Dr. Franco Cavalli, Präsident von mediCuba Europa, aus der Schweiz berichtete am 17. Februar in Berlin über die Arbeit seiner Organisation und über aktuelle Projekte.
Es war ein spannender Vortrag, der selbst für alte "Kubahasen" Neues bereit hielt und hervorragend über das kubanische Gesundheitssystem informierte.
Das Gesundheitswesen in Kuba sei weltweit anerkannt und vorbildlich, werde immer wieder gelobt von der UN und Fachorganisationen, betonte Dr. Cavalli. Leider beeinträchtige die immer noch bestehende US-Blockade gegen das sozialistische Land auch das Gesundheitswesen.
Wer ist mediCuba?
Dr. Franco Cavalli (r.) berichtet über seine Arbeit in Kuba |
Für den materiellen Bedarf des kubanischen Gesundheitssystems gibt es einige Solidaritätsprojekte, die Abhilfe schaffen können. mediCuba Europa (MCE) ist hierfür ein ganz wichtiger Partner und Akteur als eine europäische Organisation mit 3000 Mitgliedern.
Dr. Cavalli war 1985 das erste Mal in Kuba. 1984 hatte er in Nicaragua Projekte geleitet in den Bereichen Onkologie, Pädiatrie und Gebärmutterhalskrebs. Dort traf er kubanische Ärzte und wurde von ihnen nach Kuba eingeladen.
Bei Besuchen 1985 und 1986 war er überrascht, wie gut die Situation des Gesundheitswesens dort war. Alles lief gut, es gab Überfluss. Fidel war ein großer Bewunderer der Medizin. Er ließ sich jede Woche eine Zusammenfassung der wichtigsten medizinischen Zeitschriften referieren.
1992 hingegen war die Lage desolat, die Leute hungerten, es gab keine Strahlenapparate. Das BIP war eingebrochen. Das Gesundheitssystem drohte zusammenzubrechen. Da wurde 1992 in der Schweiz mediCuba Schweiz gegründet und auch von der Schweizer Regierung unterstützt. Anfangs wurden vor allem chemische Stoffe für Medikamente geliefert.
Aktuelle Aufgaben
Heute werden von Kuba viele Medikamente in China gekauft oder in Kooperation hergestellt und in Kuba produziert. So wird aktuell etwas von mediCuba geliefert, wenn ein Medikament nicht zu beschaffen ist wegen der US-Blockade. Unternehmen haben sich aber auch schon geweigert, mediCuba etwas zu verkaufen, wenn sie hörten, dass die Sachen für Kuba sind. Ein weiterer Teil der Arbeit sind Projekte als konkrete Hilfe für bestimmte Krankenhäuser.
Wichtig ist auch die Unterstützung des ELAM, der internationalen medizinischen Hochschule in Havanna. Die hat bislang circa 25.000 Studierende ausgebildet. Das war früher kostenlos. Heute muss ein bisschen bezahlt werden je nach Kaufkraft der Absolventen und ihrer Herkunftsländer. Das sind circa 200 im Monat für alles, also inklusive Unterkunft und Verpflegung. Es gibt Stipendien und Sachspenden für das ELAM.
Kuba führend in der Forschung
Nach den USA, der EU und Japan ist Kuba das Land mit dem höchsten Forschungsstandard. Mit innovativen Medikamenten und biomedizinischen Produkten werden mit die höchsten Einkünfte des kubanischen Staates generiert. Stark ist Kuba auch in der Biotechnologie. Kuba hat viele Impfstoffe produziert - auch Impfstoffe gegen Krebs sind in der Entwicklung. mediCuba unterstützt auch die Teilnahme von Kubanern an internationalen Kongressen.
Ein beredtes Beispiel für die US-Blockade ist das des Kaufs bestimmter Großgeräte durch Kuba. Die ersten hatte Kuba bei der Regierung Schröder gekauft. Weitere Käufe waren nicht möglich. Die BRD hatte wegen des Irak-Kriegs Spannungen mit den USA, die wollte man nicht vertiefen.
Auch in der Schweiz gab es Probleme. Aber da die USA eine Ausnahme bei einem Medikament gemacht hatten, konnte die Schweiz mit diesem Argument die Geräte nach Kuba verkaufen.
Gesundheitssystem in Kuba: Grundlegend anders
Das kubanische Gesundheitssystem zeichnet aus, dass die erste primäre medizinische Versorgung bei Hausärzten passiert, die im Barrio (Viertel) wohnen. Mindestens einmal pro Jahr muss der Familienarzt seine Familien besuchen. Er muss auch zu den Leuten, wenn sie nicht in seine Praxis kommen (beraten, Blutdruck und Zucker messen usw.). Zum Spezialisten in die Poliklinik werden die Patienten geschickt, wenn der Hausarzt nicht weiter weiß.
Dabei wird Hervorragendes geleistet: Nur in Chile und in Kuba z. B. funktioniert in Lateinamerika die Untersuchung auf Gebärmutterhalskrebs. Dabei hat Kuba fast doppelt so viele Ärzte pro Einwohner wie die Schweiz oder die BRD. Und die versorgen nicht nur die Kubaner. Wenn Sie irgendwo in der letzten Ecke im Busch auf einen Arzt stoßen es ist mit Sicherheit ein Kubaner oder ein dort ausgebildeter Arzt, beschrieb Cavalli treffend die großen solidarischen Leistungen der kubanischen Ärzte in der Welt.
Warum leisten sie eine so gute umfassende Arbeit? In Griechenland sind zum Beispiel 95 % der Ärzte Fachärzte. Es gibt kaum Allgemeinmediziner - wie in anderen kapitalistischen Ländern auch, weil in den profitorientierten Gesundheitssystemen Fachärzte besser bezahlt werden. Kuba hat dieses Problem gelöst, das Gros seiner Ärzte sind Allgemeinmediziner.
Neues Projekt
mediCuba bereitet im Augenblick ein Fünf-Jahresprojekt (2017-2021) vor, um die mikrobiologische Diagnostik von viralen, bakteriellen und parasitären Infektionskrankheiten auch angesichts neuer Herausforderungen wie Zika und Ebola zu stärken. Dazu sollen neben Havanna zwei weitere Zentren im Lande, in Villa Clara und in Santiago de Cuba, installiert bzw. ausgebaut werden. Projektvolumen etwa etwa 2,7 Millionen in den kommenden Fünf Jahren.
Kuba braucht sechs diagnostische Geräte, die circa 70 000 Euro kosten und sehr teure Verbrauchsmaterial benötigen. Die traditionellen Diagnoseverfahren werden von Kuba sehr gut beherrscht, diese haben aber eine hohe Fehlerquote und dauern lange. Ebenso kann man so nicht quantitativ messen, ob eine Krankheit behandelt werden muss oder nicht. Man kann z. B. mit den neuen Verfahren erkennen, ob eine sehr teure Hepatitis-Behandlung sein muss oder nicht. Bis Ende 2017 sind 370.000 für das Projekt eingestellt. Das Schweizer Gesundheitsministerium unterstützt das Projekt, weil es der Sicherheit der Schweizer Touristen dient. Zwei Drittel des Projekts sind finanziert durch Spenden aus vielen Ländern. Spenden aus Deutschland fehlen noch.
Kubanische Medizin und der Weltmarkt
Um etwa Medikamente weltweit verkaufen zu können, müssen klinische Test durchlaufen werden. Die sind nicht ganz ohne Probleme. Zum einen war Kuba so lange von der Praxis dieser Tests in der Welt abgeschnitten, dass es keine Erfahrung mit den Standards dieser Tests hat und zum anderen sind klinische Studien sehr teuer - die können nur große Pharmakonzerne bezahlen. Selbst wenn man Studien zu billigen Medikamenten machen will, braucht man auch als Vergleichsgruppe die teuren Medikamenten und muss sie dazukaufen. Die Kosten für die Studie: auch so mehrere Millionen Euro ein neues Medikament auf den Markt zu bringen, kostet circa 100200 Millionen Euro.
Eine der Stärken Kubas ist sein unglaublicher Einsatz bei der Rehabilitation, wie auch der Dokumentarfilm "Die Kraft der Schwachen" von Tobias Kriele eindrucksvoll zeigt. Kuba ist auch gut bei der Behandlung von Hauterkrankungen und bei Augenoperationen - ebenso sind Knochenmarkstransplantationen in Kuba kein Problem.
Die Kubaner stellen heute ihre Produkte, die meisten sind Generika, direkt her unter Respektierung der Patentgesetze.
Aber ein Problem bleibt: das des Brain drains. Kuba steckt sehr viele materielle und personelle Ressourcen in die Ausbildung des medizinischen Personals. Doch Länder wie Saudi-Arabien und die USA werben ganze Gruppen von Ärzten und Schwestern ab, um sich die Ausbildungskosten dieser hochqualifizierten Fachkräfte zu sparen und sicher auch als weiteren Effekt, Kuba und auch seine weltweiten solidarischen medizinischen Hilfseinsätze zu schwächen.
Marion Leonhardt
CUBA LIBRE 2-2017