Welch bewegende drei Tage vom 1. bis 3. November 2019 in Havanna im Palacio de las Convenciones: 1200 ausländische Gäste von allen Kontinenten, das heißt Aktivisten aus rund 90 Ländern fanden sich zusammen, um zu diskutieren, Erfahrungen auszutauschen und die nächsten Aufgaben zu bestimmen. Darunter auch fünf deutsche TeilnehmerInnen: Petra Wegener, Vorsitzende der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Judith Benda, Mitglied des Parteivorstands der Partei "Die Linke", tätig im Verbindungsbüro des Deutschen Bundestags bei der EU, Özlem Alev Demirel als Teil einer Delegation der Europäischen Linksfraktion im EU-Parlament, Volker Hermsdorf, Journalist, und Angelika Becker, Vorsitzende des Netzwerks Cuba Informationsbüro e. V. und Mitstreiterin bei Cuba Sí, der Bundesarbeitsgemeinschaft beim Parteivorstand der Partei "Die Linke". Sie konnte im Plenum auch eine intervención vortragen, die auch im kubanischen Fernsehen übertragen wurde. Außerdem nahmen auch einige Mitglieder der Studentengruppe des Projektes "Tamara Bunke" von SDAJ und FG BRD-Kuba an der technischen Universität von Havanna, der CUJAE, teil.
Ursprünglich als kontinentale Veranstaltung der beiden amerikanischen Kontinente gedacht, wurde der Teilnehmerkreis erweitert: Auch aus Afrika, Asien und Europa waren Aktivisten im antiimperialistischen Kampf angereist.
Aufgerufen zu dieser Veranstaltung hatten das Kubanische Institut für Völkerfreundschaft (ICAP) mit seinem Präsidenten Fernando González Llort einer der "Los Cincos", Held der Republik Kuba und Abgeordneter der Nationalversammlung sowie Ulises Guilarte de Nacimiento, Generalsekretär der Zentrale der kubanischen Gewerkschaften, auch Mitglied des Staatsrats und des Politbüros der PCC.
Die Veranstaltung setzte sich aus Plenarsitzungen und sechs Arbeitsgruppen zusammen, aber auch aus typisch kubanischen Formaten (s. u.).
Anwesend waren von Seiten Kubas ebenso die Vorsitzenden des Frauenverbandes und der Friedensbewegung, einige Minister und bedeutende Intellektuelle wie Abel Prieto Jiménez und Enrique Ubieta Gómez, die wir auch schon in Deutschland begrüßen konnten, zum Beispiel aus Anlass der Rosa-Luxemburg-Konferenz.
Es nahmen Vertreter zahlreicher kommunistischer Parteien, unter anderem aus Rußland, China und Vietnam teil und ergriffen das Wort. Der Weltfriedensrat, der Weltfrauenbund, ALBA-TCP und die Generalsekretärin des Forums Sao Paulo saßen mit auf dem Podium, herausragend auch Gail Walker aus den USA von den Pastors for Peace.
Dominierend aber die zahlreichen Aktivisten und Kämpfer/innen aus Lateinamerika: nach einer Phase von herben Rückschlägen der fortschrittlichen Regierungen und Bewegungen hat die Linke in letzter Zeit einige Erfolge erzielen können (Mexiko, Argentinien, Bolivien leider inzwischen hinweggeputscht) beziehungsweise ist in harten Auseinandersetzungen um die künftige Entwicklung (Chile). Man merkte, hier waren nicht reine Theoretiker anwesend, sondern tatsächliche Aktivisten in den zahlreichen Bewegungen für Frauenrechte, Ökologie, Indigenas, lokale Entwicklung und so weiter, Gewerkschaften und Parteien, vor allem junge Menschen.
Volker Hermsdorf, Petra Wegener und Angelika Becker (v.l.n.r) |
Internationalistische Solidarität
Die Solidarität mit Venezuela war deutlich eine Herzensangelegenheit, aber auch die für die letzten antikolonialen/antiimperialistischen Kämpfe von Puerto Rico, Palästina und Sahraui Westsahara, annektiert von Marokko nach spanischer Kolonialzeit. Der Ruf nach der Freilassung von Lula da Silva erscholl immer wieder. Entsprechend munter, aber auch diszipliniert ging es im Saal und auf den Gängen zu. Kontakte wurden geknüpft, Email-Adressen und Material ausgetauscht. Der Saal war herrlich bunt und vielfältig ausgeschmückt.
Die europäischen Solidaritätsbewegungen waren gut vertreten: Frankreich, Spanien, Katalonien, Belgien, Griechenland, Belgien, Italien
Abschlusserklärung mit Aktionsplan
TeilnehmerInnen der Konferenz |
Höhepunkt war zweifellos der Sonntag, an dem eine Abschlusserklärung mit Aktionsplan verabschiedet wurde. Zur Überraschung des Plenums war nicht nur die gesamte Staatsführung mit dem Präsidenten Kubas, Miguel Díaz-Carnell, die beiden Sekretäre der PCC, Raúl Castro Ruz und José Ramón Machado Ventura, und der Präsident der Nationalversammlung, Esteban Lazo, erschienen, sie brachten auch Nicolás Maduro, Präsident der Bolivarischen Republik Venezuela, mit, der eine lebendige Rede hielt, in der er gewisse Machtverschiebungen auf dem Kontinent zugunsten der fortschrittlichen Kräfte beschrieb, und auch in Venezuela sei man auf dem Weg zu strukturellen positiven Veränderungen.
Typisch kubanisch
Besonders bewegende typisch kubanische Elemente dieser Großveranstaltung sollen hervorgehoben werden: am Freitag Abend fuhren Busse die Teilnehmer in ein großes Wohngebiet Barbosa im Stadtteil Playa, wo jeder Bus von einem CDR-Komitee zur Verteidigung der Revolution in Empfang genommen und beköstigt wurde, eine Gelegenheit zum direkten Austausch mit der Bevölkerung. Im Anschluss ein Straßenfest, ein großes Konzert mit kubanischen Künstlern, darunter auch Raúl Torres: ein Erlebnis. Eine zweite Überraschung war, dass eine der Arbeitsgruppen in der ELAM Escuela Latinoamericana de Medicina (Lateinamerikanische Schule für Medizin)- stattfand, wo die Studenten der verschiedenen Semester und Herkunftsländer, die auf Kosten des kubanischen Staates zu Medizinern ausgebildet werden, zum Gespräch bereit standen.
Was wurde besprochen?
Zunächst ein Hinweis: Die Inhalte der wichtigsten Reden waren schon an anderer Stelle, insbesondere in der "junge Welt" zu lesen, ebenso in der granma:
Außenminister Kubas spricht am ersten Tag des Antiimperialistischen Solidaritätstreffens für Demokratie und gegen den Neoliberalismus
Díaz-Canel: Eine bessere Welt ist möglich, notwendig und dringlich! Kämpfen wir für sie!
Ich will mich daher auf die zentralen Aussagen beschränken:
Lateinamerika ist der Kontinent der größten Ungleichheit, mit einem ständigen Kampf um Nahrung und Wasser, aber einer gewaltigen Medienmacht und jeder besitzt ein Handy.
Die USA sind korrupt und aggressiv, aber der Widerstand im Lande wächst.
"Unser Amerika" muss gestärkt werden, die Staatenbündnisse und Lateinamerika als Zone des Friedens, Telesur muss verteidigt werden.
In Kuba ist man bei der Erneuerung seines Sozialismus, ist ein positives Symbol für andere: eine andere Welt ist möglich, humanistisch, solidarisch, internationalistisch!
Das demokratische Deckmäntelchen des Gegners zerfällt immer mehr: Es gibt eine Allianz der rechten Parteien und Regierungen, die die Medien (privat organisiert, aber mit öffentlicher Wirkung), die Finanzströme, die Wirtschaftsbeziehungen, die Diplomatie bis hin zur Vorbereitung von Interventionen, den Kampf der Ideen koordiniert bestimmen teilweise bei Anwendung faschistischer Methoden, Missachtung der Souveränität der Staaten, Verletzung des internationalen und Völkerrechts.
Die systematische, oft gewaltsame Verfolgung aller fortschrittlichen Bewegungen, der clases populares
Im Gegensatz dazu ist die internationale Linke kaum organisiert und koordiniert, zum Teil wird viel debattiert, aber wenig gehandelt oder es sind isolierte Gegenaktionen mit begrenzter Reichweite.
Das Stichwort "kultureller Kampf" ist nicht Bestandteil einer akademischen Debatte. Der Aufbau einer neuen Gesellschaft erfordert zwangsläufig eine neue Kultur, eine integrierte Veränderung der Gesellschaft und der Individuen. Wie man sieht, können auch Revolutionen aufgerollt werden, wenn sie ihren verändernden Charakter aufgeben. Einige wichtige Bekundungen sind: "Ich will wie der Che sein" und "Ich bin Fidel". (Ubieta)
Der ideologische Kampf findet auf allen Ebenen statt, auf der Straße und in den Netzwerken. Der Geist und das Herz werden angesprochen oder auch vom Gegner manipuliert, zum Beispiel durch das Verbreiten von US-Symbolen in allen Zusammenhängen (ein Armer wird mit einer US-Fahne als Bringer des Heils gezeigt, Hongkong mit US-Fahnen). Die Menschen sollen gegen ihre eigenen Interessen handeln, im Zweifel bei Nutzung von Betrug, Diffamierung und Täuschung. Mapuche-Fahnen oder das antifaschistische Bella Ciao-Lied werden ihres tatsächlichen Inhalts beraubt, die Linke muss sich "folklorisieren", ihre Geschichte und Helden popularisieren, nicht als Museum, sondern Fidel als Zeitgenosse.
Natürlich braucht die Linke auch einen Thinktank, aber auch Unterhaltung und Serien, die nicht die Individualisierung, den individuellen Aufstieg zum Glück zeigen. Es muss ein kritischer Medienkonsument herausgebildet werden, nicht nur mit kaltem Verstand, sondern auch mit einer "sentimentalen Komponente"
Die große internationale Presse betreibt keinen Journalismus mehr, das Geschichtsbewußtsein wird manipuliert zum Beispiel werden die 50er Jahre der Mafia idealisiert.
Das Wort Kommunikationsstrategie gehört schon zur Begrifflichkeit des Krieges, wir müssen Kommunikatoren herausbilden als Träger von Ideen, Werten und Kultur. Aber der Medienkrieg funktioniert nicht ohne die Straße, den Nachbarn, da die Netzwerke keinen tatsächlichen Austausch ermöglichen, sondern den Zugang zum Konsum, nicht zur Kultur, ermöglichen sollen. Die Gruppen werden schon vorab durch Logarithmen segmentiert
Die sozialen Medien sowohl von der Hardware als auch von den Inhalten sind im Besitz und unter der Kontrolle des Gegners. Ziel ist es, insbesondere der Jugend den Zugang zum Konsum zu eröffnen, sie sollen sich mit dem Kapitalismus identifizieren. Wir müssen unsere eigenen Räume schaffen für unseren eigenen Diskurs. Die Digitalisierung erfasst alle Lebensbereiche, wichtig wäre eine control comunitario. (Prieto)
Wir wissen, wie der Gegner seinen Diskurs entwickelt, wir müssen unseren eigenen entwickeln. Das Internet soll uns helfen, tatsächlich dient es in erster Linie der Kontrolle, bietet uns Internet-Zeitungen und mit dem Mail-System eine Möglichkeit des Austauschs, Google stellt eine supersophisticated Suchmaschine zur Verfügung und das alles gratis zur weltweiten Nutzung. Dies führt zu einer Änderung der Gewohnheiten, im Zentrum steht nicht mehr das Fernsehen, sondern die Netzwerke. Deine freiwillig gegebenen Informationen werden bei Privatunternehmen gebündelt, es wird ausgewertet, wie du reagierst, in allen Lebenssphären, dies ist eine neue Herrschaftsform des Imperialismus. Wie darauf reagieren? Zunächst durch Austausch darüber, Aktionen des Widerstands und konkrete Antworten entwickeln. Dazu gehört auch der Kampf für die Freilassung von Julian Assenge!(Ignacio Ramonet)
Aktionsvorschläge
Es gab auch konkrete Vorschläge:
Eine internationale Aktionswoche im Mai 2020, feministisch, ökologisch, Arbeiter, soziale Bewegungen, Indigenas ...: Gemeinsam den Gegensatz von Kapitalismus und Leben deutlich machen!
Ein Blockade-Tribunal beispielsweise mit Norman Paech und eventuell dem UN-Generalsekretär António Guterres im Herbst 2020, vor den US-Präsidentenwahlen am 3. September 2020
cubainformación, das baskische Internetfernsehen, zu einem Instrument der europäischen und internationalen Gegeninformation aufbauen.
Argentinien stellte die nötigen Schritte für eine Transition dar:
1. Bekämpfung der Repression in einem antiimperialistischen Block, Mobilisierung der Bevölkerung: Niemals mehr eine rechte Politik, Einheit
2. Entwicklung eines Programms der Transition mit Stärkung der Rechte für Gruppen, gegen den Konsumismus.
3. Basisarbeit insbesondere für Jugend und Frauen für ein würdiges Leben
4. Programm für den Kulturkampf, insbesondere in den Medien.
5. Weiterentwicklung der revolutionären Theorie
6. Internationale Aktivitäten wie ein internationaler Kampftag im Mai nächsten Jahres, die Verteidigung von telesur
Die Deklaration und der Aktionsplan werden demnächst übersetzt vorliegen lasst die Kraft, die von diesem Treffen ausging, auch bei uns wirksam werden!
Angelika Becker
CUBA LIBRE 1-2020