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Unsere Kultur
Freche, wilde und kämpferische Töne auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz: Ohne eigene Kultur sind
grundsätzliche Veränderungen nicht möglich
Die Rosa-Luxemburg-Konferenz ist gleichermaßen Kultur- wie Politikveranstaltung. Selbst bei den
Besuchern hat sich eine Kultur des aktiven Mitwirkens am Gesamtkunstwerk entwickelt. Die Konferenz hat
aber auch im landläufigen Sinne viel Kultur zu bieten. So wird der Chor der Sozialdemokratischen
Führung das »Klagelied der Parteiführung« vortragen – ein Auszug aus dem aktuellen Stück
»Rosa« des legendären Berliner Grips-Theaters, das sich mit der Biographie Rosa Luxemburgs
beschäftigt. Vor allem die letzten Momente ihres Lebens hat der Kölner Regisseur und Autor Klaus
Gietinger untersucht. Und findet klare Worte für das, was genau vor 90 Jahren stattgefunden hat:
»Lizenz zum Morden – das Duo Waldemar Pabst und Gustav Noske« hat er seinen Vortrag benannt, mit dem die
Konferenz um 11 Uhr eröffnet wird. Der Regisseur Hans-Peter Weymar stellt Ausschnitte aus
»Kubanische Träume« vor: ein Film, der sich anläßlich der Feierlichkeiten zum 50.
Jahrestag der Kubanischen Revolution mit kubanischen Realitäten und Hoffnungen beschäftigt.
Die Mischung von politischen und kulturellen Vorträgen und Gesprächen ist ein bewährtes
Konzept der Rosa-Luxemburg-Konferenz und mitverantwortlich für ihren großen Erfolg. Bei der
Konferenz wird es zudem ein außergewöhnliches Abendkonzert geben, das dem 90. Jahrestag der
Ermordung von Rosa Luxemburg und dem 50. der kubanischen Revolution gewidmet sein wird. Rosa Luxemburg wie
die kubanischen Genossinnen und Genossen stehen für Standhaftigkeit und Konsequenz – auch unter
härtesten Bedingungen. Eine Welt jenseits kapitalistischer Verwertungslogik ist nicht nur ein Traum.
Und seine Realisierung ist durch Mord und Wirtschaftskrieg, Verleumdung und Erpressung zwar zu erschweren
– aber nicht zu verhindern. Ohne eigene Kultur sind grundsätzliche Veränderungen aber nicht
möglich. Um solche Kultur geht es an diesem Abend: Kultur, die sich den hiesigen Marktgesetzen
verweigert, die Vorbote kommender oder Ausdruck bereits vollzogener Veränderungen ist. Für
letzteres stehen Vicente Feliú und José Andres Ordas Aguilera aus Kuba. Sie gehören zur ersten
Generation von Kulturschaffenden, die ihre Kunst unter neuen gesellschaftlichen Verhältnissen
entwickelt und mit der Nuvea Trova Cubana eine eigene Musikrichtung geprägt haben. Für ersteres
steht die Gruppe ewo2 (kleines elektronisches Weltorchester) um den Mannheimer Liedermacher Bernd
Köhler. Sie werden einige Stücke aus ihrer aktuellen CD »avanti popolo« präsentieren –
bekannte internationale Arbeiterlieder, neu arrangiert und deshalb voller Überraschungen. Das Konzert
wird im großen Saal der Urania stattfinden und der Höhepunkt der Konferenz sein.
Irgendwann darf dann aber auch dieser Kongreß tanzen: Ab 22 Uhr wird im Loft der Urania die Berliner
Band Cool Breeze ihre Forderung nach »Afroskalypso Now!« in die Welt blasen. Eine Band wie die junge Welt
und wie die Konferenz: Scharfe, freche, wilde, präzise und kämpferische Töne. Und das alles
mit viel Vergnügen, gleichermaßen für jung und alt. Wo gibt es sowas ein zweites Mal?
Dietmar Koschmieder
Junge Welt, 13.12.2008
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