»Tage mit wenig Schlaf«

Kubas wichtigste Tageszeitung Granma wagt den Spagat zwischen offiziellem Regierungsorgan und Darstellung der Widersprüchlichkeiten.

Arlín Alberty Loforte ist eine energiegeladene junge Frau. Obwohl sie am 28. März erst ihren 32. Geburtstag feiert, steht sie seit einigen Monaten bereits als stellvertretende Chefredakteurin mit an der Spitze der Granma, der wichtigsten Zeitung Kubas. Als Zentralorgan der Kommunistischen Partei (PCC) ist die Granma die offizielle Stimme von Staat und Regierung. Zugleich soll sie aber auch als eine der Hauptinformationsquellen der Bevölkerung dienen. »Es ist eine Herausforderung, einerseits diese offizielle Funktion zu erfüllen, andererseits aber auch die Widersprüche und Probleme der Gesellschaft widerzuspiegeln und zu beleuchten, wie sich die Politik des Landes entwickelt«, berichtet Alberty. Die junge Kommunistin ist verantwortlich für die in sechs Sprachen erscheinende internationale Ausgabe der Granma. Am 14. Januar war sie Gast der XXII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin und nahm sich anschließend die Zeit für einen Besuch in den Redaktionsräumen der jungen Welt.

Mit 31 Jahren schon an der Spitze der wichtigsten Zeitung ihres Landes? Für Alberty ist das keine große Sache. »Ich bin nicht die einzige junge Vizechefredakteurin der Granma. Für die Tageszeitung ist auch eine sehr junge Frau verantwortlich, Karina Marrón. Und der Redaktion gehören viele junge Journalisten an. Zugleich können wir aber auf Kollegen mit großer Erfahrung zählen, wie etwa Marta Rojas, die schon 1953 über den von Fidel Castro geführten Angriff auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba berichtete. In der Granma fließen Erfahrung und Jugend zusammen, aber vor allem eint uns die große Lust auf die Arbeit.«

Arlín Alberty wurde 1983 in Guantánamo geboren. Dieser Name ist international vor allem durch die von den USA besetzt gehaltene Marinebasis und das dort eingerichtete Folterlager bekannt. Doch Guantánamo ist auch eine Stadt und eine Provinz im äußersten Osten der Insel, in der rund eine halbe Million Menschen leben. An der Universidad de Oriente in Santiago de Cuba studierte Alberty Journalismus und engagierte sich im Studierendenverband FEU. Nach dem Abschluss des Studiums begann sie bei der Wochenzeitung Venceremos, dem Provinzorgan der Kommunistischen Partei in Guantánamo, zu arbeiten.

2013 wurde sie in das kubanische Parlament gewählt. Der Jugendzeitung Juventud Rebelde gegenüber zeigte sie sich damals überrascht darüber, gewählt worden zu sein. »In diesem Augenblick habe ich verstanden, dass die Menschen mir vertrauen und ich sie nicht enttäuschen darf.« Einen Widerspruch zu ihrer Arbeit als Journalistin sah die junge Frau schon damals nicht: »Journalismus verlangt in ganz besonderer Weise Sensibilität und Beharrlichkeit, und das ist auch wichtig, wenn man das Volk vertritt.«

Wohl auch, um mehr Zeit für ihre Arbeit im Parlament und dort im Ausschuss für Bildung, Kultur, Wissenschaft, Technologie und Umwelt zu haben, wechselte Alberty im vergangenen Jahr zur Granma in die Hauptstadt. Von ihrer neuen Arbeit erzählt sie voller Begeisterung. Vor allem die Wochen nach dem Tod des langjährigen Präsidenten Fidel Castro haben die Belegschaft zusammengeschweißt. »Das waren Tage mit ziemlich wenig Schlaf … In dieser Zeit waren wir alle dort in der Redaktion, wo wir gebraucht wurden, um die umfassende Berichterstattung möglich zu machen. Wir haben in dieser Zeit täglich 16 Seiten produziert, statt wie normalerweise acht, und die gesamte Redaktion stellte sich für das eine Ziel bereit, die Berichterstattung über alles, was in unserem Land passierte, abzusichern: die Kundgebungen, die Karawane quer durch das Land, die offiziellen Besuche, die Beileidsbekundungen, die uns aus aller Welt erreichten. Und wir haben die Erinnerungen der Menschen gebracht. Es waren intensive, arbeitsreiche Tage. Da hat niemand auf die Uhrzeit und den Feierabend geschaut.«

Normalweise treffe man die Entscheidungen über die Inhalte der jeweiligen Tagesausgabe kollegial in der morgendlichen Redaktionskonferenz, erzählt sie. »Jeden Tag treffen sich Chefredakteur Pelayo Terry Cuervo und die Stellvertreter sowie die Ressortleiter zur Besprechung in einem Konferenzraum, um zu beschließen, was am nächsten Tag in der Zeitung stattfindet. Und es wird ausgewertet, was wir in der letzten Ausgabe gut oder weniger gut gemacht haben. Wir beraten dort auch – nicht in stundenlangen Diskussionen, sondern sehr schnell –, wie wir mit bestimmten Informationen umgehen, wie wir sie weiter verfolgen.« Aus dem Zentralkomitee der Partei werde nicht in die Zeitung »hineinregiert«, berichtet sie.

Neben der Tageszeitung und ihrem Ableger im Internet erscheint meist wöchentlich die fremdsprachige Granma Internacional. »Ihre Aufgabe ist es, die Diskussionen, die in Kuba stattfinden, in viele Teile der Welt zu tragen. Das gilt auch für kulturelle oder ökonomische Themen, die entscheidend sein können. Wir informieren über die Erfolge Kubas im Gesundheitswesen, in der Kultur, im Tourismus, im Sport. Hinzu kommen einige Analysen der Perspektiven Lateinamerikas und der Welt von einem linken Standpunkt aus.« Bei den Beiträgen handelt es sich meist um Übersetzungen aus dem Spanischen, nur gelegentlich gibt es Artikel, die speziell für die jeweilige Landesausgabe geschrieben wurden.

»Ein Traum« wäre es, so Arlín Alberty, auch die deutschsprachige Ausgabe der Granma Internacional wöchentlich herauszugeben.

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André Scheer
Junge Welt, 02.02.2017