Eine Fähre, auf der eine Delegation von IFCO, einer kirchlichen Gruppe für Recht und Selbstbestimmung aus New York, unterwegs war, wurde von Contra-Gruppen angegriffen, die von der US-Regierung bezahlt und bewaffnet wurden.
Vor der US-Botschaft in Mexiko |
Als Antwort darauf entstand die Idee der Karawanen, um einerseits die Opfer materiell zu unterstützen und andererseits eine Kampagne zu initiieren, die eine gerechte und moralische Außenpolitik fordert.
Humanitäre Spenden als Akt zivilen Ungehorsams gegen die grausame und unmoralische Blockade der USA gegen Kuba, die jeglichen Handel verbietet. Ausnahme von US-Seite sind dabei nicht etwa lebenswichtige Medikamente sondern Hühner, deren Verkauf die Agrar-Lobby durchgesetzt hat. Seit 1993 bringen die pfp mit ihren friendshipment caravans tonnenweise Medikamente, medizinische Geräte, Schulmaterial, Werkzeug und Fahrzeuge – darunter auch die gelben bemalten ehemaligen US-Schulbusse – nach Kuba. Die politische Herausforderung besteht darin, dass keine Genehmigung (license) beantragt wird, sondern der Transport der Spenden bewusst gegen die Blockadebestimmungen durchgesetzt wird.
Durch die USA
Auf der Fahrt in einem bemalten Bus sitzen Brenda, meine 15jährige Nichte aus Spanien, und ich neben drei jungen schwarzen Frauen aus New York und Florida. Eine von ihnen wird ab Herbst in Kuba Medizin studieren. Unser Fahrer ist Bill Hill, Vietnam-Veteran, der Pazifist wurde und bei fast allen Karawanen – auch nach Mittelamerika – dabei war. Unser Sprecher ist Luis Barrios, Pfarrer und Dozent für Psychologie, Kriminologie und Lateinamerikanische Studien. Er ist politischer Aktivist und verbrachte einige Monate im Knast wegen Widerstandes gegen die »School of the Americas«, in der Militärs in Foltermethoden unterrichtet werden. Begleitet wird er von seiner 5jährigen Tochter Amanda.
Der Bus startete in N. Y. und hat also schon eine einwöchige Fahrt hinter sich, als wir südlich von Chicago dazu stoßen.
Unsere nächste Station ist das »Green Center« in St. Louis: Ein Haus mit großem Garten, in dem Kindern Umweltbewusstsein vermittelt wird. Luis klärt aus seiner Sicht über Desinformationen bezüglich Kubas auf: Der 17. 12. 2014 mit den Reden Obamas und Castros war eine Überraschung, aber die Blockade – seit 54 Jahren ist sie die längste der Geschichte, vom mächtigsten Land der Erde gegen eine kleine Insel – könne nur der Kongress aufheben. Das Ziel der Blockade war, die Regierung von außen zu destabilisieren, weil es innerhalb Kubas nicht genug Opposition gab. Wir verweisen auf unser T-Shirt, auf dem die wichtigsten Forderungen stehen: Ende der Blockade und des Reiseverbots (travel ban), Rückgabe der Marinebasis von Guantanamo, Stopp der Unterstützung von Gruppen, die für einen Regierungswechsel arbeiten. Ich ergänze Luis' Bericht mit einem über den
Gemeinsamen Standpunkt der EU.
In Columbia, Missouri, treffen wir uns bei veganem Essen im Restaurant des Centro Latino, in dem Bildungsprogramme für Kinder (Ausflüge, Englisch- und Spanischunterricht, gesunde Ernährung) stattfinden.
Spenden |
Ein wichtiger Diskussionspunkt für die pfp ist die Möglichkeit, mit einem Stipendium vom kubanischen Staat in Kuba Medizin zu studieren. An der lateinamerikanischen Hochschule für Medizin (ELAM) in Havanna studieren junge Menschen aus vielen verschiedenen Ländern, bisher sind es 133 aus den USA. Pfp/IFCO ist die Stelle in den USA, die berät, Voraussetzungen prüft und auswählt. Bedingung ist nur, dass die Stipendiaten sich ein Studium in den USA nicht leisten können und die Zusage, dass sie später in medizinisch unterversorgten Gebieten arbeiten werden. Zum Thema Medizin passen die Spenden, die wir am nächsten Morgen aus einer Werkstatt abholen: fünf PETS (Personal Energy Transportation), handbetriebene Fortbewegungsmittel für Menschen, die ihre Beine nicht benutzen können.
Nach neun Stunden kommen wir etwas verspätet zu unserer Veranstaltung in Oklahoma City. Trotzdem hält Luis eine seiner guten Ansprachen mit dem Schwerpunkt kubanisches Gesundheitswesen und informiert über die geplanten zentralen Aktionen im September in Washington.
Unsere letzte Veranstaltung auf dieser Reise findet in Dallas im Pan African Center statt. Neben Musik und Tanzrhythmen sehen wir in einer Skype-Verbindung einen jungen Arzt, der in Kuba studiert hatte und durch die Ausbildung einen ganzheitlichen Blick auf den Menschen vermittelt bekam. Luis erwähnt, dass der republikanische Präsidentschaftskandidat Rubio schon gesagt habe, dass er in seiner Amtszeit alle Veränderungen in Bezug auf Kuba rückgängig machen werde. Dann würde es noch viele Karawanen geben müssen.
Auf nach Mexiko
Am nächsten Abend treffen wir in McAllen ein, dem texanischen Grenzort zu Mexiko. Hier verbringen wir die folgenden drei Tage in Arbeitsgruppen (lokale Medienkontakte, Fahrzeugmechanik, Einkaufen und Kochen). Ich bin verantwortlich für das Ausladen, Sortieren, Verpacken und Beschriften aller Spendenmaterialien und anschließender Erstellung von Packlisten in zwei Sprachen. Am Ende des zweiten Tages wird alles auf einen Container-LKW geladen, der diesmal ohne unsere Begleitung in den Hafen von Tampico fährt, von wo die Sachspenden nach Kuba verschifft werden. Wir selbst fliegen nach Mexiko-Stadt. Hier gibt es nachmittags eine große Kundgebung vor der US-Botschaft mit vielen RednerInnen. Auch der Erzbischof R. Vera sagt, dass es ohne Beendigung der Blockade keine normalen diplomatischen Beziehungen geben könne, dass der Kampfgeist und der Widerstand der KubanerInnen weiter aktiv sein müsse, um nicht der Plage des Konsumismus, des Kapitalismus und des Egoismus zu verfallen.
In Kuba
Am nächsten Tag fliegen wir nach Havanna. Ich lese in einer Zeitung, dass der deutsche Außenminister Steinmeier gerade einen Besuch in Kuba macht – der erste der BRD. In Havanna angekommen werden wir am Flughafen von den ICAP-Vorsitzenden Kenia Serrano und Fernando Gonzalez, einer der Cuban 5, begrüßt, und am Abend gibt es eine kulturelle Willkommensveranstaltung.
Wir lesen in der GRANMA, dass am Wochenende der Kongress der jungen KommunistInnen (UJC) stattfindet. Es wird betont, dass immense Aufgaben vor der Jugend liegen. Probleme bereiten nach wie vor die ökonomischen Grenzen, die fehlende Infrastruktur, veraltete Technologie und ein niedriges Forschungs- und Entwicklungsniveau in einigen Sektoren.
Vor der US-Interessenvertretung, die im August Botschaft wird, liegt der große Platz der Tribuna Antiimperialista mit Steinblöcken, auf denen die Namen vieler internationaler KämpferInnen für Freiheit und Menschenrechte angebracht sind. Wir legen einen Kranz nieder in memoriam Lucius Walker, den Gründer der pfp und »bedingungslosen Freund Kubas«.
Am 20. 7. 2015 wird die kubanische Botschaft in Washington wieder eröffnet. Es beginnt eine neue Etappe mit komplexen Problemen, und dies sei nur ein erster Schritt, der aber die Tür öffne für Gespräche über die Blockade und die Rückgabe der illegalen Marinebasis von Guantanamo. Es ist wichtig, zwischen beiden Ländern eine Beziehung herzustellen, die so belastbar ist, dass sie von einer Folgeregierung nicht rückgängig gemacht werden kann.
Unser Programm in Kuba ist wie eine intensive Studienreise und umfasst beispielsweise:
– ein Konzert klassischer Musik der Camerata Romeu.
– einen Strandausflug nach Tarara, wo in einer großen Anlage über viele Jahre Kinder aus Tschernobyl gepflegt und versorgt wurden.
– einen workshop mit VertreterInnen des Juan Francisco Naranjo Centers, das sich um die soziale Entwicklung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen kümmert.
– ein Besuch in der Textilkooperative »Atelier Opina« in Selbstverwaltung, wo der Verdienst jetzt höher ist als früher im Staatsbetrieb.
– Vortrag über »educacion popular « als politisch-pädagogisches Konzept mit Verpflichtung zur Idee der Befreiung. Durch Kennenlernen der Logik von Dominanz und wie sie reproduziert wird, kann ein Prozess der Veränderung beginnen.
– Besuch der medizinischen Hochschule ELAM und der Abschlussfeier der Studierenden, darunter 21 aus den USA.
– Besuch im campamento Julio Antonio Mella für internationale Arbeitsbrigaden, wo wir uns in einem workshop mit der Venceremos-Brigade aus den USA austauschen.
Textilkooperative »Atelier Opina« |
Patricia Peo erläutert uns detailliert den zukünftigen schwierigen Weg der Verhandlungen. Riesige Summen werden in den USA für diese subversive Programme ausgegeben (Radio Marti 715 Mio. US$, Google 216 Mio. US$ für ein »Cuba program«). Kuba hat Gesetze für ausländische Investitionen und wird in Ruhe alle Vorschläge prüfen. Austausch und Besuche wird es zunächst im BereichSport und Kultur geben.
Ein Besuch im »Convento de Belen«, einer vorbildlichen Tageseinrichtung für alte Menschen mit Beschäftigungstherapie, Physiotherapie, Entspannungsanleitung, Alzheimer Zentrum (das erste seiner Art in Kuba).
Ein Vortrag über sexuelle Diversität und Menschenrechte, in dem festgestellt wird, dass sowohl das Bild der männlichen Führungsrolle als auch die größere Armut bei Menschen dunkler Hautfarbe auf einer jahrhundertealten Konstruktion soziokultureller Klassendiskriminierung beruht. Für das empowerment von Frauen gibt es Familienberatung und das Elternjahr auch für Männer. Im Parlament sind inzwischen 48,7 % der Abgeordneten Frauen, auch gibt es 22 Ministerinnen.
Da wir auch einen Einblick in das Leben fern der Hauptstadt bekommen sollen, fahren wir für drei Tage nach Sancti Spiritus, feiern am Vorabend des 26. Juli ein vom CDR organisiertes Straßenfest und werden von der UNEAC zu einem Konzert – auch Hiphop – mit MusikerInnen aus der Provinz eingeladen.
Zurück in Havanna gibt es nur noch das Abschiedsfest – auch mit Musik und Tanz – in der Casa de la Amistad, und dann heißt es »See you next year!«
Europäische TeilnehmerInnen an der Karawane sind herzlich willkommen!
(Fotos: Sabine Casper)
Sabine Casper
CUBA LIBRE 4-2015