Als Brigadista ein Teil der Revolution werden

Ein Erfahrungsbericht von Marcus Küster

»Hasta la Victoria Siempre«: Als Che diesen Wahlspruch prägte, hat er sicherlich auch darauf hin gedeutet, dass mit dem Triumph zum Jahreswechsel 1958/59 die Revolution noch nicht vorbei ist. Selbst wenn die Anfeindungen gegen den kubanischen Weg aufhören würden, gäbe es wohl noch genug zu tun: Ideelle Überzeugungsarbeit nach außen und die heranwachsenden kubanischen Generationen zu sozial denkenden Menschen zu erziehen.

Brigade José Martí 2014

Solange die subversiven Aggressionen gegen das kubanische System noch andauern, ist das Leben in diesem System selbst die Revolution. Die Menschen in Kuba leiden unter den Diffamierungen und der Blockade seitens der USA und es ist großartig, wie sie dennoch ihren Weg weiter gehen und obendrein auch noch andere Länder unterstützen.

Ursprung der Brigadeidee

Comandante Fidel selbst hatte die Idee, etwas zu organisieren, damit Menschen aus anderen Ländern die Möglichkeit gegeben wird, den kubanischen Weg näher kennen zu lernen, sich auszutauschen, und ihre Solidarität auszudrücken. So entstanden die Brigaden, die auf dem Campamento »Antonio Mella« nahe dem kleinen Dorf Guayabal ca. 40 km entfernt von Havanna durchgeführt werden.

Bei Recherchen zur Vorbereitung einer Reise nach Kuba stieß ich auf die Website des »Instituto Cubano de Amistad con los Pueblos« ( ICAP ) und so auf die Möglichkeit der Teilnahme an einer Brigade. Von der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba und dem Netzwerk Cuba hatte ich bis dahin noch nichts gehört. Das Konzept aus einer Mischung zwischen Feldarbeit, Informationsveranstaltungen und das Kennenlernen des Lebens in Kuba erschien mir interessant. Ich habe nicht lange gefackelt und habe mich angemeldet. Nach einem Vorbereitungstreffen in Nürnberg waren wir mit sieben deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei der Brigade 2012 dabei.

Um es vorweg zu nehmen: Ich habe es nicht bereut und bin 2014 ein zweites Mal mitgefahren. Diesmal waren wir vier Personen in der deutschen Gruppe.

Die Arbeit auf dem Feld

Brigade Jose Marti 2014 Brigade Jose Marti 2014

Morgens um 5.45 Uhr werden die Geräusche der tropischen Nacht, das Zirpen der Zikaden, das Rascheln der nachtaktiven Tiere und die Rufe der Vögel unterbrochen: Aus den Lautsprechern des Campamentos ertönen die schönen zugleich ernsten und romantischen Revolutionslieder wie »Guantanamera « oder »La Victoria« von Sara Gonzales.

Ich habe es vorgezogen, anstatt im Bett der 6-Personen-Unterkunft zu schlafen, mich in meiner Hängematte bei dem nächtlichen Naturschauspiel vor der Kulisse aus Palmenschatten und Sternenhimmel in den Schlaf zu schaukeln. Nachdem die morgendliche Hitliste bei Pablo Milanes »Yolanda« angekommen ist, wird es Zeit, sich zu erheben. Nach dem Frühstück und der Arbeitseinteilung geht es aufs Feld. Entweder zu Fuß oder auf dem Anhänger des Traktors.

Am eigenen Leibe zu spüren, was für einer Anstrengung es bedarf, durch reine Handarbeit bei knallender Sonne und Hitze ein Feld zu beackern, mit der Machete auf der Bananenplantage zu arbeiten oder mit der Hacke den Boden umzuwühlen, ist eine gute Erfahrung. Die körperliche Arbeit, die Nähe zur Natur, das Schwitzen und das Leben an der frischen Luft sind erholsam.

Man bekommt Respekt vor den Kubanerinnen und Kubanern, die das jeden Tag tun. Beeindruckend, wie ein 73-jähriger Mitarbeiter mich, durchaus trainierten Endvierziger, bei der Arbeit mit der Machete um Längen hinter sich lässt.

Aber die Feldarbeit ist nur ein kleiner Teil – aus meiner Sicht vielleicht ein wenig zu kleiner Teil – der Brigade.

Begegnungen

Bei Begegnungen mit anderen Brigadistas aus vielen europäischen Ländern und aus Puerto Rico sowie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Campamentos finden sich immer Menschen mit denen man sich gut versteht und viel Spaß haben kann.

Beim Freundschaftslauf, der während der Brigade zwischen dem Campamento und dem benachbartem Dorf Guayabal stattfindet, kann man kubanische Sportgrößen wie Olympia-Medaillengewinnerinnen und Gewinner in Judo und Boxen sowie andere Athletinnen und Athleten kennen lernen.

Es können Vorträge gehört werden, die z.B. von Personen aus der Regierung, aus dem Gesundheitswesen oder von Professorinnen und Professoren kubanischer Universitäten gehalten werden. Besonders beeindruckend für mich war es, einen Doppelagenten zu erleben, der von der USA angeworben wurde, um für die CIA zu arbeiten, dann aber den Spieß herumgedreht hat und für seine Heimat Kuba ermittelt hat. Ein Höhepunkt war der Besuch von den Familienangehörigen der Cuban 5 im Campamento und in diesem Jahr sogar der des frei gelassenen Helden Fernando Gonzalez. Auch unter den ganz »normalen« Kubanerinnen und Kubanern findet man immer interessante Zeugen der Zeitgeschichte wie z.B. Veteranen und Veteraninnen des Angolakriegs und sogar einen der letzten acht noch lebenden Guerilleros aus der Kolonne von Camillo Cinfuegos.

Die Fiestas

Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Brigade. Hier kommen teilweise Livegruppen ins Campamento, die Salsa und andere afrokubanische Musik spielen, oder Gruppen aus den umliegenden CDRs (Comités de Defensa de la Revolutión), die Tanzshows in einer Professionalität darbieten, die sich sehen lassen kann.

Die Brigade besucht auch die CDRs in deren Wohnvierteln, wo dann ebenfalls Party angesagt ist. Salsa verbindet die Generationen. Buchstäblich von Kindesbeinen an und bis ins Greisenalter hinein wird getanzt. 30 °C warme Nächte und hohe Luftfeuchtigkeit bilden das richtige Klima, um abzuhotten. Alle sind klatschnass vom Schweiß und keiner stört sich dran. Wer also Salsa tanzen kann, ist klar im Vorteil. Wer es nicht kann, hat spätestens dort die Gelegenheit, es quasi aus erster Hand zu lernen. Die Beweglichkeit, Körperkontrolle, Kraft und Rhythmusgefühl der Kubanerinnen und Kubaner ist ein Erlebnis. Für mich als Kampfsportler ein Eldorado. Auf Anfrage habe ich eine kleine Gruppe aufgemacht, in der wir Karate trainiert haben. Mit dabei war eine liebenswürdige junge Dame, Sonia, die im Internetraum des Campamentos gearbeitet hat und sehr viel Spaß am Karate hatte. Leider ist sie während der Brigade 2014 mit 37 Jahren an Blutkrebs gestorben. Einige Leute vom Campamento haben mich zur Trauerfeier nach Caimito mitgenommen. Die Familie und ca. 120 Menschen aus dem Dorf waren versammelt. Auf dem schlichten Sarg liegt ein Bild der Verstorbenen. Für einen Augenblick habe ich das Gefühl, als hätte mich irgendetwas zum zweiten Mal zur Brigade getrieben, nur damit ich hier dabei sein kann.

Exkursionen

Die Organisatoren der Brigade geben sich sehr viel Mühe, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch außerhalb des Campamentos Stätten der kubanischen Kultur und der Revolution nahe zu bringen. Dazu gehört z.B. ein Besuch im Museum der Revolution oder im berühmten Ballett von Havanna, die Besichtigung einer Zigarrenfabrik, eines Kindergartens oder eines Gehörlosenzentrums etc. Auf den Pfaden von Fidel, Che, Camillo und den anderen Guerillas wandelten wir in den Höhlen von Pinar del Rio, in Santa Clara und Yaguajay. Die geballten Eindrücke hier wiederzugeben, ist unmöglich. An allen diesen Orten wurden wir hervorragend informiert, von Zeitzeugen oder Menschen die sich wissenschaftlich mit der Revolution auseinander setzen.

Wieder zuhause

Wenn man sich über das Thema Kuba mit Deutschen unterhält, die ihr Wissen aus den allgemein üblichen Medien beziehen, bin ich oft auf Fragen und Aussagen gestoßen wie: »Durftest Du dich denn dort frei bewegen?« »Haben die nicht versucht, Dich mit ihrer Propaganda zu beeinflussen?« »Dort herrscht doch eine kommunistische Diktatur.« «Ach ja Kuba öffnet sich ja jetzt langsam.«

Es ist frappierend, wie erfolgreich die Einflussnahme auf das Denken und die Meinungsbildung der Menschen funktioniert. Die Ironie dabei ist, dass die Leute, die oben genannte Meinungen vertreten, selber die Opfer der antikubanischen Propaganda sind. Ein System außerhalb der »freien Marktwirtschaft« wird per se zum Scheitern verurteilt und wenn man eine andere Meinung vertritt, erregt es die Gemüter.

Mehr als Argumente kann es nützen, wenn man schlicht und einfach sagen kann: »Ich war in einer Brigade in Kuba.« Dabei erntet man Erstaunen, Neugier sowie eine gewisse Akzeptanz. Dann bietet sich die Möglichkeit, das falsch verbreitete Bild von Kuba etwas richtig zu rücken und so einen kleinen Beitrag zur Revolution zu leisten.

CUBA LIBRE Marcus Küster

CUBA LIBRE 1-2015