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Buchvorstellung "Die kubanische Revolution" von und mit Volker Hermsdorf am 16.10.2015 im Club Voltaire, Frankfurt am Main
Infolge der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit gibt der Autor im mit ca. 70 Personen voll besetzten Club einen stark komprimierten Überblick über das Thema seines Buches.
Am 28.Oktober 1492 landet Christoph Kolumbus auf der Insel, die knapp 20 Jahre später von Diego Velásquez mit 300 Soldaten erobert und der spanischen Krone unterworfen wird. Der Widerstand der etwa 200.000 indigenen Bewohner der Insel wird rasch und brutal gebrochen und endet in ihrer fast vollständigen Vernichtung. Mit dem Aufbau von Zuckerfabriken (das Zuckerrohr erweist sich als das Gold Kubas) werden in den folgenden 200 Jahren anfangs tausende, später hunderttausende Afrikaner als Sklaven auf die Insel gebracht. 1552 ist Havanna zum größten Hafen und bedeutendsten Umschlagplatz der Karibik geworden. Die Ausbeutung der Sklaven schafft unermesslichen Reichtum auf Seiten der Kolonialherren und gleichzeitig unermessliches Leid und Elend bei den Sklaven.
Als Erste erheben sich die Sklaven im von Spanien an Frankreich verkauften Haiti und erkämpfen die erste von Schwarzen geführte unabhängige Republik Haiti. Simón Bolívar und Francisco de Miranda führen den Unabhängigkeitskampf gegen Spanien und den Kampf gegen die Sklaverei in Kolumbien, Venezuela und Peru.
In Kuba beginnt am 10. Oktober 1868 (der Tag ist heute ein nationaler Feiertag) der Erste Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien: Die Zuckerrohrpflanzer revoltieren gegen das Mutterland und die Sklaven gegen ihre Ketten. Der Aufstand beginnt im Osten unter dem Anführer Carlos Manuel Céspedes. Céspedes wird Präsident der im Untergrund gegründeten "Republik in Waffen", die Hymne des Kampfes ist La Bayamesa, bis heute die Nationalhymne Kubas. Spanien schlägt mit 250.000 Soldaten die Aufständischen nach 10 Jahren Kampf. Céspedes, in Kuba fortan der Vater des Vaterlandes (Padre de la Patria) genannt, wird in den Kämpfen 1874 getötet.
Der Zweite Unabhängigkeitskrieg ist die Ära José Martí: Der Revolutionär integriert von Anfang an den antikolonialen Widerstand gegen Spanien in den großen Zusammenhang des Kampfes gegen Kolonialismus, Kapitalismus und Imperialismus (der USA) mit dem Ziel der Schaffung einer antiimperialistischen Allianz aller mittel- und südamerikanischen Staaten. Im Februar 1895 koordiniert Guillermo Moncada (nach ihm wird später die Kaserne in Santiago benannt) die lokalen Aufstände in der Provinz Oriente. Im Mai 1895 greift Martí in die Kämpfe ein und stirbt im Kampf. Als im Zweiten Unabhängigkeitskrieg der Sieg über Spanien nahe ist, greifen die USA militärisch ein, angeblich, um die revolutionären Patrioten zu unterstützen. Unter Protest Spaniens läuft der US-Panzerkreuzer "Maine" im Januar 1998 in Havanna ein. Wenig später fliegt das Schiff in die Luft, 266 Besatzungsmitglieder kommen ums Leben. Jetzt „ befreien“ die US-Amerikaner Kuba aus den Händen Spaniens und hissen die US-Fahne über der Festung El Moro im Hafen von Havanna. Im Friedensvertrag von Paris am 10. Dezember 1898 verzichtet Spanien auf Kuba.
In den Jahrzehnten danach übernehmen die USA militärisch und ökonomisch den gesamten Prozess von Produktion, Extraktion (Rohstoffe), Handel und Export auf Kuba. Sie bestimmen mehr oder weniger die Präsidenten, welche bis in die Ära Batista mit brutalen Mitteln die US-Interessen und die der kleinen oligarchisch-bourgeoisen Oberschicht gegen das kubanische Volk durchsetzen. Die Masse der Kubaner verarmt sowohl in den Slums der Städte als auch auf dem Lande. Folter und Mord herrschen auf Kuba, aber der Widerstand lebt. Seine Führer, darunter Fidel Castro, bauen eine neue Widerstandsbewegung auf- "El Movimiento" – mit dem Ziel, den Guerillakampf zu organisieren und aufzunehmen. Mit dem Angriff auf die Moncada-Kaserne am 26.Juli 1953 (seitdem Nationalfeiertag) beginnt trotz seines Scheiterns der (hoffentlich) letzte Kampf "für die Freiheit von Fremdherrschaft, für Unabhängigkeit, Souveränität und Würde Kubas", der am 8.Januar 1959 mit dem Einmarsch in Havanna siegreich endet.
Die Feinde Kubas lassen nichts unversucht die Revolution zu zerstören, aber trotz Sabotage, Subversion, trotz Terroranschlägen gegen Kuba und die Person Fidel Castro, trotz Militärinvasion (Schweinebucht) und mehr als 50 Jahren Wirtschaftsblockade, welcher sich auf US -Druck zahlreiche Länder anschließen (EU – Gemeinsamer Standpunkt) kommt am 17. Dezember 2014 der Tag, da in Havanna und Washington die Präsidenten der beiden Länder zeitgleich die Absicht zur baldigen Aufnahme diplomatischer Beziehungen verkünden. Für Kuba ein Sieg, für die USA das Eingeständnis des Scheiterns ihrer Kuba-Politik. Obama verkündet am selben Tag die Freilassung der letzten drei der Cuban Five.
Kuba, im internationalen Kontext solidarisch mit vielen Völkern durch seine medizinischen Hilfsprogramme, durch den Kampf gegen Analphabetismus, durch seinen Einsatz bei Naturkatastrophen, durch seine militärische Unterstützung in Befreiungskämpfen – dieses Kuba erklärt jetzt mit der Solidarität vieler Völker, Länder, Organisationen, Vereinen, vieler Menschen im Rücken: Kuba wird kein einziges seiner revolutionären Prinzipien aufgeben. Die Perspektiven für Kubas Politik uden USA lauten schwerpunktartig: Vollständige Beendigung der Blockade, Rückgabe Guantánamos, Befreiung Puerto Ricos als letzter Bastion des Kolonialismus.
In der anschließenden Diskussion zeigt sich, dass das Publikum sachkundig, aber auch besorgt ist. Kann Kuba sein sozialistisches Gesellschaftsmodell gegen den Ansturm der US-McDonald-Coca Cola-Donald Duck - Konsum-Kultur verteidigen? Werden sich Klassenwidersprüche herausbilden? Wird Kuba die Kontrolle über Auslandsinvestitionen behalten können (Mariel-Sonderwirtschaftszone)? Wie werden sich die Eigentumsverhältnisse auf dem neu entstehenden schwarz-grauen Immobiliensektor gestalten bzw. kontrollieren lassen?
Trotz vieler Ungewissheiten bezüglich der historisch neuen Chancen und Risiken betont Volker Hermsdorf, dass die Kubanische Revolution seit Carlos Manuel Céspedes, seit José Martí und Guillermo Moncada ein Kontinuum darstellt, in welchem sich das kubanische Volk immer wieder als revolutionäres Subjekt behauptet: "Der revolutionäre Geist ist tief im kubanischen Volk verwurzelt – die Revolution von 1959 ist nicht vom Himmel gefallen".
Zum Schluss formuliert Volker Hermsdorf auf die Frage eines Teilnehmers nach den Schwerpunkten der Reflexionen Fidel Castros: Herstellung globaler Ernährungssicherheit – Erhaltung von Natur und Umwelt – Vermeidung von Kriegen.
-Großer Beifall –
Bune und Martin Birkle, Regionalgruppe Frankfurt a. M.
18.10.2015
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