Jorgitos Log:

Ein Helms-Burton-Mus

Jorgito Jerez Belisario


Die Kubanische Revolution schreibt unglaubliche Geschichten.

Jorge Enrique Jeréz Belisario kam 1993 mit einer schweren spastischen Lähmung auf die Welt. Er selbst sagt, dass es Jorgito el Camagüeyano nur deshalb heute noch gibt, weil er unter der schützenden Hand der Revolution aufwachsen konnte. So verwirklicht er heute seinen Lebenstraum und arbeitet als Journalist.
Jorgito war einer der wichtigsten Aktivisten im Kampf für die Freilassung der »Cuban Five«. Besonders verbunden ist er Gerardo Hernández, dessen Rückkehr nach Kuba er im Dezember 2014 feiern durfte. Der Dokumentarfilm »Die Kraft der Schwachen«, der Jorgitos Leben erzählt, ist über die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba erhältlich.

Jorgito bloggt regelmäßig auf http://jorgitoxcuba.wordpress.com/.
Die CUBA LIBRE ehrt er mit einer regelmäßigen Kolumne.



Es scheint, sie haben nichts gelernt und wollen sich immer wieder am selben Stein stoßen. Willkür? Daran glaube ich nicht, denn in der US-Politik bleibt nichts dem Zufall überlassen. Trump hat jetzt etwas in Angriff genommen, was keiner seiner Vorgänger seit dem Jahr 1996 gewagt hat. Das "Gesetz für die kubanische Freiheit und demokratische Solidarität" schrieb damals die Blockade fest. Es entstand in einem günstigen Moment, dominierten doch die Republikaner zum ersten Mal seit 40 Jahren beide Kammern. Als emotionaler Kontext diente damals der Abschuss zweier Kleinmaschinen der "Brothers for the Rescue" am 24. Februar 1996. Erstmalig in der Geschichte übernahm ein Parlament und somit eine gesetzgebende Gewalt die Funktion der Exekutive, indem es die kubanischen Enteignungen für unrechtmäßig erklärte.

Dennoch verweist die Wahl des Datums für die Verkündigung des Abschnitts III des erwähnten Gesetzes auf die Hektik, die sie umgab. Der 17. April war ein alles andere als guter Tag für die US-Geheimdienste und noch viel weniger für die Mitglieder der aufgeriebenen Brigade 2506, die 1961 in der Schweinebucht gescheitert war.

Warum so überstürzt? Weil, wie es mittlerweile kein Geheimnis mehr ist, die US-Außenpolitik, insbesondere gegen Kuba und Venezuela, in der politischen Erpressung und dem Austausch gegenseitiger Gefallen gefangen ist, welche Donald Trump und der republikanische Senator von Florida, Marco Rubio, miteinander verbinden. Ersterer benötigt die Unterstützung des Letztgenannten sowohl in der Kampagne für seine Wiederwahl wie als starken Mann im Geheimdienstausschuss des Senats, welcher die mögliche Einmischung Russlands in die Wahlen von 2016 und die durch Trumps Anwalt vertuschten Geheimnisse untersuchen soll.

Der Chefideologe hinter all dem ist ein politischer Kadaver, John Bolton, der vor 17 Jahren als Staatssekretär in der Erfindung der Geschichte über angeblich in Kuba hergestellte biologische Waffen Regie führte und heute als Berater für Nationale Sicherheitsfragen wiederbelebt wurde. Ein notorischer Lügner, der kürzlich aus 20.000 Kubanern in weißen Kitteln in Venezuela Militäruniformen machte, welche die Maduro-Regierung unterstützten. Am Morgen des 17. April kündigte Mike Pompeo an, dass vom kommenden 2. Mai an das Helms-Burton-Gesetz in eine neue Anwendungsphase träte und zwei seiner folgenreichsten Bestimmungen in Kraft treten würden: Abschnitt III und vermutlich auch Abschnitt IV. "Nach 22 Jahren Verzögerung haben die US-Amerikaner endlich die Möglichkeit, Gerechtigkeit zu schaffen", sagte er.

Dies zeigt wieder einmal, wie wenig sich Trump um das internationale Recht schert, und welchen Schaden seine Aktionen für verbündete Nationen mit sich bringen kann – unter ihnen die Europäische Union. Letztere hatte wenige Stunden zuvor ein Abkommen über den politischen Dialog und die Zusammenarbeit unterzeichnet, ebenso die sogenannten "Gegengift-Gesetze", mit denen europäische Bürger und Institutionen geschützt werden sollen, die auf der Insel investieren. Manche sagen, der größte Schaden würde den USA selbst entstehen.

Noch nicht einmal das mächtige Rom auf dem Höhepunkt seiner Macht verlangte, dass seine Gesetzgebung außerhalb ihres Geltungsbereichs angewandt werden würde. Das Internationale Recht benennt als elementaren Teil des Begriffs der Souveränität, dass jeder Staat über die Rechte entscheiden kann, die auf seinem Territorium Anwendung finden. Es ist eine juristische Ungeheuerlichkeit, dass die US-Gerichte auf der Basis des Abschnitts III des Helms-Burton-Gesetzes als Teil ihrer gewöhnlichen Rechtspraxis Schuldsprüche über ausländische Firmen sprechen können.

Da die Enteignungen, um die es hier geht, in Kuba vorgenommen wurden, ist es dort, wo in letzter Instanz die Ansprüche gestellt werden müssten. In Kuba allerdings erklärt das im Jahr 1996 vom kubanischen Parlament verabschiedete Gesetz Nr. 80 sie für unrechtmäßig, unanwendbar und ohne jede juristische Konsequenz.

Es ist auch kein Geheimnis, dass die Außerkraftsetzung der umstrittenen Gesetzesteile während all dieser Jahre verhindern sollte, dass es zu einer Welle an Anfechtungen vor US-Gerichten käme gegen «ein Gesetz mit sehr unklaren Aussagen», wie es nicht nur das kubanische Außenministerium sagte, sondern auch von vielen US-Funktionären bestätigt wurde. In der US-Gesetzesgeschichte ist kein ähnlich verheerender Fall bekannt.

Einige Stunden später verkündete Bolton im Sitz der Brigade 2506 in Florida Beschränkungen in der Geldversendung von den USA nach Kuba. Pro Person sollen vierteljährlich nur noch 1.000 Dollar nach Kuba geschickt werden können. Dazu erklärte er zynisch: "Diese neuen Maßnahmen werden dazu beitragen, dem kubanischen Regime die US-Dollars zu entziehen."

Wie will mir Trumps Berater weismachen, dass es möglich sei, dass diese Maßnahme nicht zugleich auch die Lebenssituation der Kubaner beeinträchtigt, welche angeblich verteidigt werden sollen? Es wäre auch einmal interessant zu fragen, ob diese Einschränkung auch für die Hunderttausenden von Dollars aus US-amerikanischen Taschen gilt, die hierhin geschickt werden, um die Öffentliche Ordnung hier zu destabilisieren, die aber letzten Endes auch beim kubanischen Staat landen.

Zugleich bleibt Kuba weiterhin das einzige Land, das zu bereisen den "freiesten Bürger auf diesem Planeten" nicht erlaubt ist, wie es ihre Verfassung ihnen eigentlich garantieren sollte. Das Finanzministerium wird neue Regulationen erlassen, die diese Reisen noch weiter erschweren.

Warum hat Bolton seine Verkündungen umringt von einigen alten Bekannten kundgetan und nicht im Miami Airport, von dem aus jede Woche 100 Flüge nach Kuba abgehen? Weil man ihn dort mit faulen Eiern empfangen hätte, denn die Menschen in Miami, insbesondere die dort lebenden Kubaner, wollen von dieser Konfrontation nichts mehr wissen. Bush hatte damals ähnliche Einschränkungen verordnet, und die cubano-amerikanische Community hat ihm dies bis heute nicht verziehen. Florida votierte in Folge für die Demokratische Partei und Obama siegte dort mit großem Vorsprung. Im Angesicht der Wahlen im Jahr 2020 interessiert sich der New Yorker Magnat allerdings wenig für die Kubaner, die die Insel besuchen und ihren Familien Geld schicken. Florida ist weiterhin einer der umkämpften Staaten und damit der Schlüssel, um ins Weiße Haus zu gelangen.

Haben diese 60 Jahre ihnen nicht gereicht? Offensichtlich nicht. Man folgt weiterhin eher einer psychologischen denn einer legalen Logik, die darauf ausgerichtet ist, die notwendigen Investitionen für eine "leidende kubanische Wirtschaft" zu bremsen, Unternehmer einzuschüchtern und ein Klima der Angst zu schaffen. Auf diesem Weg haben wir viel Blut gelassen, ein verzwickter Weg, aber unser Weg. Vergesst es, möchte man den politisch Berauschten zurufen. Trump wird niemals nach Havanna reisen, um für uns Kubaner Klopapier abzuwerfen. Nicht ohne Grund wird dieses Land seit geraumer Zeit nicht mehr von Leonard Wood regiert, dem Kommandeur der US-amerikanischen Truppen, die 1898 Kuba von der spanischen Kolonialherrschaft übernahmen. Und aus dem Helms-Burton-Gesetz werden wir genauso Mus machen, wie wir es mit den Invasoren der Schweinebucht getan haben.

CUBA LIBRE (Übersetzung: Tobias Kriele)

CUBA LIBRE 3-2019