Irgendwann schaffen wir es nach Kuba!

Meine "Reise" begann schon 2019, als ich das erste Mal vom Proyecto Tamara Bunke hörte: Sommer, Sonne, Sozialismus – das Einzige, woran ich denken konnte. Ich hatte viele Eventualitäten bedacht, warum meine Reise nach Kuba scheitern könnte, eine weltweite Pandemie war keine davon. Aber das Leben hat ja bekanntlich seine eigenen Pläne. Wir sind nun bereits im Jahr 2021 und die Aussicht darauf, am Proyecto teilnehmen zu können, ist für uns zukünftige Bunkistas immer noch da. Also trafen wir uns mit allen, die im Herbst 2021 mit dem Proyecto aufbrechen wollen, vom 23. bis zum 25. Juli das erste Mal in Präsenz in einem Bootshaus am Altrhein.

Mit Sack und Pack im Bootshaus angekommen, breitete sich bereits eine gewisse Vertrautheit aus. Vielleicht lag es an den ganzen vorherigen Online-Treffen oder an der selben Motivation zur Teilnahme am Proyecto oder vielleicht auch an den kleinen kubanischen Flaggen, die die Gastgeber Andreas und Bärbel in die optional veganen Burger gestochen hatten. Nach und nach trafen alle Genossinnen und Genossen ein und so wurde den ganzen Abend geredet, getrunken, gegessen und gelacht – natürlich erst nach dem negativen Antigen-Test. Trotz der langen Anreise gingen die Gespräche bis nach Mitternacht. Nach der gemütlichen Runde fand sich jeder so langsam in seinem Schlafsack ein und zumindest ich war bis zum Morgengrauen damit beschäftigt, mich mit Mückenspray einzusprühen und die Mücken zu verscheuchen, aber irgendwann kam auch ich zur Ruhe.

Am nächsten Morgen begann das Frühstück um acht Uhr, aber keiner sagt einem, wie unfassbar heiß es im Zelt wird, sobald die Sonne draufscheint, also weckte mich die Hitze bereits früher.

Nach dem Frühstück begann eine ausgiebige Unterhaltung über die politische und pandemische Lage und was diese für uns Bunkistas bedeutet. Das Wohnheim der CUJAE, welches schließlich unser Zuhause auf Kuba hätte sein sollen, wird derzeit als Quarantäneaufenthaltsort und Betreuungsort für Corona-Erkrankte genutzt. Der Aufenthalt an der Universität in Havanna ist also zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen, doch die Solidarität mit dem kubanischen Volk lindert die Enttäuschung. Im Gegenteil, sie hat Vorfreude geweckt. Vorfreude darauf, die anscheinend grenzenlose Solidarität und Fürsorge der Kubanerinnen und Kubaner während der Pandemie irgendwann kennenlernen zu dürfen. "Irgendwann" ist auch das perfekte Wort in dieser Situation, denn unsere Abreise nach Kuba wurde somit auf einen unbestimmten Zeitpunkt verlegt. Nach einer ausgiebigen und ein wenig nervenzehrenden Unterhaltung über die Lage, wurde unsere Laune dann jedoch von einem großen Bottich Spaghetti mit Tomatensoße zum Mittagessen aufgehellt. Am Esstisch entstanden schnell politische Diskussionen und lehrreiche Gespräche über die gegenseitigen Erfahrungen. Die Gruppe harmonierte. Sie harmonierte so gut, dass wir uns entschlossen, ein Solibild für die Unblock-Cuba-Kampagne zu schießen (Mehr zu der Aktion unter www.unblockcuba.org), denn trotz eines komplett selbständig entwickelten Impfstoffes leidet Kuba immer noch immens unter den schon 60 Jahren andauernden Sanktionen der USA. Aber wir wollten eben nicht einfach irgendein Foto. Also zog sich jeder seine Badesachen an, stretchte nochmal eben die Arme und ab ging es mit den Flaggen auf die Paddelboote. Nach 20 Strandungen im hohen Schilf des Altrheins und Kollisionen mit anderen Booten kamen wir unter der Brücke an, auf der bereits jemand aus der Gruppe mit der Kamera griffbereit auf uns wartete. Nach langem Posieren entstand dann also das perfekte Bild für die Kampagne. Ausgelaugt, aber doch zufrieden, ruderten wir zurück. Jorgito wartete bereits auf einer großen Leinwand auf uns. Per Videochat schaltete sich der junge kubanische Journalist aus Camagüey zu uns nach Deutschland, um uns einen tieferen Einblick in die Geschehnisse auf dem Inselstaat geben zu können. Jorgito erklärte seine nichtwestliche Sicht auf die Proteste und das Vorgehen der Regierung, die wesentlich differenzierter war als die, die man aus westlichen Medien kennt. Er sieht die USA als treibende Kraft hinter den Protesten, erkennt jedoch auch Schwierigkeiten im eigenen Land an. Er zeigte uns eine neue Sicht, die so interessant war, dass das Gespräch erst nach über eineinhalb Stunden ein Ende finden konnte. So war es also Zeit fürs Abendessen. Natürlich durften die kubanischen Flaggen von Andreas und Bärbel im Essen nicht fehlen. Um den Tag voller gemischter Gefühle ausklingen zu lassen, genossen wir ein wenig typisch hessischen Apfelwein am Lagerfeuer und durften den ehemaligen Bunkistas über ihren Aufenthalt auf Kuba zuhören.

Der Sonntag – und somit auch der letzte Tag des Campingtrips – brach an und wurde nach dem Frühstück mit einem Videochat mit Ivet López, der Stellvertreterin des kubanischen Botschafters in Berlin, eingeleitet. Auch sie erklärte uns ihre Sicht auf die Proteste in Kuba und teilte die Protestierenden in drei Kategorien ein: Die erste Gruppe sind Menschen, die unzufrieden sind aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen und pandemischen Lage auf Kuba, die jedoch nicht grundlegend die sozialistische Regierung abschaffen wollen, sondern sie im Gegenteil durch die Proteste reformieren wollen. Die zweite Kategorie besteht aus Konterrevolutionär:innen, deren tatsächliches Ziel eine Abschaffung des Sozialismus ist. Ziemlich fördernd für die dritte Kategorie: Menschen die mit Geldern aus den Vereinigten Staaten finanziert werden, um an den Protesten teilzunehmen und damit den Kampf gegen den Sozialismus zu intensivieren. Durch diese Aufteilung gewinnt man eine klarere Sicht auf die Proteste, jedoch sollte man sich der Relation dieser drei Gruppen zueinander bewusst sein. Und zwar, dass die Mehrheit der ersten Kategorie angehört, anders als westliche Medien es oftmals versuchen darzustellen. Die Menschen in Kuba sind nach 60 Jahren Blockade und eingeschränkter Wirtschaft zäher als wir denken und sie sind sich der Tatsache bewusst, dass der Weg in eine bessere Welt kein leichter ist. Selbst Raúl Castro forderte mehr Kritik an der kubanischen Regierung, um ihre Politik so zugänglich und menschlich wie möglich gestalten zu können. Auf diesem revolutionären Weg, den Kuba seit 1959 geht, haben sie bewiesen, dass sie weder Imperialismus noch Kapitalismus brauchen, um ihrem Volk ein lebenswertes Leben bieten zu können und das sollten wir westliche Linke respektieren. Diesen Respekt bezeugten wir Julián, Proyecto-Koordinator an der CUJAE, indem wir ihm eine Videobotschaft schickten, in der wir unsere Solidarität und Vorfreude auszudrücken versuchten. In mehr oder weniger akzeptablem Spanisch.

So endete das Bunke-Wochenende unter dem Slogan: Irgendwann schaffen wir es nach Kuba!

CUBA LIBRE

Tina vom Projecto Tamara Bunke

CUBA LIBRE 4-2021