möglichen Treffen mit Clinton sagte der kubanische Präsident, daß jedes Gespräch konstruktiven Charakters nützlich sei, daß es jedoch "angesichts der gegenwärtigen politischen Lage in den Vereinigten Staaten, der Wahlperiode, der großen Polemik und Leidenschaft, die hinsichtlich Kuba existieren" vorläufig für sehr schwierig halte, daß es in relativ kurzer Zeit dazu kommen könne.
Auf eine andere Frage antwortend, meinte er ergänzend dazu daß die Umstände für eine Vermittlung durch den Expräsidenten James Carter ebenfalls nicht gegeben seien.
Der Kommentator des CNN ging zu einem Thema über, das für sein Land von besonderem Interesse ist, und bezog sich auf Robert Vesco, der vor den US-amerikanischen Gesetzen auf der Flucht ist und sich in Kuba befindet. Er fragte den Präsidenten, ob er gewillt sei, ihn auszuliefern.
Das kubanische Staatsoberhaupt präzisierte, daß Vesco auf Ersuchen einer Persönlichkeit aus Costa Rica auf die Insel gelangt sei. Gegenwärtig sei er aufgrund seines Verhaltens, mit dem er gegen die kubanischen Gesetze verstoßen habe, inhaftiert.
Die Auslieferung betreffend, antwortete Fidel, daß es keine Beispiele dafür gäbe, daß die Vereinigten Staaten jemals eine Person an Kuba übergeben hätten, welches auch immer deren Vergehen gewesen sei.
Daher bestünden also weder ein auf Gegenseitigkeit beruhender Grund dafür, ihn auszuliefern, noch ein Auslieferungsvertrag, fügte er hinzu. !Aber wir hätten nichts dagegen einzuwenden, mit den Behörden der Vereinigten Staaten einen Auslieferungsvertrag zu unterzeichnen."
Dann kam die Reihe an den Gesetzentwurf Helms-Burton, der darauf abzielt, die Blockade zu verschärfen. "Wir sind schon länger an all diesen Wahnsinn gewöhnt."
Der Präsident bemerkte, daß dieses Gesetz die Absicht verfolgt, diejenigen einzuschüchtern und zu erschrecken, die mit Kuba Handel treiben. "wir wissen noch nicht, was geschehen wird, aber für's erste kann ich dir versichern, daß die Vereinigten Staaten auf weltweite Ablehnung stoßen: In Bariloche, in Cartagena, in den Vereinten Nationen existiert ein großer Widerstand gegen diese Blockadepolitik", die Kuba in allem mehr als 40 Mrd. Dollar gekostet hat.
In Beantwortung einer anderen Frage fügte Fidel hinzu, daß er mit Helms, mit Senator Robert Dole und dem Präsidenten des Repräsentantenhauses Newt Gingrich über alles, was sie interessiert, diskutieren würde, "denn ich bin überzeugt, daß wir im Recht sind, und wir haben keine Angst, dies mit wem auch immer zu diskutieren."
Er bemerkte, daß man sie eher fragen müßte, ob sie sich mit ihm treffen würden, und daß sie sicher entgegnen würden, daß sie "mit Castro niemals ein Wort wechseln würden, oder irgend etwas diskutieren würden", und er unterstrich, daß er keine derartigen Vorurteile habe. "Ich habe eine offenere Geisteshaltung".
Der Journalist Shaw interessiert sich dafür, was der kubanische Präsident von den Anweisungen halte, die Clinton im Zusammenhang mit dem sogenannten zweiten Teil des Toricelli-Gesetzes gegeben hat.
Fidel verwies darauf, daß die Fragen des Reisens und der Geldsendungen noch nicht eindeutig formuliert seien, und daß über die Eröffnung von Pressebüros präzisierte er, daß dies zu einer ungerechten Lage führen würde, denn im Vergleich zu 100 Büros, die man auf der Insel gründen würde, könnte man aus ökonomischen Gründen nicht ein einziges kubanisches Büro in den USA einrichten.
Der Schwerpunkt der ausländischen Investitionen und insbesondere die Gespräche Fidels mit US-amerikanischen Unternehmern waren ebenfalls von Interesse.
Die US-amerikanischen Geschäftsleute seien gegen die Blockade, betonte Fidel, denn es täte ihnen weh, daß sich ihnen wirtschaftliche und kommerzielle Möglichkeiten bieten und daß es ihnen verboten sei, diese wahrzunehmen. "und ich beobachte heute mehr denn je eine neue Erscheinung, nämlich daß die US-amerikanischen Unternehmer ein großes Interesse an den wirtschaftlichen Beziehungen zu Kuba haben."
Weite auf die Frage Shaws eingehend, bekräftigte der Präsident, daß Kuba keinerlei Bedingungen akzeptiere, die der Unabhängigkeit und der Souveränität des Landes schaden, um die wirtschaftlichen Probleme zu läsen, die zwischen den USA und der Insel bestehen.
Er machte deutlich, daß man vorläufig nicht an ein Mehrparteiensystem denke und außerdem, so meinte er, würde es dem Land auch nicht nützen, denn das Volk darf nicht aufgespalten werden. Gespalten hätte es weder den schrecklichen Schlag verkraften können, den die US-amerikanischen Blockade bedeutet, noch das Verschwinden des sozialistischen Lagers und der UdSSR.
Auch seinen Rücktritt oder den von anderen Führungskräften der Revolution würde man nicht akzeptieren, denn dabei handle es sich um eine politische Bedingung.
"Was ich damit sagen will, ist", so unterstrich er, "daß ich immer bereit sein werde, alles Erforderliche für das Land zu tun. Ich habe keine persönlichen Ambitionen. Wir sind bereit, für unser Land das Leben zu geben, aber wir sind nicht bereit, die Unabhängigkeit und die Souveränität des Landes aufzugeben, wir sind nicht bereit, die Prinzipien zu opfern."
Andere Themen, die zur Sprache kamen, waren die Religion und ein Treffen mit Papst Johannes Paul II., worauf Fidel antwortete, daß er zu den evangelischen Kirchen seit Beginn der Revolution bis heute ausgezeichnete Beziehungen bestünden.
Sich auf den Papst beziehend, kommentierte der Präsident, daß man über einen Besuch gesprochen habe, daß dieser aber aus politischen Gründen und aufgrund der Beziehungen zur höchsten Hierarchie der katholischen Kirche in Kuba nicht habe stattfinden können, obwohl er kein Ding der Unmöglichkeit sei. Und er verwies darauf, daß er eine hohe Meinung von Johannes Paul II. Habe und ihn sehr schätze. Er stimme mit ihm in vielen Punkten überein, wenn auch nicht in allen.
Auf die Frage, wie er in Erinnerung behalten werden möchte, äußerte Fidel, daß es schwierig sei, von sich selbst zu sprechen und daß er weder eitel oder ruhmessüchtig sei, noch sich vom Urteil der Geschichte leiten lasse.
Er berichtete, daß er bei seinen Besuchen in Uruguay, Rio de Janeiro, Kopenhagen und den Vereinten Nationen feststellen konnte, daß es trotz aller Propaganda gegen Kuba und seine Person viele Leute gäbe, die das Land und ihn hochschätzten.
Befragt nach dem Grund dafür, antwortete der Präsident: "Es wird wohl so sein, daß sie die grausame Blockade verurteilen, die gegen unser Land aufrechterhalten wird und die Männer, Frauen und Kinder, Jugendliche und alte Menschen tötet."
Die Mitmenschen, schloß Fidel, hätten keine so schlechte Meinung. "Für einen Mann, der um etwas kämpft, für einen Mann, der eine Aufgabe erfüllen will und nach bestimmten Prinzipien handelt, darf es nicht ausschlaggebend sein, welche Meinung die Nachwelt von ihm haben wird."
Der Kapitalismus hat die Probleme nicht gelöst
Die Fragen von Dan Rather, Journalist von CBS, waren in vielen Fällen ähnlich, aber es gab bei einigen Themen Präzisierungen, z.B. hinsichtlich des angeblichen Scheiterns des Kommunismus als Wirtschaftssystem.
Fidel äußerte dazu, daß er mit dieser Wertung nicht einverstanden sei, denn schließlich habe Kuba ja mehr als 30 Jahre lang unter einer sozialistischen Regierung überlebt. Er könne eher das Gegenteil behaupten, nämlich daß der Kapitalismus gescheitert sei und die ökonomischen Probleme nicht gelöst habe.
"Der beste Beweis dafür ist, daß 4,5 Mrd. Menschen der Dritten Welt in Armut leben, davon 300 Mio. in absoluter Not, 1 Mrd. Menschen leiden Hunger, 1 Mrd. Menschen sind Analphabeten, 1,3 Mrd. Menschen haben nicht die geringsten hygienischen Bedingungen, 800 Mio. Menschen sind arbeitslos."
Der Interviewer kommentierte, daß Kubaner in New York gegen ihn demonstriert und ihn sogar als Mörder bezeichnet hätten und fragte ihn, was er diesen Personen entgegnen würde.
"Wenn sie behaupten, ich sei ein Mörder," antwortete Fidel, "dann ist das ein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß sie mich nicht einmal kennen, daß sie nicht einmal wissen, was in Kuba geschehen ist."
Der Präsident machte einen Abstecher in die Geschichte und erwähnte den Respekt gegenüber den feindlichen Soldaten im Guerillakampf in der Sierra Maestra und gegenüber den Söldnern, die in der Schweinebucht die Insel überfielen, von denen kein einziger ermordet, geschlagen oder mißhandelt wurde.
"Das ist ein grundlegender Faktor in unserer Geschichte, und wenn wir nicht so wären, hätten wir nicht die Unterstützung des Volkes, das Volk toleriert kein Verbrechen, das Volk toleriert keine Folter. Das ist die Mentalität unseres Volkes."
Der Präsident antwortete auf die Frage, ob er der Meinung sei, daß Colin Powell der nächste US-Präsident sein werde, er könne diese Behauptung nicht aufstellen, halte ihn aber für eine interessante Erscheinung.
Er ging auch auf seine Teilnahme an der Veranstaltung in Harlem ein, wo .- wie er hervorhob – nicht nur Afroamerikaner anwesend waren, sondern auch Puertoricaner, Kubaner, Lateinamerikaner von überall her, und daß es für ihn ergreifend war, daran erinnert zu werden, was sich dort vor 35 Jahren zugetragen hatte.
Granma Internacional, 01.12.1995