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Sogar auf Facebook:Blockade

Jorgito Jerez Belisario


Die Kubanische Revolution schreibt unglaubliche Geschichten.

Jorge Enrique Jeréz Belisario kam 1993 mit einer schweren spastischen Lähmung auf die Welt. Er selbst sagt, dass es Jorgito el Camagüeyano nur deshalb heute noch gibt, weil er unter der schützenden Hand der Revolution aufwachsen konnte. So verwirklicht er heute seinen Lebenstraum und arbeitet als Journalist.
Jorgito war einer der wichtigsten Aktivisten im Kampf für die Freilassung der »Cuban Five«. Besonders verbunden ist er Gerardo Hernández, dessen Rückkehr nach Kuba er im Dezember 2014 feiern durfte. Der Dokumentarfilm »Die Kraft der Schwachen«, der Jorgitos Leben erzählt, ist über die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba erhältlich.

Jorgito bloggt regelmäßig auf http://jorgitoxcuba.wordpress.com/.
Die CUBA LIBRE ehrt er mit einer regelmäßigen Kolumne.



Es war am Dienstag, den 10. September um 6:30 Uhr in der Früh. Einer meiner Facebook-Seiten wurde ein Gutschein angeboten, mit dem ich eine Publikation veröffentlichen könne. Für jemanden, der beruflich mit Kommunikation betraut ist wie ich, ist das natürlich ein Traum. Ich machte alle notwendigen Angaben, Thema, Alter, Hautfarbe und Weltregion und war bereit zu "zahlen", als ein Banner auftauchte: "Bedauerlicherweise konnte Dein Bezahlvorgang aufgrund von Handelsbeschränkungen mit Deinem Herkunftsland nicht durchgeführt werden".

Und da sagt der US-Secretary of Treasure, Steven Mnuchin noch, seine Maßnahmen würden das kubanische Volk nicht betreffen. Bin ich etwa ein Funktionsträger der Regierung oder nicht doch eher ein einfacher Nutzer, dem es verunmöglicht wird, unter gleichen Bedingungen an Ausschreibungen teilzunehmen? Noch krasser ist die Entscheidung der Trump-Administration, die privaten Geldsendungen aus den USA auf 1000 Dollar pro Dritteljahr zu begrenzen. Vermeintlich wird so der Zufluss von Devisen beschränkt und das "schlechte Verhalten" der kubanischen Regierung bestraft. Zynisch wird noch hinzugefügt: "Dabei unterstützen wir weiterhin das kubanische Volk, das so sehr leidet." Als wäre das nicht genug, nehmen die neuen Regeln auch Einfluss auf Finanz-Transaktionen, die nicht von den USA ausgehen, aber US-Finanzinstitute streifen. Wer will da noch behaupten, die Blockade sei nicht extraterritorialen Charakters?

Die Empfänger dieser Geldsendungen dürfen keine "Regierungsfunktionäre" oder "Mitglieder der Kommunistischen Partei Kubas" sein, oder Familienangehörige derselben. Zugleich wird die Möglichkeit erhalten, "gewissen Personen und NGOs" unbegrenzte Geldmengen zu schicken. Für die, die vom Geschäft der Konterrevolution leben, bleibt der Geldstrom unbeeinträchtigt – obgleich auch ihre Ausschüttung letztendlich in den Geschäften von Cadena Caribe oder Cimex landet, den "Geldschränken des kommunistischen Regimes", die nicht begünstigt werden sollen.

Nicht ich sage Folgendes, sondern ihre eigenen Berichte: "In den letzten acht Jahren haben sich die Verwendungszwecke der familiären Geldsendungen um Handy- und Internetguthaben erweitert, die beide aus dem Ausland bezahlt werden..." Es wird auch hinzugefügt, dass mit dem Wachstum des nicht-staatlichen Sektors und der Genossenschaften Geschäfte im Bereich der Gastronomie, der Schönheitssalons, Reparaturdienste entstanden, die aufgrund ihrer Größe und ihres Inventars auf eingeführte Geldmittel angewiesen sind. Die Maßnahmen schaden also auch dem privaten Sektor, den sie doch vorgeblich stärken wollen.

So widersprüchlich und unlogisch ist die US-Politik, wenn es um Kuba geht, welches ein ständiges Thema des Trumpschen Wahlkampfes war. Er scheint schlecht beraten, denn ich bezweifle, dass die in Florida lebenden Kubaner, die längst nicht mehr vom Hass gegen Kuba geprägt sind, für jemanden stimmen werden, der ihren Interessen und denen ihrer Familien schadet. Unser Land öffnet sich der Welt, was man auch an dem Interesse ablesen kann, welches die EU an Investitionen in Kuba zeigt. Die US-Unternehmen sollten sich sputen, denn in weiteren drei, vier Jahren werden ihre Geschäfte hier unter keinen guten Vorzeichen mehr stehen.

In diesen Tagen wurden Kubaner und sogar in Kuba lebende Ausländer mit der Weigerung von verschiedenen Banken im Ausland konfrontiert, ihnen US-Dollar zu tauschen, einfach, weil sie Kubaner sind. Weder Bürger Chinas, Russlands und noch viel weniger des Iran, mit dem die USA am Rande einer militärischen Auseinandersetzung stehen, sind von vergleichbaren Strafmaßnahmen betroffen. Es geht zur Zeit darum, aus wahltaktischen Überlegungen das zu verschärfen, was in der Geschichte der Internationalen Beziehungen als die ungerechteste, härteste und am Längsten anhaltende Strafmaßnahme gegen ein Land bekannt wurde. Nicht einmal in der Zeit vor der Existenz der UNO, in der die Menschenrechte weniger Thema waren, hat die Welt etwas Vergleichbares erlebt. Was hätten wir Kubaner alles mit den 4,3 Milliarden Dollar anfangen können, die uns die wirtschaftlichen Nachstellungen allein zwischen April 2018 und März 2019 gekostet haben? Denen, die uns für ineffizient halten, sei gesagt, dass das kubanische Bruttoinlandsprodukt um etwa zehn Prozent gestiegen wäre.

Es handelt sich nicht um ein politisches Manöver der kubanischen Regierung, wenn diese feststellt, dass die Trump-Administration die Lieferung von Treibstoffen auf die Insel verhindert. Allein im Jahr 2019 wurden mehrere Unternehmen verfolgt und allein 34 Schiffe sanktioniert, die Erdöl nach Kuba bringen wollten. Diese Zahl an Bestrafungen nimmt zu, und heute verlangen die Reedereien und Tankerflottenbesitzer bis zu 12 Millionen Dollar für den Transport von Erdöl, also das Dreifache dessen, was Kuba vor der Verschärfung der antikubanischen Politik aufbringen musste.

Jeder der Hunderte von Tankern und Supertankern, die das Karibische Meer durchkreuzen, könnte unser Land anlaufen, wäre da nicht die Verbotsvorschrift, wonach Schiffe, die Kuba angelaufen haben, für die nächsten 180 Tage für alle US-Häfen gesperrt sind. Das nennt man eine Blockade, in wenigen Worten beschrieben. Der Wirtschaftskrieg geht weiter, während man uns vorwirft, an einem gescheiterten Gesellschaftsmodell festzuhalten. Das ist ihre Taktik, um zu dem paradoxen und beunruhigenden Ergebnis zu kommen, von dem Allen Dulles im Jahr 1953 sprach:"Die Opfer werden die Logik ihrer Henker verstehen und sich zu eigen machen." Aber nicht genug, denn die Wirtschafts-, Handels- und Finanzaggression reicht ihnen nicht. Die Eskalation reicht bis auf das diplomatische Parkett. Wenige Tage vor der Abstimmung in der UN-Generalversammlung über die Resolution gegen die Blockade, erschien der Sprecher des Secretary of State, Morgan Ortagus, vor den Kameras und erklärte die Ausweisung von zwei kubanischen Diplomaten und die weitere Beschränkung der Bewegungsfreiheit unserer Diplomaten bei den Vereinten Nationen. Sie haben versucht, diesen Schritt mit der Nationalen Sicherheit zu begründen. Unser Personal soll den Big Apple nicht verlassen dürfen, einen der Orte mit den höchsten Lebenshaltungskosten auf der Welt. Der New Yorker Magnat versuchte sogar, unsere Botschaften zu schließen. Mit der Geschichte von den Akustikattacken hatte er es nicht erreichen können, weil ihm niemand glaubte. Daher musste eine neue Theorie her, entsprechend seiner Lieblingsredewendung: Schaden für die Nationale Sicherheit.

Deshalb müssen wir, solange auf der anderen Seite der Meerenge von Florida eine Administration existiert, die uns durch Hunger, Nöte und Entbehrungen klein bekommen will, immer wieder darauf zurückkommen, wie sehr uns die Blockade betrifft, obwohl es wie das Tausendmal Gesagte klingt.

Die selbsterklärten "Verteidiger des kubanischen Volkes" tun nichts anderes, als das anzuwenden, was Lester Mallory im Jahr 1960 meinte, als er vorschlug, uns durch Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu politischen Zugeständnissen zu bringen. Heute tun sie alles, um die Lieferung von Treibstoffen zu unterbinden, sie verfolgen die Reedereien, die Schiffe selbst und sogar die Besatzungen. Sie meinen, uns durch Hunger und Elend klein zu bekommen. Wie naiv. Diesen Film kennen wir bereits, und wissen, dass sie am Ende scheitern werden. Als sie es in den 1990er Jahren schon einmal versuchten, kamen zwei Millionen Fahrräder ins Land, erfanden wir die Kamelbusse, und das Mitnehmen von Anhaltern wurde zur gängigen Praxis von den Fahrern staatlicher und privater Autos. Wir Kubaner hatten im einen Gegenplan im Ärmel.

Wie viele meiner Landsleute habe auch ich nicht klein beigegeben. Meinen Facebook-Gutschein habe ich einem Freund, der außerhalb Kubas lebt, vermacht. Das ist mein persönlicher Gegenplan. So leisten wir Widerstand gegen Bolton, Powell, Condoleeza, Pompeo und gegen die bislang elf US-Regierungen, die davon fantasierten, unser Land umkrempeln zu können. Wir sind Tag für Tag erfinderisch gegen die Widrigkeiten, und das macht uns so einzigartig. Dazu haben sie uns durch eine Blockade gezwungen, die alles andere als erfunden ist. Sie existiert. Sogar auf Facebook.

CUBA LIBRE (Übersetzung: Tobias Kriele)

CUBA LIBRE 1-2020