"Jetzt gibt es ein neues Südafrika, ein Land des Friedens"
Pretoria: Jetzt gibt es ein neues Südafrika, ein Land des Friedens, das Kuba Achtung und Liebe entgegen bringt", sagte Präsident Fidel Castro zum Abschluß seines Staatsbesuches in Pretoria, wo er an den Feierlichkeiten zur Amtseinführung Nelson Mandelas teilnahm.
Dieser Erklärung an die kubanische Presse, die ihn auf der Reise begleitete, war die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern vorausgegangen. Es war eine der ersten außenpolitischen Entscheidungen der Regierung Mandelas.
Der kubanische Außenminister, Roberto Robaina und sein südafrikanischer Amtskollege Alfred Nzo, unterzeichneten das Protokoll, das einen neuen Abschnitt in den Beziehungen zwischen Pretoria und Havanna einleitet.
Beide Regierungen unterhielten bisher keine diplomatischen Beziehungen, da Kuba das rassistische Apartheidsystem, das jetzt beseitigt ist, strikt abgelehnt hatte.
Zu den letzten Aktivitäten Fidels in Südafrika gehörte ein Gespräch in privatem Rahmen mit Nelson Mandela. Danach gab er dem südafrikanischen Fernsehen SBC (South African Broadcasting Company) im Hotel Arcadia, in dem er mit seiner Delegation untergebracht war, ein Exklusivinterview.
In der Presseerklärung versicherte Fidel, daß ihm während seines Aufenthalts nicht nur vom Afrikanischen Nationalkongreß (ANC), sondern von allen gesellschaftlichen Kräften eine sehr respektvolle Haltung entgegengebracht worden sei.
"Wir müssen alle zu Frieden und Harmonie in Südafrika beitragen", äußerte er, "damit die Ergebnisse der Anstrengungen und Opfer dazu führen, das Land zu einer Art Modell für die ganze Welt zu machen."
Sehr bewegt zeigte sich Fidel auch von dem offiziellen Akt der Amtseinführung Mandelas. Dazu waren mehr als 5.000 Personen, darunter Staats- und Regierungschefs aus etwa 40 Ländern, im Amphitheater des Union Buliding zusammengekommen.
In der neuen Nationalversammlung nimmt der ANC 252 der insgesamt 400 Sitze ein. Er hat auch die Mehrheit in den gesetzgebenden Versammlungen von sieben der insgesamt neun Provinzen, in die das Land aufgeteilt ist. Die Nationale Partei, angeführt von Frederick de Klerk, erhielt 20% der Stimmen und auf Inkata unter Manggoshutu Buthelezi entfielen 10%, wobei sie 53% in ihrer Hochburg, der Provinz Kwanzulu, erringen konnte.
Die Freiheit ist schon Realität
Begleitet von stürmischem Beifall trat der Repräsentant der schwarzen Mehrheit, Nelson Mandela, seine Präsidentschaft an. Für die südafrikanische Nation ist dies das bedeutendste Ereignis der letzten 300 Jahre.
Mandela leistete den Amtseid vor 140 Delegierten sowie Staats- und Regierungschefs aus aller Welt. Präsident Fidel Castro wurde von der Menge umjubelt, als er vor dem Union Building eintraf, um an der historisch bedeutsamen Feierlichkeit teilzunehmen. "Fidel Castro, Fidel Castro", hallte s ihm in einem Riesenchor entgegen.
"Die Freiheit ist schon Realität", rief Mandela bewegt aus. Seine erste öffentliche Rede war der nationalen Versöhnung gewidmet und er ermutigte alle Südafrikaner, keine Furcht in ihren Herzen zu tragen.
Mandela zollte seinen Tribut allen, die diese historische Wende in Südafrika ermöglicht haben: der demokratischen Massenbewegung, den Geistlichen, den Frauen, den Jugendlichen, den Unternehmern, den Stammesführern und anderen politischen Persönlichkeiten.
Als er sich auf das System der Rassentrennung bezog, das seit 1948 in Südafrika institutionalisiert war, bekräftigte er, daß diese Zeiten niemals zurückkehren werden "und wir dafür alle gemeinsam und vertrauensvoll zusammenarbeiten müssen."
"Es wird Brot und Wasser, Gerechtigkeit, Arbeit und Frieden für uns alle geben, ohne Diskriminierung," verkündete er. Wir haben unseren Geist und unsere Seele befreit, um einen besseren und glücklicheren Weg zu gehen, erklärte der 75jährige schwarze Präsident, der 27 Jahre lang wegen seines Widerstandes gegen das Apartheidsystem eingekerkert war.
Mandela dankte zutiefst den verschiedenen Nationen, die ihre Solidarität mit dem Kampf gegen den Rassismus in Südafrika auf die eine oder andere Weise bekundeten, sowie für ihre Teilnahme an der feierlichen Amtseinführung der neuen Regierung für Versöhnung und Nationale Einheit.
"Niemals mehr wird sich die Sonne über diesem schönen Land verdunkeln", rief Mandela am Ende seiner Rede aus.
Der Staatsakt begann mit dem Hissen der neuen Nationalflagge in den Farben schwarz-gelb-grün-rot-weiß-blau durch die Streitkräfte. Gleichzeitig ertönten die beiden Nationalhymnen des Landes, die für die fünfjährige Übergangsperiode gelten, in der die neue Verfassung ausgearbeitet werden soll.
Der Vizepräsident, Frederick de Klerk, gefolgt vom Ersten Vizepräsident Thabo Mbeki, leisteten den Eid auf die Verfassung und schwörten, über die Ehre und Integrität des Landes zu wachen.
Danach forderte der Präsident des Obersten Gerichtshofes, Mitchel Corbett, Mandela auf, die rechte Hand zu erheben und erklärte ihn zum neuen Präsidenten.
Die feierliche Handling wurde von den bedeutendsten religiösen Häuptern des Landes gesegnet. Jeder von ihnen sprach ein Gebet für den Frieden aus.
21 Schüsse Artilleriesalut und der Formationsflug eines Hubschraubergeschwaders, gefolgt von Jagdflugzeugen, die aus ihren Düsen Gas in den sechs Nationalfarben abließen, stellten den Schlußpunkt dieses historischen Aktes dar.
Ein Beweis, daß man große Siege erringen kann
Es ist wie eine Wiedergeburt und ein Beweis dafür, daß man große Siege erringen kann, trotz der weltweiten Katastrophen und der unipolaren Welt, in der wir leben, erklärte Fidel in Bezug auf den Wahlsieg Mandelas.
Er wies darauf hin, daß es zwischen Kuba und Südafrika Möglichkeiten der Zusammenarbeit gebe. Es sei ein sehr entwickeltes Land, benötige aber höhere Standards im Gesundheitswesen, der Bildung und auf anderen Gebieten.
Fidel zog Bilanz über die selbstlose Hilfe des kubanischen Volkes für den afrikanischen Kontinent. "Ich sprach mit dem Präsidenten Dos Santos", sagte er, "und es hat mich sehr bewegt, welche Dankbarkeit er dem kubanischen Volk entgegen brachte. In Angola haben wir uns nichts vorzuwerfen, wir haben dort unsere Pflicht getan.
All das wirkte sich natürlich entscheidend auf die nachfolgenden Vorgänge aus, die in jenen Verhandlungen ihren Höhepunkt erreichten, durch die Namibia seine Unabhängigkeit erlangte. Ich denke, daß dadurch das südafrikanische Volk in seinem Kampf gegen die Apartheid bestärkt wurde."
Über diesen historischen Augenblick, den das südafrikanische Volk gerade erlebt, äußerte er, daß die Entwicklung der Ereignisse als etwas Wundervolles empfinde, und es sein größter Wunsch sei, daß diesem Land Harmonie und Frieden beschieden sei.
Begegnungen mit Staatschefs und anderen Persönlichkeiten
Kurz vor der Amtsübernahme Mandelas nahm Präsident Fidel Castro an einem Treffen teil, bei dem er mit dem Ex-Präsidenten von Tansania, Julius Nyerere und den Staatschefs Robert Mugabe von Simbabwe, Jerry Rawlings von Ghana und Jose Eduardo Dos Santos von Angola Gespräche führte.
Mit Joaquim Chissano, Präsident von Mosamik, Boutros Ghali, Uno-Generalsekretär und Prinz Phillipp von Spanien tauschte er gleichfalls Gedanken aus.
Weiter traf er mit Yasser Arafat, Präsident der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, zusammen. Fidel Castro nutzte den feierlichen Staatsakt auch zu Gesprächen mit den Präsidenten von Namibia, Sam Nujoma, Ezer Weitzmann von Israel und der Premierministerin von Pakistan Bhenazir Bhuto sowie anderen anwesenden Gästen.
Granma Internacional, 02.05.1994