Wirtschaftswachstum von vier Prozent prognostiziert für 2022.
Kubas stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Wirtschaft, Planung Alejandro Gil Fernández, stellte Ende 2021 den Wirtschaftsplan für 2022 vor.
Im Rückblick auf das vergangene Jahr führte er aus, dass die kubanische Wirtschaft, im ersten Quartal 2021, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 13,4 Prozentpunkte gesunken sei. Neben der weiteren Verschärfung mit über 240 Maßnahmen der US-amerikanischen Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die in den letzten Tagen von der Trump-Administration verabschiedet worden waren, und von denen keine unter der derzeitigen Präsidentschaft von Biden zurückgenommen wurde, ist dieser Rückgang auch auf die Maßnahmen im Kampf gegen Covid-19 zurückzuführen.
Über Mikrokredite sollen kleine Selbstständige eine Anschubfinanzierung erhalten.
Foto: José Manuel Correa / Granma
Der Trend der Schrumpfung konnte aber – nach sieben aufeinanderfolgenden Quartalen – durchbrochen und eine Phase der Erholung eingeleitet werden. Dies drückt sich in einem geschätzten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Größenordnung von zwei Prozent am Ende des Jahres aus. Das geplante Ziel von sechs Prozent konnte – aus den genannten Gründen – nicht erreicht werden.
Der Minister erwähnte auch, dass mehr als 500 staatliche Unternehmen Verluste gemacht hätten. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass Beschäftigte, deren Betriebe auf Grund der erforderlichen Maßnahmen im Kampf gegen Covid-19 geschlossen waren, ihr Entgelt weiter bekommen haben. "So wurden (…) beispielsweise mehr als 2 Milliarden Pesos für den Schutz von Beschäftigten bereitgestellt, deren Arbeit vorübergehend durch die Schließung von Betrieben unterbrochen wurde".
Im Zusammenhang mit der teilweisen "Dollarisierung", womit der illegale Handel (Ankauf und Verkauf in ausländischer Währung) gemeint ist, betonte er, dass der nicht-staatliche Sektor nicht dazu bestimmt sei, Quelle für die Finanzierung des staatlichen Sektors in Devisen zu sein. Diese illegalen Geschäfte drücken sich dann in Wechselkursen von 80 und mehr CUP (kubanischer Peso) zu eins auf dem "Schwarzmarkt" aus.
Unabhängig davon, dass es sich bei den Beteiligten auch um kubanische Personen handelt, die ihre eigenen Interessen über die Interessen der Gemeinschaft stellen, werden die Wechselkurse auch vom Ausland manipuliert. Hier spielt unter anderem das Contra-Internetprotal "El Toque" eine prominente Rolle. Über dieses und andere, auch aus den USA finanzierten Portalen, werden Falschmeldungen (Fake-News) ins Internet gestellt, um einer Destabilisierung der kubanischen Wirtschaft Vorschub zu leisten.
Diese illegalen Praktiken stehen in Kontrast zur Planung der "Aufgabe Neuordnung" (Cuba Libre berichtete), die sich vor allem im Hinblick auf die Inflation im Einzelhandel auswirkt. Der Minister betonte, dass dieses Phänomen aus diesem Grund bekämpft werden wird.
Ausdrücklich wies der Minister darauf hin, dass die Ursachen für die aktuelle wirtschaftliche Lage und Entwicklung im Anstieg der Importkosten, einer größeren Nachfrage bei zu geringem Angebot und den bekannten Auswirkungen der Pandemie auf die internationale Wirtschaft zu suchen seien: "Das sind allgemeine Probleme, aber im Falle Kubas werden sie durch eine zugespitzte Wirtschaftsblockade verschärft, die immer auf der Suche nach einer Gelegenheit ist, uns zu ersticken und der Revolution ein Ende zu setzen."
Er widersprach der Auffassung, dass die Ursachen für den Anstieg einer Reihe von Preisen etwas mit der "Aufgabe Neuordnung" zu tun haben. "Alle oben genannten Punkte waren mit oder ohne Neuordnung vorhanden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Aufgabe keine Fehler in ihrer Konzeption und Durchführung aufweist, die wir von Anfang an zu korrigieren versucht haben."
Wenn von Inflation gesprochen wird, dann sei es erforderlich zu verstehen, dass damit ein genereller und dauerhafter Anstieg der Preise bezeichnet wird. Im Falle Kubas sei dies so jedoch nicht der Fall, da die Preise in den Bereichen des elementaren Bedarfs, wie die Strom- und Wassertarife, die Kraftstoffpreise, der Standardwarenkorb für Familien, die Preise für die Gasversorgung bis heute unverändert geblieben seien. "Und da war die Inflation gleich Null". Der wesentliche Grund dafür sei, dass die entsprechenden staatlichen (vergesellschafteten) Betriebe bzw. Unternehmen sind, die, anders als in der Bundesrepublik Deutschland, nicht den Profitinteressen der privaten wirtschaftlichen Eigentümer folgten.
Hier sei noch darauf hingewiesen, dass über 90 Prozent der Kubanerinnen und Kubaner Eigentümer ihrer Wohnungen sind, womit klar ist, dass diese damit keine Mieterhöhungen zu erwarten haben.
Ungeachtet dieser Tatsachen sind die Preise in anderen Bereichen gestiegen. "Wo kommt diese Inflation am stärksten zum Ausdruck? Bei den Preisen von Angebot und Nachfrage, bei den staatlichen und nichtstaatlichen Marktpreisen, aber vor allem, weil es viel Spekulation und Weiterverkauf gibt, und das muss bekämpft werden."
Die Lösung des Problems bestehe nicht darin, einfach die Löhne zu erhöhen, weil dies nicht die Ursache des Problems beseitige. Es sei sicher zu stellen, dass Produkte nicht aus den Regalen verschwänden um dann zu einem höheren Preis wiederverkauft zu werden. Der Minister zog die Konsequenz, dass die wirksamste Maßnahme sei, das entsprechende Angebot zu erhöhen.
Das Wachstum der Wirtschaft wird auf etwa vier Prozent geschätzt, wenn die wirtschaftliche und schrittweise Erholung des Landes anhält. Die sei durch die Öffnung der wichtigsten Wirtschaftszweige, die Erholung des Tourismus und die Vorzüge der Pandemiebekämpfung zurückzuführen.
Außerdem wies er darauf hin, dass in Kuba keine Marktwirtschaft herrsche, in der diejenigen, die nicht konsumieren können, einfach ausgeschlossen werden, sondern dass den Menschen und Gemeinschaften in prekären Situationen Priorität eingeräumt wird.
Zur aktuellen Entwicklung bei den "Solo-Selbstständigen" und den Kleinst-, Klein- und Mittelgroßen Unternehmen (KKMU)
Bei den "Solo-Selbstständigen" (auf eigene Rechnung Arbeitende) wurden die zugelassenen Tätigkeiten durch eine Liste von nicht zulässigen Tätigkeiten ersetzt.
Der Gründungsprozess von nicht-landwirtschaftlichen Genossenschaften (CNAs), der auf Grund von Ungereimtheiten und Problemen bei der Umsetzung des Experiments nicht gut gelaufen war, wurde wieder ins Leben gerufen. Innerhalb von etwas mehr zwei Monaten seit der Zulassung der Gründung von KKMU, zu denen mehr als 700 Unternehmen zählen, sind hier mehr als 11.000 Arbeitsplätze geschaffen worden.
Zur weiteren Unterstützung des Gründungsprozesses wurde ein Finanzinstitut für Kleinkredite als Dienstleistung (Financiera de Microcréditos S.A) für die neuen Wirtschaftsakteure gegründet.
Während einer Pressekonferenz erläuterte Ayamis Lozada García, Generaldirektorin des neuen Unternehmens, dass sowohl an nichtlandwirtschaftliche Genossenschaften (CNA) und Selbständige (TCP) als auch an Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen (KKMU), Kredite in MLC (Moneda Libremente Convertible = frei konvertierbare Währungen) gewährt werden können. Immer unter der Maßgabe, dass die Kreditnehmenden in die lokalen, regionalen und nationale Wirtschaftsplanungen eingebettet sind.
Peter Knappe
CUBA LIBRE 2-2022