Kubas medizinischer Internationalismus

Insgesamt arbeiteten seit 1959 bisher mehr als 400.000 kubanische Gesundheitsfachkräfte in 164 verschiedenen Ländern. Einige wunderbare Beispiele der medizinischen Süd-Süd-Hilfe Kubas möchte ich im Folgenden vorstellen.

1. In Gambia wurde die Malaria durch die Intervention kubanischer Fachleute Anfang der 2000er Jahre in zwei Jahren von 600.000 auf 200.000 Fälle zurückgedrängt.

2. Kuba hilft Haiti bereits seit 1998 kontinuierlich – vor allem bei der Alphabetisierung und im medizinischen Sektor. Die medizinische Hilfe erreichte etwa 75 Prozent der etwa 9 Millionen Einwohner Haitis. Bereits 2004 war in den von kubanischen ÄrztInnen betreuten Regionen die Kindersterblichkeit von 80 auf 28 je 1.000 Lebendgeburten gesunken – im Vergleich zu 4–5 je 1.000 auf Kuba und in den entwickelten Ländern. Ähnliche Rückgänge wurden bei der Müttersterblichkeit erzielt. 344 kubanische ÄrztInnen waren zum Zeitpunkt des Erdbebens in Haiti Anfang 2010 tätig sowie ca. 500 haitianische AbsolventInnen und StudentInnen der lateinamerikanischen medizinischen Hochschule in Havanna (ELAM). Sie stellten sofort ihre Arbeit auf die Behandlung von Erdbebenopfern um. Kuba schickte zusätzlich 60 ÄrztInnen der Brigade Henry Reeve, die OP-Material, Medikamente, Blutplasma und Lebensmittel mitbrachten. Eine große Impfkampagne wurde von kubanischer Seite begonnen, etwa 100.000 Impfungen bereits in den ersten Wochen durchgeführt. 9 Zentren für die Rehabilitation von Verletzten wurden kurzfristig eröffnet, Fachleute zur psychologischen Betreuung entsandt. Nach der Katastrophe begann im Erdbebengebiet der Kampf gegen die Folgekrankheiten: Durchfall- und Atemwegserkrankungen, Malaria, Dengue, Parasiten, Wundinfektionen, Typhus, Tuberkulose und dann auch gegen die Cholera, die bereits mehrere tausend Tote gefordert hatte. Während die Sterblichkeitsrate an Cholera in den von den KubanerInnen betreuten Gebieten schnell auf 1% sank, starben in anderen betreuten Regionen ca. 3 % an der Seuche.

3. In Pakistan stellte Kuba nach dem schweren Erdbeben 2005 das größte ausländische Kontingent mit 34 Lazaretten und ca. 2.000 medizinischen Fachkräften. Es war schon etwas bizarr, kubanische Helfer, die tropische Temperaturen gewöhnt sind, durch die tiefverschneiten Berge stapfen zu sehen, um Menschen in abgelegenen Dörfern aufzusuchen, sie zu behandeln oder in die zentralen Lazarette zu transportieren.

4. Tschernobyl: Kuba behandelte seit 1990 bis heute , manchmal über Jahre, fast 30.000 Tschernobyl-Opfer auf der Insel kostenlos, überwiegend Kinder, die nicht selten an Krebs erkrankt waren (Tarara).

5. An der Lateinamerikanischen Hochschule für Medizin in Havanna (ELAM, Escuela Latinoamericana de Medicina) wurden bisher etwa 30.000 Medizinstudenten aus über 80 Ländern ausgebildet, kostenloses Wohnen, Verpflegung, Lernmaterialien meist inklusive.

6. Operación Milagro: Etwa 5 Millionen Menschen aus Lateinamerika und der Karibik erhielten durch kostenlose Augenoperationen ihr Sehvermögen zurück, ein unglaubliches Geschenk. Dies erfolgte zumeist in Kooperation mit Venezuela.

7. Kubanische Dozenten unterrichten in zehn Ländern knapp 30.000 Studenten. Sie waren bisher an der Errichtung von elf medizinischen Fakultäten in verschiedenen Ländern beteiligt und an 37 Fakultäten im Einsatz.

8. In Westafrika konnten die Kubaner – selbst unerfahren im Umgang mit Ebola – 2014 bis 2015 viele Erkrankte retten und die Mortalitätsrate halbieren. Dort hatte Kuba ein Team der Brigade Henry Reeve im Einsatz, die seit 2005 weltweit in von Katastrophen und gravierenden Epidemien heimgesuchten Ländern hilft. Die Brigade wurde 2005 wegen der Verwüstungen in New Orleans durch den Wirbelsturm Katrina gegründet, um dort zu helfen. Allerdings lehnte die US-Regierung den Einsatz kubanischer Ärzte auf ihrem Boden rigoros ab. Die Brigade hatte bisher Einsätze u. a. in Bolivien, Peru, Belice, Mexica, China, El Salvador, Chile, Haiti, Sierra Leone, Liberia, Guinea Konakry, Nepal, Pakistan und wurde 2015 für den Nobelpreis vorgeschlagen.

9. Das Programm "Mais medicos" in Brasilien: Als eine Netzwerk-Cuba-Reisegruppe 2013 in Cardenas die neurologische Reha für Kinder besuchte, ein Projekt der DKP, stieß sie in einer Aula auf eine größere Gruppe von "Galeanos". So werden Mediziner und andere im Gesundheitswesen Tätige bezeichnet. Sie lernten dort Portugiesisch. Hintergrund war die im Juli 2013 durch Initiative von Dilma Rousseff vertraglich vereinbarte medizinische Hilfe Kubas in unterversorgten Gebieten Brasiliens. So sollten laut einem Bericht der Granma vom 5.11.2013 im Rahmen des Programmes "Mais Médicos" 13.000 kubanische ÄrztInnen 46 Millionen Brasilianer vor allem im Nordosten des Landes, in Slums und in Amazonien medizinisch betreuen. Seit Beginn des Programms im August 2013 waren über 20.000 Kubaner in Brasilien tätig, welche in fünf Jahren mehr als 113 Millionen Patienten behandelten. Zuletzt waren über 9.000 kubanische Ärzte und Krankenpfleger in mehreren tausend Gemeinden des Landes tätig. Nun ist Kuba dabei, seine Mediziner aus Fürsorgepflicht komplett zurückzuholen, nachdem der neu gewählte rechtsextreme brasilianische Präsident Jair Bolsonaro aus politischen Gründen die einseitige Veränderung der Vertragsbedingungen ankündigte, die Qualifikation der kubanischen ÄrztInnen anzweifelte und sie als Sklaven eines diktatorischen Regimes bezeichnete. Kuba fürchtete mit Recht auch um die Sicherheit seines Fachpersonals, das sich freiwillig für den auch nicht schlecht bezahlten Einsatz gemeldet hatte.

Kubanische Ärztin in Guatemala

Kubanische Ärztin in Guatemala.
Foto: Juventud Rebelde


Während 2018 noch etwa 50.000 kubanische medizinische Spezialisten in 68 Ländern tätig waren (das sind gut 25 Prozent der medizinischen Fachkräfte Kubas, davon gut die Hälfte Ärzte), sollen von dieser Anzahl heute rund 11.300 Ärzte und Pfleger in vom Empfängerland bezahlter Tätigkeit in 23 Ländern tätig sein. Den Löwenanteil machte zuletzt mit rund 9.000 Kräften Brasilien aus. Der Rückzug der kubanischen ÄrztInnen ist vor allem für die nicht mehr versorgten häufig mittellosen brasilianischen Patienten ein großes Problem, aber auch für den kubanischen Staat, der von reicheren Ländern wie Brasilien, Venezuela, Südafrika, Nigeria, Katar und China für die medizinischen Dienste gut bezahlt wird bzw. wurde. Kuba hat diese Zahlungen teils mit den Internationalisten geteilt, teils zur Finanzierung des eigenen Sozialstaates verwendet. Vergessen dürfen wird dabei aber nicht, dass Kuba die meisten Einsätze auf eigene Rechnung durchgeführt hat, andere in Dreieckskooperation mit der WHO.

Was mich bei Kubas weltweitem Internationalismus besonders beeindruckt, ist, dass das Land dabei im wesentlichen humanistische Ziele verfolgt. Auch wenn Kuba für den Einsatz und den Export von Entwicklungshelfern jeder Art von einigen Ländern bezahlt wird und diese Einkünfte einen nicht unwesentlichen Teil des Staatshaushaltes ausmachen, ist dies nicht ehrenrührig und schmälert das Bild keineswegs, ist es zumindest immer noch viel besser als Waffen und Kriege zu exportieren. Kuba will die Welt mit seinen bescheidenen Mitteln und diesem enormen Einsatz einfach etwas besser machen und zeigen, dass es geht, wenn der politische Wille hierzu da ist.

Kuba gibt uns hier ein unglaubliches Beispiel.

CUBA LIBRE Dr. Klaus Piel

CUBA LIBRE 2-2019