Über den akademischen Austausch deutscher und kubanischer Wissenschaftler.
Fidel Castro äußerte sich skeptisch über den Hochschulaustausch:
" … das Letzte in der Welt, das sie tun werden, ist es, uns Professoren der Kybernetik, der Computer-Wissenschaften oder aus technologischen Bereichen zu senden, die in keinem Zusammenhang stehen mit Ideologie und die dem Land von einigem Nutzen sein könnten." Gilt das, was er 1995 über US-amerikanische Hochschulen sagte*, auch hierzulande und heute noch? Die Soli-Bewegung diskutiert darüber.
Der akademische Austausch hat sich in den letzten Jahren sehr entwickelt. Jährlich wird der akademische Austausch von derzeit ca. 300 Personen aus Deutschland und Kuba durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert. Welche Optionen es gibt, um im Partnerland zu studieren, lehren oder zu forschen, hat Ulrike Dorfmüller, die lange Jahre für den Dienst in Havanna gearbeitet hat, zusammengetragen.**
Kuba hat kaum Rohstoffe, sein "Kapital" ist das Wissen seiner Gesellschaft. Es braucht Knowhow auf dem Biotechnologiesektor, bei erneuerbaren Energien oder auch bei Touristik oder Logistik. Deswegen betont der Botschafter Kubas, dass ein großes Interesse auf Seiten Kubas an einer Hochschul-Zusammenarbeit besteht – und Solidaritätsgruppen wie Ecomujer praktizieren sie längst. Die Humanitäre Cuba Hilfe (HCH) zum Beispiel begleitet Studierende der Medizin von der Universität Bochum, die an einem Austauschprogramm teilnehmen und hat durchweg positive Rückmeldungen.
Wir haben mit Professor Dr. Peter Langer gesprochen, der für die langjährige Förderung der Zusammenarbeit zwischen seiner Arbeitsgruppe am Institut für Chemie an der Universität Rostock und der Universität von Granma in Bayamo im Oktober 2021 die Ehrendoktorwürde erhielt. Für ihn war die Auszeichnung eine große Ehre.
Cuba Libre: Die Ehrendoktorwürde der Universität von Granma in Kuba ist Ihnen auf Beschluss des Ministeriums für Bildung verliehen worden. Das ist eine sehr hohe Auszeichnung. Welche Bedeutung hat Ihre Zusammenarbeit mit einer kubanischen Universität gerade im Pandemiejahr 2021 für Kuba?
Die Universität von Granma in Bayamo besteht seit über 45 Jahren und bietet jungen Kubanern und Ausländern die Gelegenheit zu einem wissenschaftlichen Studium. |
Peter Langer: Der Grund für die Auszeichnung war die Ausbildung von Studierenden und die Fortbildung von Wissenschaftlern. Ich habe bei Forschungsaufenthalten viele Vorträge gehalten. Es werden aber auch kubanische Studierende in Rostock in die laufende Forschung einbezogen. Nebenbei, und nicht vorrangig für die Auszeichnung, war auch die Unterstützung beim Aufbau einer Fachbibliothek Chemie mit hierzulande nicht mehr benötigten gedruckten Zeitschriften wichtig. Wir haben 240 Kisten gepackt, das waren mehr als acht Tonnen wissenschaftliches Material für Kuba. Dazu kam die Übersendung von Materialien wie Computer, ausrangierte Laborgeräte und Beatmungsgeräte, die zu Pandemiezeiten besonders nützlich sind. Die Organisation Cuba Sí hat die Verschiffung kostenlos übernommen.
CL: Sie haben bereits 2014 die Ehrenprofessur der Universität Granma erhalten. Zugleich auch die von vielen anderen Universitäten, wo Sie Vorträge gehalten haben. Ich habe gelesen, dass der Schwerpunkt in Ihrer Arbeitsgruppe beim Institut für Chemie die Entwicklung von Substanzen ist, die gegen Krebs oder Bakterien wirken. Welche Bedeutung hat die Anwendbarkeit dieser Forschung für Länder wie Kuba?
Peter Langer: Wir forschen an neuen chemischen Substanzen und ihren Reaktionen. Es ist eine Grundlagenforschung an der Synthese von bioaktiven Molekülen und der Isolierung von Naturstoffen, die Voraussetzung für eine pharmakologische Anwendung ist. Unsere Forschung ist der erste Schritt zur Entwicklung von Medikamenten.
CL: Sie schreiben gemeinsame wissenschaftliche Artikel mit kubanischen Wissenschaftlern. Gibt es Unterschiede in der Zusammenarbeit mit Kuba gegenüber der mit deutschen Universitäten? Wie wirkt sich der finanzielle Mangel in Kuba aus? Was konnten Sie aus der Zusammenarbeit lernen?
Peter Langer: Mit deutschen Universitäten arbeiten wir vorwiegend zusammen, wenn wir Pflanzenmaterialien aus Kuba analysieren lassen. Kuba ist immer noch ein Entwicklungsland. Auch wenn es sehr gute Forscherinnen und Forscher in den Naturwissenschaften hat, braucht es mehr Hilfe. Deswegen integrieren wir an der Rostocker Universität kubanische Studierende in die laufende Forschung. Sie wenden dort neue Arbeitstechniken und moderne Forschungsverfahren an, die sie in Kuba weitergeben können. Wir arbeiten nicht an geheimen Forschungsprojekten, so dass die Wissensweitergabe unproblematisch ist. Wir sind aber realistisch und fokussieren uns für die kubanischen Studierenden auf Vorhaben, die für Kuba auch finanziell umsetzbar sind. Es kommt auch viel zurück und wir profitieren davon.
CL: Sie haben gesagt, die langjährige Zusammenarbeit habe große Bedeutung für Rostock. Was meinten Sie damit?
Peter Langer: Zwischen den Universitäten existieren langjährige traditionelle und gute zwischenmenschliche Beziehungen. Das erschöpft sich nicht in Arbeitsbeziehungen, auch auf kultureller Ebene gibt es interessante Begegnungen.
Professor Dr. Peter Langer ist Direktor des Instituts für Chemie und Leiter des Lehrstuhls für Organische Chemie der Universität Rostock. |
CL: Umwelt und Nachhaltigkeit sind wichtige Themen der Interdisziplinären Fakultät in Rostock. Themen, mit denen sich auch Kuba befasst, sind u. a. Maritime Systeme, Altern des Individuums und Gesellschaft. Wissen Sie, ob es da Kontakte zu kubanischen Universitäten gibt? Und haben Sie etwas mit dem DAAD-Projekt zum Thema Biodiversität in Santa Clara zu tun? Wer könnte Auskunft geben?
Peter Langer: Beim DAAD-Projekt zum Thema Biodiversität mit der Universität in Santa Clara waren wir als Arbeitsgruppe zwar auch involviert, aber es wird in erster Linie von Frau Prof. Dr. Bettina Eichler-Löbermann betreut. Sie ist für Pflanzenbau und Nährstoffkreisläufe zuständig. Im Bereich Agrarwissenschaften gibt es intensive Kontakte mit Kuba.
CL: Sie haben mehr als 100 Forschungsstudenten aus Entwicklungsländern der ganzen Welt ausgebildet. Merkt man den kubanischen Studierenden an, dass sie aus einem anderen gesellschaftlichen System kommen? Ist der Frauenanteil eigentlich höher?
Peter Langer: Man merkt, dass sie aus dem lateinamerikanischen Kulturkreis kommen. Sie sind angenehm und haben eine positive Ausstrahlung. Im Studienfach Chemie beträgt der Frauenanteil auch bei uns mehr als die Hälfte und ähnlich ist auch der Frauenanteil bei den kubanischen Studierenden.
CL: Gibt es in Rostock auch deutsche Studentinnen und Studenten, die in Kuba studieren? Welche Möglichkeiten gibt es da?
Peter Langer: Es gibt die üblichen Möglichkeiten für einen Forschungs- und Studienaufenthalt über den DAAD und das Ministerium für Bildung. Das Rostock International House koordiniert alle internationalen Austauschaktivitäten der Universität Rostock.
CL: Auf der Webseite findet man zur Historie, dass die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten bereits 60 Jahre andauert. Viel findet man nicht über die Zusammenarbeit zu Zeiten der DDR. Man hat wohl Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln erforscht. Sie sagten, dass diese Zusammenarbeit reaktiviert wurde. Können Sie zu dieser Reaktivierung etwas sagen und wann war das? Es gab ja 1992 die Überprüfung des Verhaltens an den Hochschulen. Was war wann in Rostock möglich und wo gab es Schwierigkeiten?
Kubanische Universitäten stehen Menschen aller Hautfarben, Arbeitern und Bauern offen. |
Peter Langer: Eine Zusammenarbeit von bereits 60 Jahren existiert zwischen den Universitäten von Rostock und von Santa Clara, der Universidad Central "Marta Abreu" da las Villas. Mit der Universität in Bayamo begann das etwas später, in den 1990er Jahren. Damals wurde die Sektion Chemie in den Fachbereich Chemie umgewandelt und in die wiedergeschaffene Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät eingegliedert. Die Zusammenarbeit mit Kuba habe ich 2004 von anderen Kollegen übernommen und seitdem stark ausgebaut. Im Studienjahr 1992/93 gab es dort 14 Professoren und Prof. Dr. Klaus Peseke, von 1994 bis 1996 Dekan, hat sich sehr um die Zusammenarbeit mit der Universität Granma in Bayamo gekümmert. Die kubanischen Wissenschaftler haben sich sehr gefreut, dass es für sie möglich war, in den schwierigen Zeiten der Sonderperiode zu Forschungsaufenthalten nach Deutschland kommen zu können. Die Universität Rostock hat das stark unterstützt. Auch der DAAD hat das sehr gefördert. Es gab keine Schwierigkeiten. Es wurde als Teil der internationalen Aufstellung und Wissenschaftsförderung angesehen. Es wurde rein wissenschaftlich und nicht politisch betrachtet.
CL: Sie haben 1993/94 ihre Diplomarbeit in Massachusetts, USA, geschrieben. Es gibt ja zurzeit eine Verschärfung der Blockade der USA gegen Kuba und eine Kampagne gegen Kuba wegen angeblicher Verletzung von Menschenrechten gegenüber dem kubanischen medizinischen Personal. Was halten Sie davon?
Peter Langer: Das kubanische medizinische Personal leistet ja mit der Brigade Henry Reeve Unterstützung in der ganzen Welt und hat sehr gute Arbeit gemacht. Das wird in Deutschland sicher positiv gesehen und nicht wie bei der Kampagne aus der USA als Verletzung von Rechten des medizinischen Personals. Ich weiß, dass viele Unternehmen Schwierigkeiten bekommen, wenn sie mit Kuba zusammenarbeiten wollen und gleichzeitig wirtschaftliche Beziehungen zu den USA haben. Ich glaube, dass Deutschland eine eigene Außenpolitik gegenüber Kuba macht, beschäftige mich aber nicht so viel damit. Bei dem Universitätsfach Chemie spielt Politik in der Regel keine Rolle.
* "Diese Personen wollen ihren Einfluss ausüben durch breit gestreute Austauschprogramme mit verschiedenen Sektoren, die sie glauben beeinflussen zu können. Sie geben großzügige Stipendien, sie blenden uns mit ihren Millionen Dollars schweren Institutionen, ihrer Technologie, ihren sozialwissenschaftlichen Forschungs-Zentren. Sie erlauben US-Bürgern nicht, nach Kuba zu reisen, um die Insel kennenzulernen und hier Urlaub zu machen, aber sie sind bestens vorbereitet, um Soziologen, Philosophen, Historiker, Kuba-Spezialisten, Englisch-Professoren und andere Akademiker an unsere Universitäten zu entsenden, um uns zu "erleuchten". Solche Leute ja, aber das Letzte in der Welt, das sie tun werden, ist es, uns Professoren der Kybernetik, der Computer-Wissenschaften oder aus technologischen Bereichen zu senden, die in keinem Zusammenhang stehen mit Ideologie und die dem Land von einigem Nutzen sein könnten. Es ist gewissermaßen der zweite Weg des Toricelli-Gesetzes: Sie sind diejenigen, die uns von innen heraus zerstören wollen." Cuba at the crossroads, Ocean Press, 1996, S.44, Rede von Fidel am 26.7.95, 42. Jahrestag des Angriffs auf die Moncada-Kaserne
** Optionen im deutsch-kubanischen Hochschulaustausch
Das Interview führte Brigitte Schiffler,
Mitglied der FG BRD-Kuba in Hamburg und im Vorstand des Netzwerk Cuba e. V.
CUBA LIBRE 1-2022