Gegen Militarisierung in der Zone des Friedens

Die Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) deklarierten ihre Region beim II. Gipfeltreffen im Januar 2014 in Havanna zu einer "Zone des Friedens". Und es dürfte kein Zufall sein, dass in Zeiten, in denen die progressiven Bewegungen und Regierungen der Region durch reaktionäre Kräfte und das Imperium USA zurückgedrängt worden sind, die Militarisierung der dortigen Gesellschaften extrem zunimmt – und dass die NATO intensiv beteiligt ist. Der NATO-Gipfel in Brüssel am 21. und 22. Oktober 2021 hat erneut die Rolle der NATO als die globale Militärallianz unterstrichen. Dabei spielen Lateinamerika/Zentralamerika/Karibik eine wichtige Rolle. Lateinamerika ist seit dem NATO-Gipfel in Wales 2014 und der US-Politik seit 2009 ein wichtiger Teil des Militarisierungs- und Aufrüstungstrends in der Welt.

Vor diesem Hintergrund wurde kürzlich im Gewerkschaftshaus in Frankfurt/M. eine Konferenz als Hybrid-Veranstaltung mit dem Titel "Militarismus und Frieden in Lateinamerika und der Karibik" durchgeführt. Eingeladen hatten Frieden- und Zukunftswerkstatt e. V., International Peace Bureau (IPB), Netzwerk Cuba, Österreichisch – Kubanische Gesellschaft (ÖKG), Vereinigung Schweiz-Cuba (VSC) sowie weitere Unterstützende, Spendende und Medienpartner.

In den zahlreichen Vorträgen und Diskussionen ging es am ersten Tag vor allem um historische Aspekte und die heutige Lage in dem Subkontinent, während am zweiten Konferenztag akute Herausforderungen, Perspektiven und linke Handlungsmöglichkeiten besprochen wurden.

Damit wurde ein breites Spektrum thematisiert: Partnerschaftsabkommen der NATO mit Kolumbien und Brasilien als "globale Partner", der Ausbau der US-Militärbasen u. a. in Peru, Kolumbien, Honduras, Costa Rica, Chile, Paraguay und Guantanamo auf Kuba, weitere Militärstützpunkte Großbritanniens, Frankreichs und der Niederlande, sowie neue Militärbasen in Kolumbien, Guayana und auf den ABC-Inseln. Themen waren ebenso die Zunahme von Militärmanövern von US- und NATO-Truppen in Kolumbien, Brasilien und vor den Küsten Venezuelas, die CIA-finanzierten Söldnerangriffe in Venezuela, die Ausbildung von Militärs in den USA und anderen NATO-Ländern, deutlich wachsende Waffenexporte, zunehmende Unterordnung ziviler Aufgaben unter militärischer Führung (Bekämpfung der Drogenmafia, der Oppositions- und emanzipatorischen Bewegungen und Coronapolitik) und nicht zuletzt die Sanktions- und Blockadepolitik gegen Venezuela, Kuba und Nicaragua.

Dieser unilateralen Sanktions- und Blockadepolitik insbesondere der USA widmete sich eine AG ("Sanktionen und Blockaden als kriegerischer Interventionismus"), in der das große Ausmaß jener Maßnahmen in den zahlreichen betroffenen Ländern, auch in anderen Kontinenten, deutlich wurde. Die seit nunmehr sechs Dekaden gegen Kuba ausgeübte US-Blockade wurde in einer besonderen Resolution von der Konferenz verurteilt und ihr Ende gefordert. Es sei aber noch mehr Verbreitung von Informationen, Aufklärung und Medienarbeit erforderlich, vor allem auch mehr politischer Druck und außerdem sollten juristische Schritte geprüft und umgesetzt werden: So vor allem die Anwendung des Anti-Blocking-Statuts der EU oder auch Klagen beim Europäischen und dem Internationalen Gerichtshof.

In dem Beitrag des kubanischen Politikwissenschaftlers Santiago Espinosa Bejerano vom Zentrum für internationale Politikforschung wurde der Kampf gegen die hegemonialen Pläne der USA im lateinamerikanischen Raum behandelt. Überraschend war seine Darlegung des großen Einflusses Großbritannien im Süden der Küstengebiete und der Antarktis, die von strategischer Bedeutung seien. Auch Heike Hänsel, ehemalige MdB der Partei Die LINKE, wies auf die destruktive Rolle von NATO und EU auf dem Subkontinent hin, und die von ihnen praktizierten Doppelstandards. Weitere Themen waren die Militarisierung der Gesellschaften am Beispiel von Mexiko ("war on drugs") und Kolumbien sowie der dortige Friedensprozess, der von der Regierung rücksichtslos zerstört wird. Die Brasilianerin Monica Valente, Generalsekretärin des Foro Sao Paulo, erläuterte die Vielgestaltigkeit der Gesellschaften, die Differenzen sowie die Wichtigkeit einer stärkeren Kommunikation und Kooperation. In der abschließenden Gesprächsrunde wurden nochmals Handlungsorientierungen und -optionen für Frieden und Befreiung erörtert. Dazu äußerten sich aus unterschiedlichen Perspektiven Özlem Demirel (MdEP Die LINKE), der österreichische Intellektuelle Leo Gabriel, die Friedensaktivistin Kristine Karch (No to NATO und EcoMujer e. V.) sowie aus Kolumbien bzw. Venezuela für Juventud Rebelde Julieta Daza. Bestens moderiert von Natalie Benelli von der Vereinigung Schweiz-Cuba (VSC) wurde hier unterstrichen, dass CELAC, Foro Sao Paulo und ähnliche Vereinigungen und Netzwerke von größter Bedeutung für eine friedliche und fortschrittliche Entwicklung des Subkontinents sind. Hierzu müssten aber auch in den NATO-Staaten die linken Kräfte stärker und wirkungsvoller eintreten.

Bei all den sehr konstruktiven und sachlichen Diskussionen mussten die Dolmetschenden sehr viel leisten. Auch die technischen Herausforderungen dieser internationalen Konferenz waren erheblich, führten aber lediglich zu kleineren Ausfällen.

Aus Sicht der Kuba-Solidaritätsbewegung war wieder einmal bemerkenswert, welche offensichtlichen Verbrechen unterschiedlicher Art in mehreren Staaten Lateinamerikas und der Karibik verübt werden, mit denen die NATO-Staaten enge Beziehungen pflegen. Deren Verbrechen werden weder von der Bundesregierung, der EU oder den Massenmedien erwähnt, oder gar kritisiert oder skandalisiert. Wenn hingegen punktuelle, von den USA orchestrierte und unterstützte Provokationen z. B. in Kuba passieren, wird eine Empörungsmaschinerie in Gang gesetzt und hektorliterweise Krokodilstränenvergossen.

In einer abschließenden Erklärung der Konferenz heißt es: "Wir sehen einen engen Zusammenhang zwischen Massenprotesten der Bevölkerung, einer progressiven politische Wende und einer unabhängigen und friedlichen Politik. Dieser Politik des Friedens, der gemeinsamen Sicherheit, der Abrüstung gilt unsere Solidarität und Unterstützung. Deswegen sagen wir auch entschieden Nein zur EU-Militarisierung und der aggressiven Politik der EU und des EU-Parlaments gegen Kuba und Venezuela. Solidarität ist die Grundlage politischer Erfolge der Friedens- und Solidaritätsbewegungen und sowie der linken Kräfte in Lateinamerika und in Europa – sie ist unser politischer und moralischer Kompass!"

Weitere Infos, z. B. zum Programm und den beiden Resolutionen:
Konferenz: Militarismus und Frieden in Lateinamerika und der Karibik


CUBA LIBRE Edgar Göll

CUBA LIBRE 1-2022