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Auch wenn es schon oft gesagt wurde, darf es nicht einmal zu wenig gesagt werden: Am 6. April 2020 war es 60 Jahre her, dass der Deputy Assistant Secretary of State for Western Hemisphere Affairs, Lester D. Mallory, das mörderische Memorandum entwarf, auf welches die ursprüngliche Idee zur Blockade gegen Kuba zurückgeht. Man muss kein großer Diskursanalyst sein, um die latente Bedeutung der von Mallory geschriebenen Zeilen zu enthüllen:
"Man sollte schnellstens alle denkbaren Mittel einsetzen, um das Wirtschaftsleben Kubas zu schwächen (…) eine Handlungslinie, die, wenngleich sie auf die lautloseste und diskreteste Weise vorgeht, große Fortschritte dabei macht, Kuba sämtliche Geld- und Warenflüssen zu verweigern, seine Finanzmittel und Reallöhne zu reduzieren, sowie Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung zu provozieren." Kuba einschließen, blockieren, hemmen und einschüchtern. Das ist und bleibt die Absicht bis heute. Im vergangenen Jahr kostete diese Politik das Land 4,3 Milliarden Dollar. Mit einer einfachen mathematischen Operation kommt man schnell darauf, dass sich die Kosten folglich auf 12 Millionen Dollar pro Tag beliefen.
Die Summe würde ausreichen, um jedem einzelnen der 168 Verwaltungsbezirke unseres Landes zweimal im Jahr 12 Millionen Dollar zu geben, und es würde sogar noch Geld übrig bleiben. Aber die Auswirkungen der Blockade bleiben dort nicht stehen. Auch wenn die Verteidiger der sogenannten "Embargo"-Politik nicht müde werden zu behaupten, die einschränkenden würden sich allein gegen das "kubanische Regime" richten, so treffen diese doch das kubanische Volk. Wirtschaftswissenschaftler auf beiden Seiten der Straße von Florida präsentierten Daten, wonach Kuba beispielsweise in den letzten vier Monaten des Jahres 2019 aufgrund der Verschärfungen der Trump-Administration auf dem US-amerikanischen Markt monatlich nur noch weniger als 5.000 Tonnen Hühnerfleisch ankaufen konnte, in bar und zu überhöhten Preisen. Das war weniger als ein Drittel als noch in den Monaten zuvor. Zynischerweise zeigen die Verantwortlichen für diese Situation anschließend wild gestikulierend auf die Schlangen vor den kubanischen Lebensmittelgeschäften.
Auch in Zeiten der Pandemie lassen sie nicht locker, im Gegenteil. Am 1. April 2020 blockierten die USA eine Spende für Kuba. Ein Transportunternehmen, das im Auftrag des chinesischen Elektronikgiganten Alibabá notwendiges Material zur Bekämpfung von Covid-19 wie Schnelltests, Schutzmasken und Ventilatoren nach Kuba bringen sollte, wurde unter Druck gesetzt und verweigerte die Ausführung des Auftrags. Donald Trump und seine Berater kümmern sich nicht um die Bitten von Organisationen, darunter den Vereinten Nationen und dem ihr angeschlossenen Menschenrechtsauschuss, die Zwangsmaßnahmen gegen Kuba und Venezuela zu lockern, um die Krankheit besser bekämpfen zu können. Während dies geschieht, spielt der aktuelle Bewohner des Weißen Hauses den Oberbefehlshaber, obwohl er der erste Verantwortliche der Gesundheitskrise ist, die durch eine von ihm als "leichte Erkältung" verharmlost wurde.
Nichts von alledem spielt in den Medien eine Rolle, weder in den großen Meinungsmonopolen noch in den so genannten Alternativen, welche sich offensichtlich erneut auf eine Linie gegen Kuba gebracht haben, um mit Desinformationsstrategien zu spielen, die in den heutigen Zeiten sehr gefährlich werden können.
Fraglos sehr politisierte Untersuchungen sprachen Anfang März davon, in Kuba würden sich 80% der Bevölkerung mit dem Virus infizieren und es seien etwa 90.000 Tote zu erwarten. Die Realität ist eine andere. Offensichtlich haben sie nicht mit dem widerstandsfähigen Gesundheitssystem der Insel gerechnet, und auch nicht mit der schnellen Reaktion des kubanischen Staates.
Den mathematisch komplexen Modellen unserer Wissenschaftler zufolge entwickelt sich die Pandemie in Kuba bei etwa 1.800 Fällen, darunter etwa 800 akute Erkrankungen. In den kommenden Tagen wird sich die Zahl der genesenen Patienten enorm erhöhen. Die nationale Bekämpfungstrategie gegen Covid-19 schlägt an. Natürlich heißt das nicht, dass wir bereits das Schlimmste hinter uns gelassen hätten oder auf dem Weg in die Normalität wären. Diese Zahlen können sich schnell wieder ändern, vor allem, wenn die so wichtigen Verhaltensregeln nicht beachtet werden. Das beinhaltet auch die Selbstverpflichtung der Bevölkerung, und die Arbeit vor Ort, um zu verhindern, dass die Krankheit sich festsetzt und verlängert.
In meiner Heimatstadt Camagüey stehen wir kurz vor dem Höhepunkt der Kurve, bei etwa 40 bis 45 Infizierten durch SARS-CoV-2. Daran lässt sich erkennen, in welchem Ausmaß die Gesundheitsbehörde Kontrolle über die Epidemie erlangt haben. Einen großen Einfluss hatten dabei die frühzeitigen Maßnahmen, die angesichts lokaler Erkrankungen und innerkubanischer Übertragungsfälle ergriffen wurden.
Diese Kontrolle geht zu einem großen Maße auf die Unterstützung durch junge Menschen zurück, junge Männer und Frauen wie meine Schwester, Studentin der Zahnmedizin, die auf die Straße hinausgehen, um die Pandemie zu bekämpfen. Als ich sie vor einigen Tagen ausschimpfte, wie das ältere Brüder manchmal tun, nahm meine Mutter sie mit den Worten in Schutz: "Sie ist noch jung." Aber nein, meine Schwester ist in wenigen Tagen gewachsen, fast unbemerkt von uns, hat die Angst vor der Straße überwunden und klopft Tag für Tag an Türen, spricht mit bis dahin unbekannten Personen und fragt: "Geht es ihnen gut? Hatten Sie in der letzten Zeit Fieber? Haben Sie Atembeschwerden? Hatten Sie Kontakt mit Menschen, die aus dem Ausland eingereist sind?" Aber wie heißt es schon in einem Lied der kubanischen Gruppe Buena Fe: "Die Angst tropft von den Mutigen herab, bevor es der Schweiß und das Blut tun." Ja, meine Schwester ist gewachsen, wie es auch die 1.500 Medizinstudenten getan haben, die in unserer Provinz am "aktiven Fischen" beteiligt sind. Dort, wo sie gebraucht werden, in den Vierteln, in den Familienarztpraxen, bei der Unterstützung der medizinischen Erstversorgung. Sie sind keine Superhelden, sie sind junge, mutige Kubanerinnen und Kubaner mit einem weißen Kittel.
"Was tue ich hier gerade und liebe dabei mein Land wie mich selbst?", könnten sich einige von ihnen fragen. Die Antwort ist, dass diese jungen Leute sind innerhalb weniger Tage gewachsen und werden nicht mehr dieselben sein. Dieser Moment, den sie gerade erleben, wird sie für immer zeichnen, so wie die Tatsache, dass sie sich über ihre weißen Kittel, die sie mit Stolz tragen, noch den Anzug der Mutigen ziehen mussten.
Das ist der Grund, weshalb die Blockade uns nichts anhaben kann. Auch 60 Jahre nach dem Memorandum von Mallory beweist uns das Leben immer wieder aufs Neue, dass wir es stets mit derselben Intention zu tun haben, nämlich uns zu unterwerfen, auf welchem Weg auch immer. Aber Kuba gibt der Welt weiterhin einen Nachweis seiner Größe, die Beispiele dafür sind in diesen Tagen unzählig. Wenn es eins gibt, das wir Kubaner im Sinne einer überlebenswichtigen Einsicht nicht vergessen sollten, dann ist es, dass unser Kampf immer ein Kampf gegen Dämonen war und sein wird.
(Übersetzung: Tobias Kriele)
CUBA LIBRE 3-2020