Kuba und Lateinamerika

im Machtdreieck VR China, Russland und USA

Das Treffen von Regierungs- und Staatschefs der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC) mit Präsident Xi Jinping am 8. und 9. Januar in Peking - schon vorher hatte die Reise von Präsident Xi Jinping im Juli 2014 nach Argentinien, Venezuela, Kuba und Brasilien geführt – weisen auf die geostrategischen Veränderungen in diesem Teil der Welt hin.

China unterhält umfangreiche politische Beziehungen zu vielen Ländern Lateinamerikas, besonders zu den progressiven ALBA-Staaten. Ecuador und Venezuela werden ihre Kooperation auf politischer und wirtschaftlicher Ebene mit China verstärken. Mit Rafael Correa besuchte zum ersten Mal ein Präsident Ecuadors China. Die guten und umfangreichen Beziehungen zu Venezuela gehen auf das hohe Engagement von Hugo Chavez zurück.

China-Lateinamerika

Foto: el19digital.com

Reger Austausch zwischen Lateinamerika und China

Diese Entwicklung zeigt auch, dass viele Staaten Lateinamerikas ein Interesse daran haben, sich in der multipolaren Welt immer besser mit den neuen Machtzentren auf globaler Ebene zu interagieren. In Lateinamerika schaut man mit großer Aufmerksamkeit auf die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika). Die 10 Treffen von Xi Jinping und Wladimir Putin in den letzten 18 Monaten wurden auch in Lateinamerika wahrgenommen.

Der Handelsaustausch zwischen China und den CELAC-Staaten betrug 2014 ca. 250 Milliarden US-Dollar und soll in den nächsten 10 Jahren auf 500 Milliarden steigen. Es war eine Sensation, dass ab 2012 nicht mehr die USA, sondern China der wichtigste Handelspartner Brasiliens war.

China beabsichtigt in den nächsten 10 Jahren, über 200 Milliarden Dollar in Lateinamerika zu investieren. 5.000 Studenten aus Lateinamerika werden in China ein Vollstipendium erhalten.

Seit 2005 vergaben chinesische Banken 119 Milliarden, 2014 über 25 Milliarden nach Lateinamerika (Brasilien 9, Argentinien 7, Venezuela 6 und Ecuador 1 Milliarde). China übertraf damit die Höhe aller Finanzmittel von Weltbank, Interamerikanischer Entwicklungsbank und der US-Banken zusammengerechnet.

In diesen Zahlen sind Finanzströme zwischen China und Kuba nicht einbezogen. Nach dem Zusammenbruch des RGW wäre der Überlebenskampf Kubas ohne die Unterstützung aus China noch härter geworden.

Verhandlungen auf Augenhöhe

Als Sicherheit für die Darlehen akzeptierte China in großem Umfang künftige Rohstofflieferungen. Das wird von linken und auch konservativen Kräften angegriffen. Die Präsidentin Argentiniens, Cristina Fernandez de Kirchner erklärte dazu am 5. 3. 2015 im Parlament: »Argentinien wurde von früheren Geldgebern wie dem IWF zum Abbau von sozialen Leistungen gezwungen. China folge dieser kolonialen Strategie nicht, sondern biete eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe an.«

Großprojekt Nicaragua-Kanal mit China und Russland

Große Beachtung findet das gemeinsame Projekt Nicaraguas und eines Investors aus China, einen neuen Kanal vom Pazifik zum Golf von Mexiko zu bauen. (Post-Panama-Kanal: 286 km Länge, 83 m Breite und 27,5 m Tiefgang, für Schiffe bis 270.000 BRT Wasserverdrängung; Kosten etwa 50 Milliarden Dollar). Der Kanal ist für die Handelsströme Chinas von größter Bedeutung. Man rechnet für die 20er Jahre mit über 5.000 Schiffspassagen Chinas pro Jahr.

Selbst für Beobachter des Machtdreieckes USA-Russland-China war der Besuch von Wladimir Putin im Juni 2014 in Nicaragua eine Sensation. Russland wird den Bau des Kanals wirtschaftlich und politisch unterstützen. Der Hauptaspekt der Zusammenarbeit wird der Schutz der Bauarbeiten und des Kanals sein. Dazu haben die Regierungen Nicaraguas und Russlands ein Sonderabkommen unterzeichnet. Seit dem 1. Halbjahr 2014 befinden sich russische Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in dem Hoheitsgebiet Nicaraguas – sowohl an der Pazifikküste als auch in der Karibik.

Kanal schwächt Position der USA

Das wurde von Washington als Kampfansage der Russen gewertet und hat das Südkommando der US-Streitkräfte in Florida in Alarmstimmung versetzt. Die im Dezember von den USA angekündigten Verbesserungen der Beziehungen zu Kuba werden deshalb von einigen Analytikern auch als Teil eines anderen globalen Konzeptes gesehen: In Rahmen des aggressiven Kurses des Machtkampfes um die Ukraine/Osteuropa und des Bedrohungspotentials gegenüber Russland will das Pentagon keine Allianz Russlands mit Kuba, Venezuela oder Nicaragua im Golf von Mexiko, also keine »2. Kubakrise« im Jahr 2015.

Durch diesen Kanal werden die USA einen Teil der Kontrolle über diese Region verlieren, die lange Zeit als eigenes Einflussgebiet angesehen wurde. Über 100 Jahre herrschten die USA dank des Panama–Kanals ziemlich uneingeschränkt in diesem Teil der Welt. Die USA kontrollieren zusammen mit ihren Militärbündnissen, wie die NATO alle wichtigen Schiffspassagen der Welt, wie z. B. den Panamakanal, Suezkanal, die Straße von Singapur, die Straße von Gibraltar. Die Aufrechterhaltung der Kontrolle über alle Ozeane und das Weltall ist die Grundlage für die Macht der USA weltweit (siehe auch: George Friedman, Gründer und Vorsitzender von STRATFOR-Strategic Forecasting Inc., in »Europa Destined for Conflict« am 4. Februar im THE CHICAGO COUNCIL on GLOBAL AFFAIRS)

Der neue Kanal vom Pazifik zum Atlantik könnte dem globalen Bedrohungspotential der USA/NATO Grenzen setzen.

Putin flog von Havanna nach Nicaragua. Vorher gab es intensive Gespräche mit der politischen Führung Kubas. Wie sehen die Kubaner diese Situation? Dazu Oscar Martinez, IV der KP Kubas am 14. Juni 2014: »Russland ist zur Zeit die einzige Macht, die sich dem ›Weltherrscher‹, der ›einzigen Supermacht‹ (nach Ziegmund Brezsinski) entgegenstellen könnte.«

Raul Castro und Wladimir Putin

Foto: AIN

Gute Beziehungen Russland-Kuba

Wladimir Putin : »Es gibt viel Brüderlichkeit zwischen den Völkern Russlands und Kubas«.

Die Beziehungen sind wieder gut. (siehe auch RotFuchs/August 2014: »Alte Liebe rostet nicht«, S. 5 von Marcel Kunzmann). Verantwortungsvoll werden Handel, Investitionen, Kultur, Tourismus und Militär weiterentwickelt. Russland hat 90 % der Schulden erlassen. Die restlichen 10 % (3,4 Milliarden) werden über 10 Jahre verteilt in einen gemeinsamen Entwicklungsfond in Kuba eingezahlt.

Der Handelsumsatz, der 1989 ca. 8 Milliarden US–Dollar betrug, lag 2005 bei 190 Mio. Dollar (weniger als 1 %). Mit ca. 340 Millionen machte der Handel mit Russland 2012 nur 2 % des Außenhandels von Kuba aus.



US-Terror gegen Kuba seit dem Sieg der Revolution

Seit dem Sieg der Revolution 1959 befindet sich Kuba im »Fadenkreuz der USA« (H.Schäfer, Berlin, 2007). Seit der Invasion in der Schweinebucht 1961 hat der Terror der USA gegen Kuba 3700 Tote, 104 Milliarden Verluste durch die Blockade, milliardengroße Rüstungsaufwendungen und viele Entbehrungen gebracht.

Schwierige Annäherung

Die Beziehungen USA-Kuba haben mit den Erklärungen der Staatschefs Kubas und USA vom 17. Dezember 2014 eine neue Phase erreicht. Nach 54 Jahren des Kalten Krieges und der Blockade können nach 18 Monaten der Geheimverhandlungen jetzt zu Ende gehen. Es wurden vereinbart:

- Gefangenenaustausch,
- Wiederherstellung voller diplomatischer
- Normalisierung der Beziehungen.

Die Normalisierung der Beziehungen wird ein langwieriger Prozess von Verhandlungen über viele Punkte sein:

- Streichung von der Liste der Terrorismus fördernden Staaten.
- Lockerung der Sanktionen (Blockade bleibt, dazu wäre ein Beschluss des Kongresses nötig). Mit ca. 500 Mio. Dollar Export nach Kuba sind die USA nach Venezuela, China und Brasilien der viertgrößte Handelspartner des sozialistischen Kubas.
- Schließung des US-Konzentrationslagers Guantanamo und Rückgabe des Territoriums an Kuba,
- Wiedergutmachung gegenüber Kuba (Internationaler Gerichtshof Den Haag: 104 Milliarden Dollar Blockade-Verluste),
- Ansprüche von US-Bürgern und US-Firmen auf Entschädigung (Keine Entschädigung der Exilkubaner; die USA wollen das),
- Änderung der Einwanderungsgesetze der USA für Kubaner,
- Beendigung des Abwerbeprogramms für kubanische Ärzte in den Einsatzstaaten außerhalb von Kuba,
- Beendigung des subversiven Programms mit dem Ziel, einen Regime-Wechsel in Kuba herbei zuführen,
- Lockerung für Geldüberweisungen nach Kuba (Anhebung von 500 auf 2000 Dollar/Quartal),
- Lockerung der Reiseverbote für US-Bürger (Kubaner können reisen),
- Aufbau eines Finanzsystems (nach jetziger Gesetzeslage dürfte die Botschaft Kubas keine Konten in den USA haben),
- Verbindungserweiterung Telekommunikation,
- Verbindungsaufbau für Luftverkehr, Schiffsverkehr, Postverkehr,
- und viele weitere Fragen.

Auch die Verbündeten der USA (NATO, Europäische Union) müssen ihre Positionen verändern. Das betrifft insbesondere den »Gemeinsamen Standpunkt« der EU von 1996 gegenüber Kuba.

USA behält Ziel des Regime Changes in Kuba bei

Bei aller Freude über die Freilassung der kubanischen Genossen und der ökonomischen Erleichterungen für Kuba, darf man nicht übersehen, dass es sich von Seiten der USA nicht um einen Strategiewechsel sondern um einen Methodenwechsel handelt. Ziel der USA bleibt nach wie vor ein Systemwechsel auf Kuba. Die Änderung der US-Position in Bezug auf Kuba geht auch auf einen starken Druck der Präsidenten Lateinamerikas zurück. (Carthagena 2014: Maduro und Rafael Correa nehmen nicht teil). Obama will mit der neuen Kuba-Politik eine Konfrontation beim PANAMA-Gipfel vermeiden und zugleich eine »erneuerte Führungsrolle in den beiden Amerikas« beanspruchen (Obama im Bericht zur Lage der Nation, Januar 2015).

Dabei entwickelte Obama eine neue Taktik, die wahrscheinlich auf Schlussfolgerungen des Afghanistan-Krieges, Libyen und Syrien zurückgeht. Obama führte aus, dass ein Kollaps Kubas weder im Interesse der USA noch des kubanischen Volkes läge. Die Erfahrung habe gezeigt, dass ein Volk nicht dem Chaos unterworfen werden sollte, um eine Demokratie nach westlichem Muster zu errichten. (Wie verlogen diese Aussage ist, zeigt sich in diesen Tagen an den Umsturz-Aktivitäten der CIA und ihrer Verbündeten wie Mossad in Venezuela bei der Operacion »Jericho« für den 12.02.2015)

Was wird die neue Haltung der USA in Kuba bewirken?

Nach der Übergabe der Spitzenposition in der Führung der kubanischen Revolution an Raul Castro am 24. Februar 2008 und den nachfolgenden Reformen, wie Reorganisation (»Aktualisierung«) des Staatsapparates und Teile der Wirtschaft strebt Kuba einen »prosperierenden und nachhaltigen Sozialismus« an (Marino Murillo, Verantwortlicher für die Umsetzung der Leitlinien des VI. Parteitages vom April 2011 der KP Kubas). Die tragenden Säulen des Wirtschaftsmodells seit diesem Parteitag bleiben staatliche Betriebe, gesellschaftliches Eigentum und die staatliche Planung. Unter der Vielzahl der neuen wirtschaftlichen Konzepte werden häufig die neue breite Schicht der »Selbstständigen« (300.000 oder 500.000 je nach Zählart) oder die Sonderwirtschaftszone Mariel genannt. Bei diesem Umbau der Wirtschaft des Landes will Kuba seine Sozialpolitik fortsetzen, aber künftig soziale Ungleichheit vermeiden.

Mariel

Mariel - Der Hafen ist ein kubanisch-brasilianisches Gemeinschaftsprojekt
Foto: Ismail Francisco/Cubadebate

Die Neugestaltung der Beziehungen USA-Kuba werden auch im Inneren Kubas tiefe Effekte haben. Die kubanischen Genossen verweisen aber immer wieder darauf, dass der kubanische Weg gerade darin besteht, sich solchen sich verändernden Bedingen anzupassen, wie es seit über 50 Jahren und auch nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in Europa vor 25 Jahren entbehrungsreich aber erfolgreich gemacht wurde. Bis jetzt hat Kuba das eigene sozialistische Konzept realisiert. Folgende Veränderungen werden wahrscheinlich eintreten:

- mehr Reisende in beiden Richtungen
- mehr Touristen
- mehr Dollars in Kuba
- mehr Chancen für private Unternehmer
- Erleichterungen für den internationalen Handel, besonders mit Drittländern
- Technologie–Transfer
- mehr ideologische Beeinflussung aus dem Norden
- mehr Produkte aus den USA
- größerer Einfluss von Kirchen, nicht nur des Vatikans
- stärkeres Wirken von NGOs und Gewerkschaften
- aktiveres Wirken von Geheimdiensten und ausländischen Militärs

Die größte Gefahr für die weitere Entwicklung könnte sich daraus ergeben, dass es zu viele Verlierer in diesem aktuellen Prozess geben könnte und damit die Legitimationsgrundlage des Sozialismusmodells verloren gehen könnte. Deshalb bleibt nur politische und ideologische Stabilität, der Garant für ein »Nichtwandeln«, d. h. Garant für die nationale Unabhängigkeit und für eine progressive politische Entwicklung, für einen eigenen, nachhaltiges Sozialismus.

Bis jetzt sind keine Anzeichen für eine Veränderung der Grundrichtungen der Innen- und Außenpolitik Kubas zu erkennen.

»Es wäre absurd 56 Jahre nach der Revolution und des jahrelangen Kampfes gegen den US-Imperialismus und des Kampfes für Unabhängigkeit jetzt das Ziel der gesellschaftlichen Entwicklung aufzugeben. Das wäre Verrat an den früheren Kämpfen«. (Botschafter Rene Mujica Cantelar am 18.3.2015).

Kuba bestärkt seine bedingungslose Unterstützung für Venezuela und verurteilt die Putschversuche und die Bedrohung durch das Obama-Dekret vom 11. März gegen die Maduro-Regierung. In diesem Dekret hatte der Präsident der USA Venezuela zur »Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA« erklärt.


CUBA LIBRE Dr. Winfried Hansch

CUBA LIBRE 3-2015