Sommer, Sonne, Sozialismus ?
Ein Reisebericht über die Republik Cuba - 3. Teil

Nun denn, möge es ihnen gelingen. Wir machten uns Tags darauf auf den langen Weg nach Santa Clara. Zwischendurch waren wir einige Zeit in der Kleinstadt Placeta unterwegs. Hier, etwas auf dem Land, waren die Menschen noch nicht so sehr vom Tourismus »beansprucht« (fast könnte man sagen verdorben) wie in Havanna. Man bekam schon mit ein paar Brocken Spanisch eine freundliche Antwort und die Händler auf den Märkten gaben lieber zu viel als zu wenig fürs Geld. Überhaupt sind die Leute auf dem Land wesentlich offenherziger und ehrlicher als in den Metropolen. Charakteristisch für cubanische Städte ist dabei der im kolonialen Stil gehaltene Stadtpark, ein Quadrat in der Mitte der Stadt, auf dem oftmals eine Statue von José Martí steht. An den Häusern dahinter findet sich dann meist noch ein riesiges Plakat mit einem Zitat von Che Guevara. Dort kann man dann Nachmittags alte Männer auf den Bänken beobachten, die Zeitung oder ein Buch lesen oder einfach nur den Pioniergruppen zusehen, die dann oft in der Stadt unterwegs sind.

In Santa Clara schließlich besichtigten wir das Mausoleum von Che Guevara. Eine gespenstische Stille umgab den riesigen Platz vor dem Denkmal, die nur durch das von großen Stadiumslautsprechern wiedergegebene Lied »Commandante Che Guevara« durchbrochen wurde. Das Denkmal selbst war phänomenal, einem großen Mann wie Ernesto absolut würdig. Im inneren befand sich das (kostenlose) Museum und gegenüber die Grabkammer des Che, wo auch die Urnen seiner Kampfgefährten aus Bolivien zu finden waren. Man achtete streng darauf, dass nirgends photographiert wurde. Als wir uns wieder zurück zum Auto begaben, durchbrach plötzlich ein heftiges Tropengewitter die Ruhe. Es schüttete wie aus Eimern und der Wind warf einige Palmen auf die Straße, wie wir später bemerkten. Uns blieb nichts übrig, als im Auto zu warten.

Tags darauf gingen wir für einige Tage nach Cienfuegos. Die meiste Zeit verbrachten wir dort am Strand, den wir uns mit den Cubanern teilten. Denn in Cuba sind seit der Revolution alle Strände, ebenso wie die Fabriken, Grundstücke, etc. volkseigen. Es gibt keinen Strand, der explizit für Touristen wäre, so dass man oft einen geparkten Lada und eine cubanische Familie am Strand beim baden beobachten kann. Wir trafen dort auf drei Arbeiter aus Cienfuegos. Ich nutzte natürlich die Gelegenheit um wieder etwas mehr über die Situation in Cuba zu erfahren, denn alle drei sprachen einigermaßen Englisch. Eric beispielsweise, war Busfahrer. Sein Lohn beträgt etwa 400 Peso National und einige CUC pro Monat. Zwar kann man sich dank Preisen wie 7 Peso pro Zigarettenschachtel, 1 Peso für Kino bzw. Theatereintritt und 5 Peso für ein Eis doch einiges kaufen, alle Luxusgüter sind jedoch nur in CUC zu bezahlen, an denen es stets mangelt. (1€ = 24 CUC). Er beschwert sich über die Doppelwährung: »Seit wir die Doppelwährung haben, also seit der Sonderperiode, können wir uns nichts mehr kaufen. Das Geld ist äußerst knapp und es reicht gerade für das nötigste.«

Auch sein Freund José, ein Fabrikarbeiter, sieht das ähnlich: »Es ist schon schwer, wenn man eine Familie hat in Cuba. Man muss hart arbeiten, aber letzten Endes kommt doch nichts dabei heraus. Und die Rationen auf der Libretta sind viel zu wenig, es reicht hinten und vorne nicht.«
Er fährt fort: »Meine kleine Tochter kriegt für die Schule viel vom Staat gezahlt, aber es ist halt doch nicht genug. Manchmal reicht es nicht einmal mehr für neue Klamotten oder Seife. Aber so ist es nunmal bei uns. Früher war das anders, aber heute ist es nicht mehr so wie damals.«
»Und woran liegts?«, frage ich. Eric antwortet mir: »Das ist die Sonderperiode. Und auch ganz oben in der Partei gibt es viel Korruption. Da gibt es einige Funktionäre die das Material nur für sich verwenden und verkaufen, was für die Renovation der Städte geplant ist.«
José unterbricht ihn: »Wobei hier in Cienfuegos nach dem Hurrican gleich Eingaben geschrieben wurden, und dann wurde auch alles repariert.« Eric fährt fort: »Ja, hier schon, aber nicht überall ging das gut. Jedenfalls läuft einiges schief und es ist nicht leicht hier zu leben.« - »Naja«, frage ich, »und was ist mit Fidel? Was haltet ihr von dem?« José meint: »Fidel ist gut, wir Cubaner lieben Fidel. Aber Fidel ist nicht überall. Er hat viele Minister, und die sind nicht alle so gut.« Eric pflichtet ihm bei: »Fidel ist ein guter Mann, aber da oben gibt es viele die das ausnutzen. Und auch Raúl ist nicht der beste, er kommt dafür zu sehr aus dem Militärischen.« - »Und was wollt ihr, was ist die Alternative? Zurück zum Kapitalismus?« - »Nein!« meint José »Ich bin Kommunist, und ich stehe zu unserem System hier. Auch wenn einiges schief läuft, letzten Endes bleibt uns nichts anderes übrig.« Eric pflichtet ihm bei: »Absolut, niemand will hier wieder zurück zum Kapitalismus. Der Sozialismus ist für uns hier das beste. Im Kapitalismus würden wir verhungern, wie in Haiti.« - »Ihr seid also Kommunisten?« frage ich. Alle drei nicken mit einem stolzen Lächeln im Gesicht. »Und die Demokratie in Cuba, wie seht ihr das, bei uns heißt es, Cuba sei eine Diktatur. Wie erlebt ihr das?« Eric antwortet: »Die Wahlen hier sind echt. Und auch sonst können wir durch die CDR großen Einfluss nehmen. Ich habe das sichere Gefühl, dass man hier als Arbeiter was zu sagen hat und ernst genommen wird. Man kann hier viel mitbestimmen, auch als einfacher Mann.«
José pflichtet ihm bei: »Demokratie? Auf jeden Fall. Man muss sich gut überlegen wen man wählt, sonst hat man, bis man ihn abberufen hat, einige Zeit den falschen am Hals.« José lacht. Sein Gesicht drückt etwas zuversichtliches aus: »Hier in Cuba hat das Volk das sagen, auch wenn das Leben schwer ist.« Abschließend zitiere ich noch ein Schild, dass ich am Straßenrand las: »Con Fidel y Raúl - Venceremos!« - »Mit Fidel und Raul werden wir siegen!« Die drei Arbeiter zeigen sich sichtlich erfreut. Selbst der dritte im Bunde, der kein Englisch kann und bisher nur freundlich nickte, sagt jetzt laut: »Si! Venceremos! Con Fidel!«

Mit diesen Worten verabschiede ich mich dann auch von den Dreien, denn schon bald geht es für uns weiter nach Trinidad. Dort angekommen treffe ich zum ersten mal einige Pioniere die etwas Englisch können. Der Junge war gerade einmal 10 Jahre alt, sein Englisch war dafür aber bemerkenswert gut. Er lernt es seit 3 Jahren. Bei den Pionieren gefällt es ihm sehr gut, vor allem dass er alles bei den Ausflügen vom Staat bezahlt bekommt. »Meine Eltern haben nicht so viel Geld.« sagt er, doch die Schule macht ihm Spaß: »Nachmittags machen wir oft noch andere Sachen, z.B. Brot backen oder etwas basteln.« Wir verabschieden uns, wie es bei den Pionieren in Cuba so üblich ist: »¡Seremos como el Che!« - Wir wollen so sein wie Che! Der Junge schien überrascht, aber strahlte übers ganze Gesicht. Auch zum Thema Religionsfreiheit machte ich eine überraschende Entdeckung: Eine alte Zeugin Jehovas, Bibliotheksangestellte, saß dort in aller Öffentlichkeit auf dem Stuhl und liest »Erwachet«. Während der deutsche Philister schon das heranstürmen der Polizei erwartet, sitzt sie dort in aller Ruhe in der Bibliothek, liest, hält sich keineswegs versteckt und niemand schenkt ihr deswegen größere Beachtung.

Auf dem Weg von Trinidad nach Santa Maria, einem kleinen Ort an der Küste, nördlich von Havanna, fallen mir, als wir auf der sowjetischen Autobahn unterwegs sind, die Schilder der Energierevolution auf. Ich erfuhr erst im Nachhinein was es genau damit auf sich hat: Die grundlegende Umstellung auf Energiesparlampen, weniger Stromverbrauch und eine ökologischere Energieerzeugung in ganz Cuba durch neue Wind- und Solarkraftwerke. Eine sehr feine Sache, die auf dem Land schon erste Früchte trägt, dort konnte ich nämlich auf vielen Dächern die Montage von Solarzellen beobachten.

Angekommen in Santa Maria, nehmen wir noch den bestellten Rum und die Cigarren entgegen und besuchen Lazaro in seinem Büro. Dort benutzt man übrigens vornehmlich Linux auf den Computern. Doch das war auch gleichzeitig der letzte Tag, kurz darauf fuhren wir wieder zum Flughafen »José Martí«. Einen letzten Blick noch, und schon bald verschwand die kleine Insel aus den Fenstern des Flugzeugs. Eine kleine Insel, die mich mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Denn einerseits sehen wir stabile Versorgungssituation, eine partizipierte, gebildete Bevölkerung, ein hervorragendes Gesundheits- und Bildungssystem, eine entwickelte sozialistische Gesellschaft und eine hochentwickelte Demokratie die der unsrigen Haushoch überlegen ist. Und dennoch: Die wirtschaftlichen Probleme sind gravierend. Die Cubaner führen ein hartes Leben, auch wenn es wohl leichter als das vieler anderer Menschen in den Entwicklungsländern sein dürfte, ist es doch sehr entbehrungsreich. Es mangelt an vielem und das Embargo verschärft diese Probleme noch weiter. Es ist leicht, unter diesen Umständen gegen Cuba zu sein, zu sagen »Guck doch mal, wie die Leben und schau mal was wir hier alles haben.« Das ist der leichteste Weg, der ganz vergisst, dass Cuba nicht Deutschland, die Karibik nicht Mitteleuropa und das Embargo nicht die EU ist. Und es ist auch sehr leicht, Fidel Castro und den Sozialismus zu verurteilen, wenn man seine Informationen ausschließlich aus unseren tendenziösen Medien bezieht, die ein ganz klares Interesse an der Dämonisierung des Sozialismus im allgemeinen und Cubas im besonderen haben. Viel schwieriger ist es, selbst dort hinzufahren, die Leute kennen zu lernen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ich habe dies getan und ich habe größten Respekt gewonnen vor dem cubanischen Volk und seiner Geschichte. Ich habe gesehen, dass Sozialismus und Demokratie zusammengehören, trotz aller Probleme. Und ich kann den Cubanern für ihre Zukunft nur wünschen, dass sie weiterhin das kleine gallische Dorf bleiben, sie sich treu bleiben, ihren Werten und Idealen verbunden, die wirtschaftlichen Probleme lösen können und die Revolution noch weitere 50 Jahre den Frieden und den Sozialismus sichern wird. Trotz Embargo, trotz CIA, trotz USA, und trotz unserer Medien, die nicht Müde werden, das Schreckgespenst vom »bösen Sozialismus« an die Wand zu malen, sobald der Name Cuba fällt.

Logo CUBA LIBRE Marcel Kunzmann

CUBA LIBRE 1-2010

Teil 1, CUBA LIBRE 3-2009
Teil 2, CUBA LIBRE 4-2009
Teil 3, CUBA LIBRE 1-2010