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Mit Che in der Guerilla
Veranstaltung anlässlich des 50.Todestages von Che Guevara am 3. November 2017 im Club Voltaire, Frankfurt am Main.
Moderation: Petra Wegener, Übersetzung: Tobias Kriele
Mit der Begrüßung unseres kubanischen Gastes Leonardo Tamayo Núnez und der Rezitation des Gedichts "El nacedor" von Eduardo Galeano, welches die Unsterblichkeit Che Guevaras rühmt, leitete unsere Moderatorin Petra den denkwürdigen Abend ein.
Tamayo begrüßt die Anwesenden in dem völlig überfüllten Club mit den Worten: "Ich grüße und umarme euch alle im Namen des kubanischen Volkes" - tosender Beifall.
Von Anfang an nimmt uns der kubanische Revolutionär durch seine einfühlsame, kämpferische Ausstrahlung gefangen und macht Che für uns lebendig.
Den Verlauf des Abends bestimmte der kubanische Revolutionär durch die autobiografische Darstellung seines Lebensweges an der Seite von Che. Rasch zeigt sich, dass sein Leben vollständig geprägt wurde durch seine frühe Beteiligung an der revolutionären Bewegung. Er schilderte bewegt, wie er als Kind einer bäuerlichen Familie die Gewaltexzesse der Batista-Soldateska gegen die ländliche Bevölkerung erleben musste und tiefer Hass und große Wut gegen das Batista-Regime in ihm wuchsen.
Seine erste Begegnung mit Che als 15jähriger in der Sierra Maestra war zunächst für ihn nicht unbedingt erfreulich. "Was willst Du denn hier?" habe Che ihn angeherrscht. "Dasselbe, was Sie hier wollen", habe er geantwortet. Nach einigem Zögern habe Che schon freundlicher gesagt: "Na gut, dann schließe Dich einem der Kommandos an."
Einige Tage später wurde er von Che beauftragt, eine Nachricht an Fidel zu einem weiter entfernten Stützpunkt zu bringen . Er erledigte den Auftrag und in der Folge weitere Aufträge auf Grund seiner Geländekenntnisse und seiner großen läuferischen Fähigkeiten in so kurzer Zeit, dass Che ihn zu seinem persönlichen Melder und Nachrichtenüberbringer machte. Tamayo erklärt dazu nachdrücklich, beinahe feierlich: "Ab da war ich 10 Jahre und 4 Monate ständig an der Seite von Che."
Tamayito, wie er als Sohn seines Vaters Tamayo, der auch in der Guerilla kämpfte, genannt wurde, war bis zum Ende der Batista-Diktatur immer wieder an bewaffneten Aktionen beteiligt, war in der entscheidenden Schlacht um Santa Clara dabei, wurde beim Angriff auf eine Batista-Kaserne schwer verwundet und musste erleben, wie sieben seiner Kampfgefährten getötet wurden.
Nach dem Sieg der Revolution blieb er an Ches Seite, wurde Chef seiner Leibwache und persönlicher Adjutant bis zum 9. Oktober 1967, dem Tag, an dem Che ermordet wurde.
Nach Jahren der Arbeit am Aufbaus des Sozialismus in Kuba stellte sich ihm mit der Operation im Kongo 1965 eine neue militärische Aufgabe an der Seite von Che, die er ohne zu zögern übernahm, ebenso wie die darauf folgende Guerillaoperation in Bolivien. Die Ausbildung der Guerillagruppe für diesen Einsatz erfolgte unter persönlicher Begleitung durch Fidel nahe Pinar del Rio. Hier vollzog sich abseits der Gruppe auch die Verwandlung Ches zum uruguayischen Geschäftsmann, als welcher er (Che) nach Bolivien reisen wollte, so perfekt, dass ihn die Kampfgenossen zunächst nicht erkannten.
Nach einer Odyssee mit verschiedenen Flugdestinationen, u.a. über Moskau, Prag, Frankfurt und New York, gelangten die Guerilleros paarweise nach La Paz. Nachdem die Kubaner vergeblich auf die logistische evtl. auch militärische Unterstützung der KP Boliviens gehofft hatten, wurde beschlossen, den Kampf allein aufzunehmen. Am 1. Februar 1967 brachen sie ins Landesinnere Boliviens auf.
Unter unglaublichen Entbehrungen (tagelang ohne Trinkwasser und Essen), immer wieder in Kämpfe verwickelt, hielten sie an dem Ziel fest, Bolivien und später ganz Lateinamerika, nach der Parole Ches "Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam", zu befreien.
Am 8. Oktober 1967 hörten sie in den bolivianischen Nachrichten ihres Transistorradios, dem einzigen Kommunikationsmittel, das sie mit sich führten, von der Festnahme Ches. Anhand geschilderter Einzelheiten (Uniformteile und persönliche Gegenstände) wurde ihnen zur Gewissheit, dass der Festgenommene tatsächlich ihr Comandante war. In aufeinander folgenden Nachrichten variierten die Meldungen über seine Verletzungen von leicht bis tödlich, womit ihnen klar wurde, dass die bolivianischen Streitkräfte und ihre Hintermänner den Mord an dem Kriegsgefangenen Che Guevara zu verschleiern versuchten. Che wurde ermordet.
In der sich anschließenden Diskussion schilderte Tamayo auf die Frage nach dem Schicksal der verbliebenen Kämpfer in Bolivien deren Schwierigkeiten auf der Heimkehr nach Havanna. Nach langen Fußmärschen, immer wieder in Kämpfe verwickelt, erreichten sie die Grenze zu Chile, wo sie von der Armee verhaftet wurden. Nach Tagen der Ungewissheit gelang es Salvador Allende ihre Auslieferung nach Bolivien zu verhindern. Erst 6 Monate nach Ches Tod kamen sie schließlich auf abenteuerlichen Umwegen nach Cuba, wo Fidel sie in Empfang nahm.
Rückwirkend auf die Aktion in Bolivien würdigt Tamayo den heutigen Präsidenten Boliviens Evo Morales als Träger der Ideen von Che Guevara.
Auf die Frage nach den Aussichten möglicher Guerillakämpfe heute, drückte Tamayo die Überzeugung aus, dass die gesellschaftlichen Widersprüche nicht mehr durch die Guerilla, sondern durch den Kampf um die Ideen in den Köpfen gelöst werden würden.
Zu Schluss der Veranstaltung verabschiedete er sich mit bewegenden Worten und mit der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen Das Publikum begleitete diese letzten Worte mit nicht enden wollendem Beifall.
Bune und Martin Birkle, Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Regionalgruppe Frankfurt am Main
6. November 2017
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