Guantánamo, Quelle: América despierta |
So hat Fidel die US-Basis in Guantanamo genannt. Bis zum Januar 2002 – als Präsident Bush den US-Marinestützpunkt Guantanamo in ein Gefangenenlager verwandelte – nahm die Welt diese US-Enklave in Kuba kaum wahr. Erst als die USA dort ihre Häftlinge unterbrachte, wurde man sich plötzlich weltweit der historischen Ungeheuerlichkeit bewusst, dass die Vereinigten Staaten, einen Teil Kubas, eines sozialistischen Landes, besetzt halten. Wie kam es dazu?
Von jeher wollten die USA sich Kuba einverleiben. Zunächst versuchten sie, den Spaniern die Insel abzukaufen. Als das nicht gelang, verfolgten sie eine andere Taktik. Als die Kubaner kurz davor waren, den Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien zu gewinnen, brachten die USA im Februar 1898 ihren eigenen Zerstörer »Maine« im Hafen von Havanna zur Explosion. Dabei kamen 266 Matrosen, die an Bord waren, ums Leben. Die Offiziere waren zu diesem Zeitpunkt alle an Land. Man schob die Schuld an der Tragödie den Spaniern in die Schuhe und hatte so den idealen Vorwand in einen Krieg einzugreifen, den diese schon fast verloren hatten. Nachdem die spanische Flotte bei ihrem Versuch, aus der Bucht von Santiago auszubrechen, von den überlegenen Seestreitkräften der USA vernichtend geschlagen worden war, kapitulierten die Spanier. Im Vertrag von Paris übergab Spanien Kuba an die Vereinigten Staaten und am 1. Januar 1899 wurde das Sternenbanner über der Morro-Festung in Havanna gehisst. Die Insel ging offiziell in den Besitz der Vereinigten Staaten über. Die militärische Besetzung begann und die kubanischen Patrioten wurden um die Früchte ihres jahrelangen verlustreichen Kampfes um die Unabhängigkeit betrogen. Jetzt konnten die USA bestimmen, wie es mit Kuba weitergehen sollte.
Im Februar 1901 reichte Senator Orville H. Platt eine Gesetzesnovelle ein, die die Beziehungen zu der neuen kubanischen Republik regeln sollte. Obwohl dieses »Admendment « unter dem Namen des Senators bekannt ist, stammt es eigentlich aus der Feder des damaligen US-Kriegsministers Elihu Root und der machte den Kubanern auch gleich deutlich: »Das diskutieren wir gar nicht, denn diese Basen sind wegen ihrer strategischen Lage von fundamentaler Wichtigkeit für die Sicherheit der Vereinigten Staaten.« Und mit der »Sicherheit der Vereinigten Staaten« ist nicht zu spaßen, davon legen auch aktuell wieder Millionen von Toten und Flüchtlingen Zeugnis ab. Das ahnte man auch schon damals in Kuba und als das Imperium das Platt-Amendment als unerlässliche Bedingung für die Beendigung der militärischen Besetzung im Jahr 1902 setzte, stimmten am 12. Juni 1901 in einer Geheimsitzung 16 der 27 anwesenden Delegierten für dessen Annahme.
Damit hatte Kuba den Vereinigten Staaten nicht nur das Recht zur Intervention zugestanden.
In einem andern Absatz heißt es: «Damit die Vereinigten Staaten in der Lage sind, die Unabhängigkeit Kubas zu erhalten und das Volk zu schützen, sowie für seine eigene Verteidigung, wird die Regierung Kubas den Vereinigten Staaten den notwendigen Grund und Boden für die Einrichtung von Kohlenbunkern oder Marinestationen an bestimmten festgelegten Punkten verkaufen.«
Zu Beginn forderten die USA von Kuba dauerhaft die Buchten von Nipe, Bahia Honda, Cienfuegos und Guantanamo. Es gelang Kuba jedoch, die territorialen Ansprüche der USA auf Guantánamo und Bahia Honda zu reduzieren und außerdem sollten sie jetzt nicht mehr territoriale Abtretungen sein, sondern »verpachtete Gebiete für einen Zeitraum, den beide Länder benötigen«.
Am 16. Februar 1903 in Havanna – und am 23. desselben Monats in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten – unterzeichnete man den Vertrag für die Verpachtung der Gebiete in Guantánamo und Bahia Honda und die US-Truppen wurden aus Kuba abgezogen. Das Kuriose daran ist, dass es sich hier nicht wirklich um einen Pachtvertrag handelt. Diese Art Dokument erfordert rechtlich eine Frist oder ein Vertragsende; da nichts dergleichen in diesem Vertrag erscheint, läuft er ohne Rechtsgültigkeit immer weiter. Er besagt, dass Kuba weiterhin die Souveränität über das Gebiet ausübt, aber dass die USA die Kontrolle und Jurisdiktion besitzen.
Neun Jahre später wurde Bahia Honda zurückgegeben, weil die USA lieber die Basis von Guantanamo ausbauen wollten. Sie umfasst 117 Quadratkilometer, von denen fast die Hälfte aus Festland und ein Viertel aus Sümpfen besteht. Die Küstenlinie beläuft sich auf etwa 17 km.
Seit 1959 weigert sich die Revolutionsregierung die monatlichen Schecks für die Pacht in Höhe von 4.085 Dollar einzulösen, um damit deutlich zu machen, dass sie diesen illegalen Vertrag nicht anerkennt.
Marinebasis, Lasterhöhle und Sprungbrett für Aggressionen
Diese Marinebasis wurde fortan zur Lasterhöhle der Korruption und des Elends für junge Frauen und Männer. Mehrere Pandemien griffen auf die in der Nähe gelegenen Siedlungen über: Sie wurde Zentrum für Glücksspiel, Prostitution, Drogensucht, Schmuggel jeglicher Art und Pädophilie.
Nie hat sie dazu gedient, die kubanische Unabhängigkeit zu bewahren oder das Volk zu schützen, wie es im Platt-Amendment heißt. Sie war vielmehr von Beginn an »ein Sprungbrett für Aggressionen«. Immer wurden, wenn es zu Aufständen kam, oft Tausende von Marines ins Innere des Landes geschickt,um US-Eigentum zu schützen.
Seit dem Sieg der Revolution im Jahr 1959 war die Basis Ausgangspunkt von Provokationen und Aggressionen, die sowohl von den Truppen der Enklave selbst ausgingen, als auch von Konterrevolutionären, die dort Zuflucht suchten. 1961 schlug das Personal der Basis einen kubanischen Arbeiter tot und kurze Zeit später wurde ein einfacher Fischer entführt, gefoltert und schließlich umgebracht. Zwischen 1964 und 1966 wurden zwei kubanische Soldaten durch Schüsse getötet, die von der US-Basis abgefeuert wurden. Es kam fortgesetzt zu Verletzungen des kubanischen Hoheitsgebiets. Außerdem waren die Grenzsoldaten dauernden Provokationen wie Schüssen, Steinwürfen und Beleidigungen ausgesetzt. Die dort stationierten kubanischen Soldatinnen und Soldaten werden besonders psychologisch vorbereitet, um den andauernden Provokationen professionell zu begegnen, ohne Schaden zu nehmen.
Dieses US-Enklave auf kubanischem Territorium bedurfte besonders strenger Bewachung, da die kubanische Regierung immer fürchten musste, dass von dort Vorwände geschaffen würden, die den USA die Rechtfertigung für eine Invasion der Insel liefern würden. In den Northwood Papers – einem Aktionspapier der US-Generäle – taucht denn auch immer der Name Guantanamo auf. So wird »eine Reihe von gut koordinierten Zwischenfällen« um die Marinebasis herum vorgeschlagen. Dazu gehört, US-freundliche Kubaner in kubanische Militäruniformen zu stecken und sie »einen Aufruhr neben dem Haupteingang zur Basis machen lassen«. Andere sollen vorgeben, Sabotage im Innern der Basis zu begehen, Feuer anzuzünden und Granaten zu werfen. Als absoluter Coup schwebte damals General Lemnitzer vor, ein US-Schiff in der Bucht von Guantanamo zur Explosion zu bringen und Kuba die Schuld dafür zu geben. Eine entsprechende Liste mit Opfern würde dabei helfen, eine Welle nationaler Entrüstung hervorzurufen. Eine Neuauflage der »Maine« – Sabotage, die damals als Vorwand für den Kriegseintritt der USA in den Kubanischen Unabhängigkeitskrieg diente, sollte wiederum den USA als Vorwand herhalten, um Kuba den Krieg zu erklären.
Die Marinebasis wird Folterzentrum
Guantánamo, Foto: TV Yumuri |
Seit US-Präsident Bush aus der Marinebasis Guantanamo ein Militärgefängnis und ein Folterzentrum gemacht hat, in dem zeitweise bis zu 680 Menschen ohne Anklage – manche von ihnen jahrzehntelang – festgehalten und gefoltert wurden, kennt jeder diesen Ort.
Viele haben sich gefragt, warum die USA von ihren Hunderten von Militärbasen in aller Welt ausgerechnet die in Kuba für dieses völkerrechtswidrige Gefangenenlager ausgewählt haben. Die Antwort darauf liegt im Vertrag über die Verpachtung Guantanamos. Darin steht, dass Kuba das Hoheitsrecht über den Stützpunkt hat, die USA aber über die gerichtliche Zuständigkeit und die totale Kontrolle verfügen. Guantánamo ist in diesem Sinne einzigartig. Die USA haben keinen anderen Stützpunkt in der Welt, auf dem sie eine derartig vollständige und ungehinderte Macht besitzen, ohne gleichzeitig das Hoheitsrecht innezuhaben. Diese Unterscheidung diente den USA als Argument dafür, dass die US-Gerichte keine Gerichtsbarkeit über die Handlungen der Exekutive in Guantánamo hätten.
Dieses Konzentrationslager auf kubanischem Boden verletzt aber nicht nur das Völkerrecht, sondern auch den eigenen "Pachtvertrag", der eine Nutzung des Gebietes als Gefängnis nicht vorsieht.
Yankis raus aus Guantanamo
So würden wir auf unseren Demonstrationen skandieren, aber bis zur Revolution hat im 20. Jahrhundert hat nur die sogenannte »Regierung der 100 Tage« es gewagt, gegen Washington und das Platt–Amendment aufzubegehren. Obwohl die USA entscheidend zum Fall dieser Regierung beitrug, begriff man dort, dass es besser sei, diese Novelle durch neue neo-koloniale Mechanismen zu ersetzen und das »Platt-Amendment« wurde am 29. Mai 1934 abgeschafft.
Aber das Bestehen der Marinebasis von Guantanamo wurde bestätigt, ohne dass ein Datum für das Ende der Besetzung festgelegt worden wäre.
Seit der Revolution hat die kubanische Regierung immer wieder betont, dass sie keinerlei Verhandlungen über das widerrechtlich von den USA besetzte Gebiet in Guantanamo akzeptieren würde. Für Kuba kommt einzig und allein der bedingungslose Rückzug der ausländischen Truppen, die sich dort gegen den Willen des kubanischen Volkes befinden, in Frage.
Allerdings hat Kuba auch immer deutlich gemacht, dass es seine legitimen Rechte nicht mit Gewalt durchsetzen werde, sondern geduldig darauf warte, bis sich die Gerechtigkeit früher oder später durchsetze.
Seinen Rechtsanspruch vor internationalen Gerichten einzufordern, wäre bei allen Rechtsbrüchen, die im Zusammenhang mit diesem Vertrag begangen wurden, zweifelsohne von Erfolg gekrönt. Aber was würde das bringen? »Die USA sind das mächtigste Land der Welt. Punkt« , wie Obama in seiner letzten Botschaft über die Lage der Nation noch einmal betont hat. Sie bestimmen, was Recht ist und wie die Geschichte zeigt, haben sie Urteile Internationaler Gremien noch nie interessiert.
Nach dem 17. Dezember 2014 ist Guantanamo aber wieder zu einem Dauerthema in den Gesprächen Kubas mit den Vereinigten Staaten geworden. Der kubanische Präsident Raúl Castro hat auch beim III. CELAC-Gipfel wieder betont: »Die Wiederaufnahme der bilateralen Beziehungen ist der Beginn eines Prozesses hin zu einer Normalisierung. Aber diese wird nicht möglich sein, solange der Blockade anhält und solange das widerrechtlich durch die Marinebasis von Guantanamo besetzte Gebiet nicht zurückgegeben worden ist.(…) Wenn diese Probleme nicht gelöst werden, hat die diplomatische Annäherung zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten keinen Sinn.«
Weder die Blockade noch Guantanamo stehen also als Verhandlungsmasse bei den Gesprächen zur Verfügung.
Nach Auffassung Thomas Wilner, einem bedeutenden US-Anwalt, könnte der Präsident Guantanamo ohne Zustimmung des Kongresses an Kuba zurückzugeben. Guantanamo ist zu einem Schandfleck für die USA geworden. Obama hat versprochen, das Lager zu schließen. Das Versprechen hat er nicht gehalten. Die US-Marinebasis Guantanamo wird immer für Unrecht, Folter und Barbarei stehen. Wenn Obama das Territorium an Kuba zurückgeben würde, hätte dieses für die USA so schändliche Kapitel ein positives Ende. Schließlich hat Präsident Carter seinerzeit auch die Kanalzone an Panama zurückgegeben.
Renate Fausten
CUBA LIBRE 2-2016