Schluss mit dem Wirtschaftskrieg gegen Kuba

Wer miteinander redet, wird dadurch noch nicht zum Freund. Diese einfache Weisheit gilt auf jeden Fall für die Beziehungen zwischen dem US-Imperium und dem sozialistischen Kuba.


Die USA haben das Scheitern ihrer Politik gegenüber Kuba nicht aus freien Stücken eingestanden. Vielmehr sahen sie sich aufgrund der fortschreitenden Isolation auf dem amerikanischen Kontinent und aufgrund der Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen der Konkurrenz, vor allem Chinas und Russlands, aber auch Brasiliens oder der EU-Staaten, zum Handeln gedrängt. Jorgito erinnert uns in seinem »Log« in dieser Ausgabe der CUBA LIBRE daran, dass die USA dabei nicht nur unter Zwang, sondern auch unter Zeitdruck reagierten. Er weist darauf hin, dass diese Annäherung zu einem Zeitpunkt geschieht, zu dem die historische Generation, die die kubanische Revolution mit den eigenen Händen vollzogen hat, noch an der Macht ist.

Es ist leicht einsehbar, dass die USA mit ihrem in diesem Sinne übereilten Handeln einen strategischen Vorteil aus der Hand gegeben haben. In ein paar Jahren wäre eine Nachfolgeregierung von Raúl Castro möglicherweise angesichts eines Gesprächsangebotes seitens der USA in eine Vertrauenskrise gestürzt worden. Ein Großteil der kubanischen Bevölkerung hätte unter diesen Umständen eine positive Reaktion möglicherweise als Verrat und als einen Bruch mit der Position der alten Revolutionäre ansehen können, was einer politischen Zerreißprobe gleichgekommen wäre.

Es kam aber anders, und dadurch, dass es Raúl Castro war, der die Teil-Kapitulation der USA entgegennehmen konnte, herrscht nun in Kuba und darüber hinaus die zutreffende Ansicht vor, dass sich die USA an der Standhaftigkeit der kubanischen Revolutionäre die Zähne ausgebissen haben.

Der große Teilerfolg Kubas darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Feindseligkeiten der USA gegenüber Kuba weiterhin fortbestehen. Neben der fortwährenden unrechtmäßigen Besetzung der Bucht von Guantanamo ist die fortbestehende Wirtschafts-, Handels und Finanzblockade der USA der stärkste Ausdruck der US-Aggression gegen Kuba.

Die Intention der Blockade

Die ersten Maßnahmen der Blockadepolitik der USA wurden bereits 1959, im Jahr der kubanischen Revolution, getroffen. Sie waren zunächst vor allem darauf gerichtet, den Export kubanischen Zuckers und den Import von Treibstoffen zu verhindern. Die eigentliche Gesetzgebung, mit der Präsident Kennedy die »totale Blockade« Kubas verfügte, trat am 7. Februar 1962 in Kraft. In später bekannt gewordenen internen Papieren des US-State Department wird als Ziel der Blockade benannt, Hunger und Verzweiflung beim kubanischen Volk zu erzeugen, um so den Sturz der Revolutionsregierung zu provozieren.

Nach dem Ende der Sowjetunion verschärften die USA die Blockade nochmals. Das »Torricelli-Gesetz« von 1992 untersagt Tochterfirmen von US-Unternehmen den Handel mit Kuba sowie US-Staatsbürgern die Einreise nach Kuba. Auch private Geldüberweisungen aus den USA nach Kuba wurden untersagt, Handelsschiffe durften fortan nach Anlaufen eines kubanischen Hafens für den Zeitraum von sechs Monaten keinen US-amerikanischen Hafen mehr ansteuern. Jedes Land, welches Handels- oder Wirtschaftsbeziehungen mit Kuba unterhält, kann seither von US-Strafen getroffen werden. Mit dem 1996 von Präsident William Clinton unterzeichneten »Helms-Burton-Gesetz« werden unter anderem ausländischen Bürgern und Firmen Sanktionen angedroht, wenn sie in Wirtschaftsgüter investieren, auf die US-Bürger Besitzansprüche erheben. Das Kalkül war wiederum, Kuba, das durch das Ende des sozialistischen Wirtschaftsraumes 85 % seiner Außenhandelspartner verloren hatte, auszuhungern und die Bevölkerung somit zu Revolten anzustacheln.

»Blockade« und nicht »Embargo«

Die Blockade der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen eines anderen Landes ist seit der Londoner Konferenz von 1909 (dem Marine-Pendant zur Haager Landkriegsordnung) als kriegerischer Akt international geächtet. Im Jahr 1916 sprachen die USA Fraunkreich jegliches Recht ab, Länder zu blockieren, mit denen es sich nicht im Kriegszustand befände.

Um sich ihrerseits der internationalen Kritik zu entziehen, sprechen die USA von einem »Kuba-Embargo«, was suggeriert, dass es sich um eine bilaterale Angelegenheit handeln würde, in der ein Land berechtigte Forderungen gegenüber einem anderen Land durchsetzt. Aber haben die USA berechtigte Forderungen gegenüber Kuba? Hat Kuba die USA bedroht oder angegriffen? Nichts dergleichen.

Es kommt den Verhältnissen näher, von einem »Wirtschaftskrieg« zu sprechen, haben es doch die USA darauf angelegt, Kuba zu isolieren, handlungsunfähig zu machen, seiner wirtschaftlichen Souveränität zu berauben und derart zu destabilisieren, dass vermeintlich nur eine US-Intervention das Land aus dem Chaos befreien könnte. Das Wort vom »Embargo « kaschiert den aggressiven Versuch der USA, ihre Interessen gegen Kuba durch einen über ein halbes Jahrhundert währenden Akt der Nötigung durchzusetzen. Die Handels- Wirtschafts- und Finanzblockade der USA ist die längste Maßnahme ihrer Art in der Geschichte der Neuzeit. Auch aus diesem Grund wird sie jährlich von der UN-Vollversammlung mit erdrückender Mehrheit verurteilt.

United States of America

Auswirkungen der Blockade

Perfiderweise trifft die Blockade besonders jene Bereiche, in denen das sozialistische Kuba in den mehr als fünf Jahrzehnten seines Bestehens bedeutsame und internationl anerkannte Errungenschaften vorzuweisen hat: Gesundheit, Bildung, Ernährung und Kultur.

Im Bereich des Gesundheitswesens beeinträchtigt die Blockade die Möglichkeiten Kubas, Medikamente, Laborchemikalien, Ersatzteile für medizinische Geräte sowie Verbrauchsmaterialien auf dem freien Markt zu beschaffen. In manchen Fällen bedeutet dies, dass eine entsprechende Versorgung nicht in Kuba geleistet werden kann, in anderen, dass die entsprechenden Produkte zu erhöhten Preisen von Zwischenhändlern erworben werden müssen.

So hat zum Beispiel das Nationale Zentrum für Medizinische Genetik Schwierigkeiten, seine Laborforschungen zur Prävention von Erbkrankheiten aufrechtzuerhalten. Die Kinder-Herzklinik »William Soler« kann keine Spezialmedikamente zur Behandlung stark unterernährter Herzpatienten beschaffen, da diese nur von der Firma ABBOT in den USA hergestellt werden. Das Institut für Herzchirurgie muss Patienten mit komplexen Arrhythmien zur Behandlung nach Italien ausfliegen, da die entsprechenden medizinischen Geräte aus US-Produktion nicht importiert werden dürfen. Die Firma Philips aus den Niederlanden, die ähnliche Geräte herstellt, verweigerte eine Lieferung mit dem Hinweis auf eine durch die USA verweigerte Lizenz für die Lieferung an Kuba. Philipps verweigerte ebenso einen Verkauf an das Zentrum für Elektromedizin. Aus Furcht vor US-Sanktionen weigerten sich europäische und japanische Firmen, Medikamente zur Behandlung von Hepatitis B und C an das Institut für Gastroenterologie zu liefern. Das Hospital »Hermanos Amejeiras« kann ein benötigtes KTP-Grünlasergerät für Patienten mit Blutgerinnungsstörungen nicht anschaffen, da die Produzenten dieser medizinischen Technologie mit Sanktionen in Millionenhöhe bedroht sind.

Dieses sind nur einige Beispiele für die Auswirkungen der Blockade im Gesundheitsbereich im Jahr 2014. Obwohl Berechnungen kompliziert sind, schätzt das kubanische Gesundheitsministerium MINSAP die verursachten Schäden in 2014 auf 66,5 Millionen US-Dollar.

Auch im Bildungswesen hat die US-Blockade gravierende Auswirkungen. Im Bereich der Informatik behindert der erschwerte Zugang zu US-Software die Entwicklung von Lehrmaterialien. Reguläre Lizenzen können nicht erworben werden. Akademische Austauschprogramme wie das der Universität Cienfuegos mit der Universität von Washington werden unterbrochen.

Im Bereich der Ernährung wird der Zugang zu Technologien und Know-How aus den USA, aber auch anderen Ländern, die US-Patente nutzen, unterbunden. Dies betrifft vor allem die kubanische Geflügel- und Schweinezucht, die damit von marktführenden Technologien ausgeschlossen sind.

Im Kulturbereich verfügt Kuba über nur eingeschränkte Möglichkeiten, seine audiovisuellen Produkte in den USA zu vermarkten. Auftritte von kubanischen Musikern in den USA werden nur geduldet, wenn sie keinen kommerziellen Charakter tragen. Auch der kubanische Sport ist von der Blockade betroffen, können doch viele Ausrüstungsgegenstände oder auch Dopingkontrollmittel nicht angeschafft werden, da sie aus den USA stammen.

Die Verluste im Tourismus werden auf eine Höhe von 2 Mrd. US-Dollar geschätzt. Dazu trägt das Ausreiseverbot für US-Amerikaner nach Kuba, die Sanktionierung von in Kuba anlegenden Kreuzfahrtschiffen, die Erschwerung der Verwendung von Kreditkarten, und die Blockierung von Online-Bezahldiensten bei.

Im Bereich der Kommunikationstechnologien entstand Kuba durch die US-Blockade allein im Jahr 2014 ein Schaden von 34 Millionen US-Dollar.

Die Schäden im Außenhandel Kubas schätzt die kubanische Regierung für 2014 auf 3,9 Mrd. US-Dollar.

Im Transportwesen geriet u.a. die deutsche Firma DHL wegen Lieferungen nach Kuba unter Druck.

Im Finanzsektor erschwert die Blockade die Aufnahme von Krediten, die Anschaffung von Hochtechnologien und -software, Finanzberatungsleistungen, Kapitaldienstleistungen, ausländische Investitionen. Da Kuba auf internationalem Parkett nicht in der US-Währung abrechnen kann, sind seine Finanztransaktionen äußerst anfällig für nationale Währungsschwankungen. Banken, die Währungstransaktionen für Kuba vornehmen, werden von den USA verfolgt – auch wenn sie ihren Sitz außerhalb der Vereinigten Staaten haben. Die Konten mehrerer kubanischer Einrichtungen wurden ohne Vorwarnung geschlossen, was große Verluste zur Folge hatte. Kubanische Banken sind von internationalen Währungstransfermechanismen ausgeschlossen. Allein in 2014 gab es Probleme dieser Art mit 27 ausländischen Bankinstituten.

Die französische Bank BNP Paribas wurde 2014 von den USA wegen »Embargo-Verstößen«, die auch Kuba betrafen, zu einer Geldstrafe in Höhe von fast 9 Mrd. US-Dollar verurteilt. Bereits zuvor hatten seit dem Jahr 2009 insgesamt 36 Institute Strafzahlungen von insgesamt 2,6 Mrd. Dollar leisten müssen, weil sie mit Kuba Geldgeschäfte getätigt hatten.

Die Gesamtsumme der Schäden, die die US-Blockade für die kubanische Wirtschaft verursacht hat, wird seitens der kubanischen Regierung auf 117 Mrd. US-Dollar geschätzt. Die Blockade wird deshalb auch von der lateinamerikanischen Staatenvereinigung CEPAL (Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik) als das Haupthindernis für die ökonomische und soziale Entwicklung Kubas bezeichnet. Sie stellt nicht nur einen Angriff auf die kubanische Souveränität, sondern auch auf das Recht aller Nationen dar, freien Wirtschaftsaustausch untereinander zu betreiben.

In diesem Sinne ist es nur konsequent, dass Kubas Außenminister Bruno Rodríguez im Zusammenhang mit der Eröffnung der kubanischen Botschaft in Washington erneut unterstrich, dass es unter den Bedingungen einer fortbestehenden Blockade keine normalen Beziehungen zwischen Kuba und den USA geben kann.

Auch und gerade nach den zaghaften Ankündigungen seitens der Obama-Administration ist es deshalb eine der vorrangigsten Aufgaben der Solidaritätsbewegung, Kuba dabei zu unterstützen, das endgültige Ende aller einseitigen Kriegsmaßnahmen, die seitens der USA unter dem Titel »Embargo« erfolgen, durchzusetzen.


CUBA LIBRE Tobias Kriele

CUBA LIBRE 4-2015