Intercambio zur aktuellen Situation in Kuba

Fast schon ein Termin mit Tradition: Auch am 28. Juli nutzte das Netzwerk Cuba die Gelegenheit, die aus Anlass der – wie seit vielen Jahren von Cuba Sí organisierten – Fiesta in Berlin weilenden Angehörigen von Mitglieds- und befreundeten Organisationen zu einem intercambio, einem informellen Austausch also, mit den kubanischen Gästen und Angehörigen der kubanischen Botschaft ins Karl-Liebknecht-Haus einzuladen.

Besuch bei Freunden

Besuch bei Freunden
Foto: privat



Sergio Abreu Hernández, Delgado des Instituto Cubano de Amistad con los Pueblos (ICAP/Kubanisches Institut für Völkerfreundschaft) in der Provinz Pinar del Río, und Santiago Pérez Benítez, Subdirector des Centro de Investigaciones de Política Internacional (Forschungszentrum für Internationale Politik/CIPI) in Havanna äußerten sich zunächst begeistert über das erlebte Fest, an dem wohl mehr als 2000 Besucher bei strahlendem Wetter teilnahmen, und dankten für die nicht nur dort zum Ausdruck gebrachte Solidarität mit Kuba.





Die deutsche Solidaritätsbewegung und ihre Organisationen werden in Kuba sehr geschätzt und die Fiesta mit seiner Verbindung von politischer Botschaft und Feiern sei sehr gelungen. Beide hatten Gelegenheit zu vielen individuellen Gesprächen und stellten dabei fest, wie unterschiedlich die individuellen Zugänge zum Thema Kuba sind: nostalgisch, ostalgisch, Kuba bewundernd – insbesondere seitens junger Menschen wegen seines erfolgreichen Widerstands gegen das Imperium, gerade im Kontrast zu den hier in Deutschland erlebten negativen Erfahrungen –, Kuba als Symbol für einen eigenständigen sozialistischen Weg, für die Vision: eine andere Welt ist möglich. Einige brachten auch Ideen ein, was in Kuba gemacht werden könnte, aber nie paternalistisch, sondern als Verbündete im Kampf.

Für Kuba ist Deutschland politisch und wirtschaftlich ein wichtiges Land und daher ist es auch von besonderer Bedeutung, dass die Stimme der deutschen Solidarität mit Kuba und mit anderen unter Beschuss stehenden fortschrittlichen Ländern gehört wird – hier und in Kuba, das spüren muss: Wir haben Freunde in der Welt. Daher betonten beide, wie wichtig die mediale Auswertung der Solidaritätsaktionen ist, auch in den sozialen Netzwerken, aber auch z. B. durch den Fernsehsender Cubavision internacional, der unsere Zuarbeiten gerne aufgreift.

Weitere Entwicklungsanstrengungen als Antwort auf verschärfte Blockadebedingungen

Beide äusserten sich auch zur aktuellen wirtschaftlichen Situation angesichts der verschärften, auch extraterritorialen wirkenden Blockade-Bedingungen (Aktivierung von Artikel III und IV des Helms-Burton-Gesetzes). Wie sie betonten, nicht in erster Linie als politischer Beamter oder Wissenschaftler, sondern als kubanische Bürger. Die tatsächlich sehr spürbaren Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Lebensbedingungen und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes führten nicht zu einer Katastrophenstimmung oder Panik im Lande, die von Trump angestrebte Verzweiflung sei nicht ausgebrochen, sondern man habe schon viele Präsidenten der USA überlebt, habe Vertrauen in die Perspektive des Landes und sehe sich letztlich als historische Gewinner.

Die Regierung des Landes hat gerade in dieser schwierigen Lage wichtige Verbesserungen der unmittelbaren Lebenssituation – erhebliche Einkommenssteigerungen im staatlichen Bereich, Stabilisierung der Nahrungsmittelversorgung, verstärkter Wohnungsbau – umgesetzt. Auch die rasche und konsequente Reaktion von Ministerrat und Präsident Diáz-Carnel auf die Folgen des Tornados in Havanna habe das Vertrauen in die staatlichen Institutionen gestärkt.

Bereits durch den umfassenden demokratischen Prozess zur Verabschiedung einer neuen Verfassung eingeleitet, wurde nun eine Stärkung der Partizipation auf allen Ebenen des Staats-und Wirtschaftssystems begonnen. Gegenwärtig werden die Wahlen für die neuen Staatsorgane – Trennung von Präsidentschaft und Regierung, Provinzgouverneure, größere Kompetenzen auf der Ebene von Provinz und Municipio – vorbereitet. Insgesamt ist ein höherer Grad an Konsens innerhalb der Gesellschaft spürbar. Man versteht, dass abseits der Blockade die eigenen Probleme selbst gelöst werden müssen. Dies spiegelte sich auch beim UNEAC-Kongress der Schriftsteller und Künstler wider.

Staats- und Ministerpräsident Miguel Díaz-Carnel reist kontinuierlich durch die Provinzen, Institutionen und Unternehmen und greift damit ein Prinzip von Fidel Castro auf, der ständig das unmittelbare Gespräch mit den Menschen gesucht hat. Dazu kommt heute die "gobierno electrónico", die Nutzung der Kommunikationsmedien zur Herstellung von Transparenz und zur ständigen Verbindung von Volk und Regierung.

Kuba no esta solo

Eine wichtige Rolle spielt natürlich auch die Außenpolitik, die Konsolidierung der Beziehungen zu Rußland und China, aber auch zur EU, die ihre Ablehnung des Helms-Burton-Gestzes deutlich machen- wenngleich seitens der EU bislang eher von einer Symbolpolitik geredet werden muss. Dazu kommt: von welcher Europäischen Union ist die Rede? Sie erscheint gegenwärtig geschwächt wegen ihrer inneren Spannungen, aber auch wegen ihres wenig autonomen Verhaltens den USA gegenüber. Die konkrete Zusammenarbeit mit UN- oder EU-Kommissionen ist konstruktiv. Von großer Bedeutung ist, dass die Unterstützung Kubas in aller Welt deutlich wird. Hier liegt eine wichtige Aufgabe der Solidaritätsbewegungen, ihre jeweiligen Regierungen im Sinne eines eigenständigen, konstruktiven Verhaltens zu bewegen.

Dies alles führt dazu, dass die Stimmung im Land von einem Ausspruch von Raúl Castro gekennzeichnet ist: Sí se puede! Wir schaffen das! Diáz-Carnel geht noch darüber hinaus: Man könne trotzdem vorankommen, was die Entwicklung der Wirtschaft und des Sozialismus betrifft.

Beide Kubaner haben sehr deutlich gemacht, dass die Menschen ihr Land neu denken, untereinander vernetzt kreativ die Schwierigkeiten angehen, an den jeweiligen Aufgaben z. B. der Bildung produktiver Ketten arbeiten, die eigenen Ressourcen stärker aktivieren.

Dies kann uns auch Schwung geben für unsere Aufgaben in der Soli-Bewegung und in unserem eigenen Land.

Fiesta de la Solidaridad auf youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=m_4OQ4CPYJ8

CUBA LIBRE Angelika Becker

CUBA LIBRE 4-2019