Heinz W. Hammer, Frank Schwitalla und Harri Grünberg haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten als Vorsitzende des NETZWERK CUBA die Solidaritätsbewegung mit Kuba entscheidend mit geprägt.
Dieses Interview soll eine Reihe von Aspekten aus der Solidarität mit Kuba beleuchten, die seit der Gründung des NETZWERK CUBA im Jahr 1993 eine besondere Rolle gespielt haben. Dabei stand im Laufe der Jahre, entsprechend der politischen Entwicklungen, mal der eine und mal der andere Aspekt im Vordergrund.
Frank Schwitalla / Foto: AIN |
Harri Grünberg / Foto: cuba-si-org |
Heinz W. Hammer |
Viele weitere Eindrücke, Berichte und Informationen
sind dem neu erschienenen Buch
»20 Jahre NETZWERK CUBA. Solidarität – die Zärtlichkeit der Völker«
zu entnehmen (Papyrossa Verlag ISBN 978-3-89438-523-1)
Das Buch ist sowohl über das Büro des
NETZWERK CUBA
Weydingerstr. 14-16, 10178 Berlin
wie auch über die Geschäftsstelle der
Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba
Maybachstr. 159, 50670 Köln
(Tel.: 0221 – 2 40 51 20, Fax: 0221 – 6 06 00 80
Mail: info@fgbrdkuba.de)
zu beziehen.
Lieber Heinz W. Hammer, lieber Frank Schwitalla, bitte charakterisiert doch einmal, was die Kuba-Solidarität in den Zeiten eures Vorsitzes jeweils bewegt hat.
Heinz W. Hammer
Die Gründungsphase des NETZWERK CUBA fiel zusammen mit der doppelten Blockade Kubas (und wurde durch diese quasi initiiert), mit dem Wegfall von 85 % der Außenhandelspartner durch die Liquidierung der sozialistischen Staaten in Europa. Die Contras saßen zu Beginn der 90er Jahre in Miami buchstäblich auf gepackten Koffern, um der vermeintlich in Aussicht stehenden leichten Wiedereroberung ihrer Fabriken und Ländereien, sowie der politischen Macht entgegen zu rudern. In dieser Situation war es Aufgabe der internationalen Solidaritätsbewegung, im Rahmen von materieller Solidarität, die auf allen Gebieten entstandenen Engpässe zu lindern (denn damals fehlte es in kurzer Zeit tatsächlich an allem, von der Seife über Bettzeug bis zum OP-Nahtmaterial und vor allem: Medikamente, Medikamente, Medikamente), als auch politische Solidarität gegen die doppelte Blockade zu entwickeln und dem kubanischen Volk zu demonstrieren: »Cuba no está sola – Kuba ist nicht allein!« Diese politische Solidarität war übrigens auch in »linken Kreisen« keine Selbstverständlichkeit: Bei allen Veranstaltungen, Informationsständen usw. wurden wir vermeintlich wohlwollend gefragt: »Na, mal unter uns: Was meint Ihr, wie lange Kuba durchhalten kann?« Unsere Antwort war immer eindeutig: »Es ist nicht die Frage, wie lange Kuba durchhalten kann, sondern, was DU dafür tun kannst, damit Kuba durchhält.«
Frank Schwitalla
Da waren natürlich einmal die Grundforderungen, die z.T. Ja schon lange stehen: die Blockade gegen Kuba, die Rückgabe von Guantánamo an Kuba, die Beendigung der Subversion und des Terrors gegen Kuba, ausgehend von den USA, um nur die wichtigsten zu nennen. Dann kam 2001 mit der Verurteilung der sogenannten »Cuban 5« ein neuer Punkt dazu, der seitdem, leider bis heute, die Arbeit der Kuba-Solidarität mitprägt. 2002 wurde dann das Komitee »Basta Ya« zur Befreiung der 5 gegründet. Und natürlich stand in den ersten Jahren des Netzwerkes, mitten in der schweren ökonomischen Krise (»período especial«) Kubas, die materielle Solidarität, das Versenden von Spendengütern, im Mittelpunkt der Arbeit.
Lieber Harri Grünberg, wie würdest du das für die aktuelle Situation sehen?
Harri Grünberg
Die Kuba-Solidarität entwickelt sich heute unter den Bedingungen einer substantiellen Verbesserung der Situation in Kuba. In Lateinamerika sind in zahlreichen Ländern – am wichtigsten ist dabei Venezuela – linke Parteien oder Parteienbündnisse an die Regierung gekommen. Das hat dazu beigetragen, die Isolierung Kubas durch die USA auf dem lateinamerikanischen Kontinent und auch darüber hinaus ein ganzes Stück aufzubrechen.
Durch ALBA erhält Kuba soziale, politische und wirtschaftliche Unterstützung für seine Entwicklung. In Kuba selbst beginnen die durch den Parteitag eingeleiteten sozialistischen Veränderungen zu greifen. Die ökonomische Situation auf Kuba wird allmählich besser.
In Europa wackelt der »Gemeinsame Standpunkt« der EU Staaten, das heißt, die »Blockade light« die die Europäer errichtet haben, um in Kuba einen »Regime Change« zu erzwingen. Der jüngste Gipfel der CELAC-Staaten (lateinamerikanischer Staatenbund ohne die USA) bedeutet einen großen Erfolg in der Unabhängigkeit und der Integration der lateinamerikanischen Staaten und wäre ohne die venezolanische und kubanische Diplomatie nicht denkbar gewesen. Dort hat Kanzlerin Merkel zu spüren bekommen, dass Deutschland seinen Zielen einer »Strategischen Partnerschaft« mit den lateinamerikanischen Ländern nicht näher kommen wird, wenn es seine bisherige Haltung zu Kuba aufrechterhält.
Deutschland ist das wichtigste Land der EU und war bisher der Bremser bei der Aufhebung des gemeinsamen Standpunktes. Jetzt besteht für die Solidaritätsbewegung in Deutschland eine große Chance, Druck auszuüben, damit die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Kuba entwickelt werden. Diese müssen sich auf Augenhöhe bewegen. Das muss die Solidaritätsbewegung einfordern. Auch in Deutschland wächst die Zahl derjenigen in Gesellschaft und Politik, die die Freilassung der Cuban 5 fordern.
Was gab eigentlich den Anstoß zur Gründung des NETZWERK CUBA vor 20 Jahren? Was waren die Ziele? Immerhin gab es damals bereits zahlreiche Organisationen die aktive Solidarität mit der kubanischen Insel geübt haben.
Harri
Diese Frage geht natürlich an Heinz und Frank.
Frank
Da ich selber beim Gründungsprozess und der Gründung noch nicht dabei war, ich kam erst ein halbes Jahr später dazu, überlasse ich die Antwort lieber Heinz, der ja an maßgeblicher Stelle mitgewirkt hatte.
Heinz
Den Anstoß gab die oben skizzierte Situation Kubas und der Welt. Es war angesichts der dramatischen Situation, in die Kuba durch die Konterrevolution in Europa geworfen worden war, objektiv notwendig, die Kräfte zu bündeln und, wie man heute sagen würde, Synergie-Effekte anzustreben. Genau dies waren auch die Ziele der Bündelung unserer Kräfte. Bestehende Kuba-Solidaritätsgruppen (allen voran die älteste von ihnen, die seit 1974 bestehende Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V./ FG), aber auch Organisationen, die bis dahin andere Schwerpunkte hatten und sich nun umorientierten (bspw. Die bisher auf Nicaragua orientierte Darmstädter Solidaritätswerkstatt »Taller de la Solidaridad«) sowie Neugründungen (wie die beim Parteivorstand der PDS angesiedelte AG »Cuba Sí«) organisierten von sich aus deutlich verstärkt materielle Hilfsaktionen und politische Aktivitäten. Es ging zunächst darum, sich gegenseitig über die jeweiligen Anstrengungen zu informieren, sich untereinander auszutauschen, sich gegenseitig zu helfen, Doppelarbeit zu vermeiden, kurz, sich zu vernetzen. Für diese Zwecke wurden ab 1992 Bundestreffen durchgeführt, die durchweg sehr gut besucht wurden.
Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass dieser Prozess nicht problemlos vonstatten ging. Zum einen ist auch in der BRD »die« Linke für ein gehöriges Maß an Eigenbrötlerei bekannt, zum anderen gab es durchaus beteiligte Organisationen, die in anderen Fragen politisch/ideologisch durchaus überaus konträre Positionen bezogen. Es wurde der Konsens herausgearbeitet, dass all diese Differenzen hinter dem einigenden Ziel der materiellen und politischen Solidarität mit Kuba zurückzustehen hätten: »Kuba muss überleben!«
Übrigens war die bereits erwähnte FG so klug, von Anfang an keinen »Alleinvertretungsanspruch « zu erheben, sondern sich als gleichberechtigte Partnerin in die Neuformierung dieser breiten Kuba-Solidaritätsbewegung einzureihen.
Versteht sich das NETZWERK CUBA als eine Dachorganisation für andere Kubagruppen?
Frank
Das Netzwerk versteht sich als eine Art Dachorganisation, oder besser Koordinierungsstelle für die Mitgliedsgruppen. Vorrangiges Ziel des Netzwerkes ist es, die Arbeit dieser Gruppen zu koordinieren, Informationen auszutauschen, gemeinsame Aktionen zu planen und zu organisieren.
Heinz
Bei der am 13. Juni 1993 in Frankfurt/Main stattgefundenen Gründungsversammlung wurde (nach monatelangen, kollektiven und konstruktiven Diskussionen) neben der Satzung auch die Geschäftsordnung verabschiedet.
Darin heißt es:
»Das Informationsbüro soll folgende zentrale Funktionen haben:
a) Vernetzung der Solidaritätsgruppen in Deutschland mit den Zielen:
-- zentrale Informationserfassung und -verbreitung,
-- effektive Interventionsmöglichkeiten,
– Förderung des Informationsaustausches untereinander,
-- Unterstützung von gemeinsamen Aktivitäten von Solidaritätsgruppen;
b) Verbreitung von Informationen und Koordination von Kontakten;
c) Vernetzung mit internationalen Organisationen.«
Es war also nie beabsichtigt, ein quasi parteimäßig organisiertes Gremium mit zentraler Weisungsbefugnis usw. zu schaffen, sondern eine Kommunikations- und Koordinationsstelle. In diesem Sinne verstand sich das NETZWERK CUBA durchaus als eine »Dachorganisation«.
Harri
Zeichnung am Stand der kubanischen Pressezeichner auf der Buchmesse in Havanna |
Das NETZWERK CUBA vereinigt nahezu alle Gruppen, die in der BRD für die Solidarität mit Kuba und für den kubanischen sozialistischen Weg eintreten. Die Kuba-Solidarität muss aber breiter wirken, auch in Richtung kirchlicher, gewerkschaftlicher und humanistischer Organisationen, die für das Recht Kubas auf eine eigenständige Entwicklung eintreten. Viele unserer Mitgliedsorganisationen pflegen den Kontakt mit kirchlichen, humanistischen, aber insbesondere gewerkschaftlichen Organisationen. Die regional unterschiedliche Unterstützung durch die Gewerkschaften ist besonders hervorzuheben.
Wer kann sich denn nun mit dem NETZWERK CUBA verbinden? Wie funktioniert dieser Vernetzungsansatz?
Frank
Ordentliches Mitglied kann jede Gruppe, Organisation, Initiative (und nicht nur Kuba-Solidaritätsgruppen) werden, die die Satzung und Geschäftsordnung des Netzwerkes anerkennt. Das gleiche gilt für Einzelpersonen, die aber »nur« Fördermitglied werden können. Zum Unterschied zum ordentlichen Mitglied haben diese kein Stimmrecht bei den Mitgliederversammlungen, können aber auch in den Vorstand gewählt werden. Mindestens dreimal jährlich finden Mitgliederversammlungen statt, wobei auf der Jahreshauptversammlung der Vorstand Rechenschaft ablegen muss, ein neuer Vorstand gewählt wird und gemeinsam über den Arbeitsplan für das künftige Jahr diskutiert wird.
Heinz
In der bereits genannten Satzung heißt es hierzu unter § 4:
»1. Es gibt aktive und fördernde Mitglieder. Aktives Mitglied kann jede natürliche Person werden, die bereit ist, die Ziele und Aufgaben des Vereins zu unterstützen. Über die Anträge auf Mitgliedschaft entscheidet die Mitgliederversammlung.
2. Fördernde Mitglieder können durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Vorstand alle natürlichen und juristischen Personen. Gesellschaften, Organisationen und Gruppen werden, die bereit sind, die Vereinszwecke finanziell zu unterstützen. Sie haben das Recht, an der Mitgliederversammlung mit beratender Stimme teilzunehmen.«
Die »aktiven« Mitglieder können also Organisationen oder deren Gliederungen, Initiativen usw. sein, während die Fördermitglieder Einzelpersonen sind. Will sagen: Jede/r kann (und sollte!) sich zur Unterstützung der kubanischen Revolution im NETZWERK CUBA engagieren.
In der konkreten Praxis sieht die Vernetzung dann so aus, dass bei deß Mitglieder-, Jahreshauptversammlungen und Vorstandssitzungen über gemeinsam getragene Aktivitäten beraten und beschlossen wird. Hinzu kommen mittlerweile Absprachen zwischen einzelnen Gruppen. Dies kann reiner Informationsaustausch sein oder bspw. die kurzfristige Organisierung des Transports von einer Ladung Krankenhausbetten usw. Die Vernetzung hat also ganz praktische Konsequenzen.
Harri
Das NETZWERK CUBA ist pluralistisch, es ist inklusiv gegenüber allen Strömungen die in der Kuba-Solidarität wirken. Dies spiegelt sich auch in der Zusammensetzung unseres derzeit neunköpfigen Vorstandes. Diese Breite wollen wir beibehalten. Sie ist die Grundlage unseres Erfolges. Das bedeutet aber auch, dass das Netzwerk eigene Konturen haben muss und selbstständig agiert. Entscheidungen im Netzwerk werden durch die Mitglieder und Mitgliedsorganisationen getroffen und zwar wesentlich im Konsensverfahren.
Gibt es auch eine europäische oder sogar eine weltweite Vernetzung in die das NETZWERK CUBA aus der BRD sich einbringt?
Frank
Ja gibt es: Es gibt einmal die alle zwei Jahre stattfindenden europäischen Treffen der Kuba-Solidarität, jeweils in verschiedenen Ländern (das letzte fand November letzten Jahres in Berlin, organisiert vom Netzwerk, statt), wo über gemeinsame Aktionen, Schwerpunkte etc. beraten wird. Nächstes Jahr wird es das dritte weltweite Treffen der Kuba-Solidarität in Havanna geben und es gibt in Europa auch themenbezogene Vernetzungen, wie z. B. in der Arbeit für die «Cuban 5« und im Kampf gegen den sogenannten »Gemeinsamen Standpunkt der EU gegen Kuba«. In allen diesen Vernetzungen ist das NETZWERK CUBA sehr aktiv dabei.
Heinz
Diese Vernetzung war sogar konstituierend für das NETZWERK CUBA: Auf Beschluss des Darmstädter (II.) Bundestreffens (31. 01. – 02. 02. 1992) fand am 23. Mai 1992 der überaus erfolgreiche Internationale Kuba-Kongress in Bonn statt. Dort wurde von den über 1 150 Anwesenden per Akklamation der Beschluss zur Gründung des NETZWERK CUBA getroffen und in der Folgezeit wurde nicht nur in programmatischen Dokumenten (siehe das bereits zitierte Selbstverständnis in der Geschäftsordnung), sondern auch in der Praxis die internationale Vernetzung unmittelbar praktiziert, bspw. durch die Teilnahme großer Delegationen am Europatreffen der Kuba-Solidarität 1992 in Havanna und am 1. Welttreffen der Kuba-Solidarität 1993, ebenfalls in Kubas Hauptstadt. Zu den Bundestreffen wurden internationale Gäste eingeladen, zuweilen auch aus Übersee. So nahm unser leider am 7. September 2010 verstorbener Freund und Mitkämpfer Rev. Lucius Walker jr. am V. Bundestreffen im Mai 1995 in Darmstadt teil. Dies waren keine »Showveranstaltungen «. Vielmehr wiederholte sich dort das eingangs skizzierte Prinzip der Bundestreffen: Persönliches Kennenlernen, voneinander lernen, nach Möglichkeit gemeinsame Aktionen initiieren und koordinieren. Daraus sind kontinuierliche Kontakte auf europäischer und Weltebene erwachsen, die bspw. für gemeinsame Stellungnahmen und laufende aktuelle gegenseitige Informationen genutzt werden. Hervorzuheben ist bspw. Der ständige »Draht“ zwischen dem Nationalen und Internationalen (US-)Komitee für die Befreiung der Cuban 5 und dem Komitee Basta Ya bzw. unserer Website www.miami5.de.
Harri
Wir unterhalten enge Kontakte mit dem ICAP (Kubanisches Institut der Völkerfreundschaft). Dieses vernetzt die Kuba-Solidaritätsbewegung weltweit und regional. So haben wir auf Initiative des ICAP und gemeinsam mit den europäischen Solidaritätsbewegungen im vergangenen Jahr den Europäischen Solidaritätskongress (120 TeilnehmerInnen aus 30 Ländern) durchgeführt. Dort wurden wichtige Impulse für die Entwicklung der Kuba-Solidarität in den nächsten Jahren ausgearbeitet. Der Kongress rief zu verstärkten Anstrengungen auf, um den gemeinsamen Europäischen Standpunkt zu Fall zu bringen, die Solidarität zur Freilassung der Cuban 5 zu intensivieren und eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen, um dem Boykott der bürgerlichen Medien entgegenzutreten.
Teil 2: Solidarität – die Zärtlichkeit der Völker II.)
Das Interview führte Marianne Schweinesbein.
CUBA LIBRE 1-2014