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Lesung mit Volker Hermsdorf

volker Hermsdorf Die Vorsitzende der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Petra Wegener, begrüßte am 11.10.20018 im Haus Gallus Volker Hermsdorf und etwa 50 Zuhörer sowie eine Delegation kubanischer Schriftsteller, die im Rahmen der Buchmesse nach Frankfurt gekommen waren, die Vertreterin der kubanischen Außenstelle in Bonn und einen Vertreter des Papyrossa-Verlages.

Petra Wegener stellte dem Autor zu Beginn die rhetorisch-provokante Frage, ob die Vorstellung einer Fidel-Castro-Biographie heute noch Sinn mache und ob man sie heute noch brauche. Hermsdorf führte dazu aus, dass die von ihm vorgelegte Biographie die erste und bisher einzige in Deutschland sei, die der Frage nachgehe: Was bleibt von den Ideen Fidels? Welche Bedeutung haben Fidels Denken und Wirken über seinen Tod hinaus? Eine erste Antwort dazu formulierte Hermsdorf mit der zentralen Aussage, Fidel sei in eine Reihe mit Simón Bolívar und José Martí zu stellen: Wer über diese drei spreche, rede nicht über Vergangenes, sondern über die Zukunft!


Um dies zu vertiefen, verwies Petra Wegener auf das Vorwort, in dem der Autor Fidel zusammen mit Lenin, Mao und Ho Chi Min zu den "im Hegelschen Sinne welthistorischen Individuen zählt, welche ihre Länder und die Welt nachhaltig verändert haben". Von Beginn an stellte Fidel die Ideale José Martís ins Zentrum seines politischen Denkens und Handelns: Gesundheit, Bildung, Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit als vom Staat zu garantierende Menschenrechte. Darauf bauen sich alle weiteren Axiome auf: Umweltpolitik, Nachhaltigkeit, schonender Umgang mit Ressourcen, Migration und Fluchtbewegungen – Themen und Thesen, die bis zur Gegenwart und darüber hinaus von fundamentaler Bedeutung für die menschliche Gemeinschaft sind. Fidel selbst dazu: "Ich glaube, dass mein Beitrag zur Kubanischen Revolution darin besteht, eine Synthese der Ideen Martís und des Marxismus-Leninismus zustande gebracht und sie in unserem Kampf konsequent angewandt zu haben".

Volker Hermsdorf aus seiner Fidel-Castro-Biografie

Volker Hermsdorf (oben) las vor interessiertem Publikum aus seiner Fidel-Castro-Biografie
Fotos: Privat


Fidel handelte sein ganzes Leben lang radikal und kompromisslos. Dies aber nicht, so Hermsdorf, auf Grund einer diktatorischen Gesinnung, sondern weil nur durch radikale Parteinahme für die "Verdammten dieser Erde" der herrschende Verrat an deren Lebensverhältnissen zu durchbrechen sei. Batistas Putsch 1952, der jede Hoffnung auf demokratische Veränderung in Kuba definitiv vereitelte, machte Fidel zum Revolutionär. Der Sieg der Revolution im Januar 1959 und die folgenden Ereignisse (Schweinebucht 1961, Raketenkrise 1962) veränderten Fidels Bewusstsein. In Reaktion auf die weltweiten Widersprüche wurde er zum Sozialisten. Als solcher verfolgte er konsequent die Realisierung der Ideale José Martís durch politische Praxis.



Das kleine sozialistische Kuba vollbringt unglaubliche Leistungen bezüglich der ideellen und materiellen Solidarität mit den armen Ländern dieser Welt, obwohl es durch diese Politik den imperialistischen Ländern zum Feind wird und von den USA mit einer fast vollständigen Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade "bestraft" wird. Die Kuba zugefügten Schäden gehen in hunderte von Milliarden Dollar, aber die Intension der Imperialisten, Kuba zu isolieren und das kubanische Volk durch erzwungenen Mangel zum Aufstand gegen die Regierung zu bringen, verkehrte sich ins Gegenteil. Historisch verläuft die Entwicklung dialektisch: Volk und Regierung bilden eine immer stärkere Einheit im Inneren, und im Äußeren schart sich die Mehrheit der Völker, sichtbar z. B. bei der jährlichen UN-Abstimmung über die völkerrechtswidrige US-Blockade, um das revolutionäre Kuba.

Fidels großes Thema wurde der Kampf um den Fortbestand der Menschheit, ihre Rettung. Es ist der Kampf gegen das "der Welt aufgezwungene Wirtschaftssystem der erbarmungslosen neoliberalen Globalisierung…" Hermsdorf nennt Fidel einen globalen Architekten. Die Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre, die Überfischung und Vermüllung der Meere, das Abholzen der Wälder, die Ausbreitung der Wüsten, der unkontrollierte Einsatz von Pestiziden, die Erosion fruchtbarer Böden, das Artensterben, das alles bestimme Fidels Bewusstsein, seine Ideen, seine Reden und sein radikales Eintreten für eine globale Architektur der Gestaltung einer besseren Zukunft für alle Völker und alle Menschen "Eine andere Welt ist möglich" – dieser Satz ist das Paradigma der Gegenwart.

In Kuba selbst finden die Forderungen der "Agenda 21" des Rio-Gipfels von 1992 mit dem Artikel 27 der Verfassung konkreten Ausdruck. Kuba wurde 2006 vom WWF zum Land mit der höchsten ökologischen Nachhaltigkeit im weltweiten Vergleich erklärt.

Das letzte Kapitel seiner Biographie über Fidel Castro überschreibt Hermsdorf als "Vermächtnis" mit der angefügten Frage: Was bleibt? Am 25. November 2016 starb Fidel Castro im Alter von 90 Jahren. Er hatte Zeit seines Lebens jeden Kult um seine Person abgelehnt. Das kubanische Parlament verabschiedete am 27. Dezember 2016 ein noch von ihm initiiertes Gesetz, demzufolge keine Straßen, Plätze oder öffentliche Gebäude seinen Namen tragen sollten. Seinem letzten Willen entsprechend darf es weder Denkmäler und Büsten noch Titel, Orden oder andere Auszeichnungen zu seinen Ehren geben. Raúl erklärte vor der Abstimmung im Parlament, dass die größte Ehrung für Fidel sei, sein Konzept der Revolution zu verwirklichen. Durch Fidel ist die Bewegung zur Integration und zur Einheit der lateinamerikanischen Länder trotz aller Rückschläge historisch einen großen Schritt vorangekommen. Kuba selbst – als Resultat der Arbeit und des Kampfes des ganzen kubanischen Volkes – ist heute, so Hermsdorf, Vorzeigeland in Bezug auf Nachhaltigkeit und sozialen Fortschritt. Dieses alles sind die Wurzeln, die Gründe und die Folgen der kubanischen Revolution in Gegenwart und Zukunft. Volker Hermsdorf zitiert Fidel mit der pragmatischen und programmatischen Erklärung: Nicht obwohl, sondern weil Kuba den Weg zum Sozialismus eingeschlagen habe, sei sein Land zu derartigen Leistungen fähig. Petra Wegener beendet die Veranstaltung mit einem großen Dank an Fidel und Kuba: "Gracias por tu exemplo!"

CUBA LIBRE Bune und Martin Birkle

CUBA LIBRE 1-2019