Wenn man an Kubas Errungenschaften denkt, fällt einem bei weitem nicht als erstes die Biopharmazeutische Industrie ein.
Wenn man an Kubas Errungenschaften denkt, fällt einem bei weitem nicht als erstes die Biopharmazeutische Industrie ein. Bei begrenzten Ressourcen und trotz der eingeschränkten Vermarktungsmöglichkeiten durch die US-Blockade besitzt Kuba erstaunliche 1200 internationale Patente und verkauft seine Medikamente in mehr als 50 Länder. Vollständig staatlich finanziert und geleitet ist es einer der Motoren eines der effizientesten staatlichen Gesundheitssysteme weltweit.
Das Besondere dieser Industrie ist es, Hightech- und strategische Medikamente für die Behandlung aller Menschen entwickeln zu wollen. Angestoßen wurde diese Entwicklung durch Fidel Castro selbst, der schon früh die Bedeutung dieser neuen Wissenschaft erkannte und förderte. Etwa 1 Milliarde Dollar steckte der kubanische Staat in den 80er und 90er Jahre in diesen Bereich und hat daraus bis heute eine erhebliche Rendite erzielt. Kuba produziert inzwischen mehr als 60% der im Land verwendeten Fertigarzneimittel und die Handelsbilanz der Industrie ist während des gesamten Zeitraums 1995–2015 durchweg positiv geblieben. Kubas Biopharma-Sektor konnte viele Programme des öffentlichen Gesundheitssystems finanzieren, die im Lande durchgeführt werden. Und er ist der Hauptgrund für die Erschwinglichkeit der medizinischen Produkte, die das System bereit stellt. So konnte 2014 1.293 Mrd. USD und 2016 1.940 Mrd. USD durch Importersatz eingespart werden[1].
Um die Auswirkungen der US-Blockade zu verringern, begann die Regierung in den 1970er Jahren mit ersten Investitionen in pharmazeutische Produktionsanlagen. Anfangs war man noch von zusätzlichen Medikamentenkäufen aus West- und Osteuropa abhängig. Dann kam die Biotechnologie. 1986 eröffnete Kuba das CIGB (Zentrum für Gentechnologie und Biotechnologie), das heute eines der herausragendsten Biotechnologieunternehmen des Landes ist. Andere wichtige Institutionen folgten. Zu den repräsentativsten gehört das Immunoassay Center, das 1987 gegründet wurde, um Diagnosesysteme zu produzieren und zu vermarkten. 1991 wurde das Finlay-Institut offiziell eröffnet, das für die Forschung und Entwicklung von Impfstoffen weltberühmt ist, 1994 das Zentrum für Molekulare Immunologie(CIM), das sich auf Antikörper, Krebsmedikamente und andere Bereiche spezialisiert hat. Viele dieser Institutionen haben Kuba dabei geholfen, biopharmazeutische Produkte im Wert von mehreren Millionen Dollar zu verkaufen[1].
Im Jahr 2005 gewann das Laboratorium für synthetische Antigene – ein kleines Labor, das zur Fakultät für Chemie der Universität von Havanna gehört – die Goldmedaille der World Intellectual Property Organization (WIPO) für die Entwicklung des weltweit ersten synthetischen Impfstoffes (Quimi-Hib) gegen Haemophilus influenza Typ b (oder Hib) [1]. Kürzlich erhielt der CIMAvax-EGF-Impfstoff gegen Lungenkrebs als erstes kubanisches biopharmazeutisches Produkt die Genehmigung der US-Arzneimittelbehörde, klinische Versuche auf US-amerikanischem Boden durchzuführen. Das Produkt wurde vom Center for Molecular Immunology(CIM) entwickelt, dessen strategische medizinische Arbeit wesentlich von mediCuba-Europa unterstützt wird.
Oft erhalten diese Arzneimittelinnovationen aus Kuba nicht die Anerkennung, die sie verdienen. So war der VA-MENGOCBC ® aus Kuba der weltweit erste kommerziell erhältliche Impfstoff gegen Meningokokken der Serogruppe B. Das Produkt, entwickelt von dem auf Impfstoffe ausgerichteten Finlay-Institut, gewann 1989 die WIPO Goldmedaille. Es zog damals die Aufmerksamkeit des Pharma-Riesen Smithkline Beecham (jetzt Teil von GalaxoSmithKline) auf sich – aber nicht die der Medien. Viele Jahre später wurde dem Schweizer Pharmakonzern Novartis fälschlicherweise die Entwicklung des ersten Impfstoffes seiner Art für den Kampf gegen Meningitis B zugeschrieben. Kuba hatte das Medikament 24 Jahre früher entwickelt[1]. Ein weiteres Beispiel dieses Verhaltens konnte man auch an dem publizistischen Ignorieren des neuen kubanischen Medikamentes „Heberferon“ gegen Hautkrebs unlängst wieder sehen. Ein Impfstoff gegen Hepatitis B war in den USA einige Jahre früher als in Kuba zur Anwendung gekommen. Aber heute ist die Neuerkrankungsrate an Hepatitis B in Kuba durch effiziente und kostenlose Impfprogramme deutlich geringer als in den USA, tendiert sogar gegen Null, wohingegen in den USA noch heute der Zugang zu dieser Impfung für Millionen von US-Amerikanern finanziell nicht möglich ist.
Der Löwenanteil der heutigen kubanischen Biotech-Industrie ist in BioCubaFarma zusammen gefasst, einer staatlichen Gesellschaft, die 2012 mit den Wirtschaftsreformen der Regierung gegründet wurde. Es handelt sich um eine große Gesellschaft, die 33 Unternehmen umfasst, in denen mehr als 21.600 Arbeitnehmer arbeiten – Hunderte von ihnen hochqualifizierte Fachleute, die tief in mehrere Forschungs- und Produktionsaktivitäten eingebunden sind. Eines ihrer erklärten Ziele ist es, die Exporte der kubanischen biopharmazeutischen Industrie zu verdoppeln, um innerhalb von fünf Jahren auf mehr als eine Milliarde Dollar pro Jahr zu kommen[1].
Wünschen wir uns, dass es so kommt und Kuba auf diesem Weg seinen Spitzenplatz in der Biotechnologie halten und ausbauen kann zum Wohle der Menschen in Kuba und auf der ganzen Welt. Und hoffen wir, dass immer mehr Staaten von dem Vorbild Kubas nicht nur profitieren sondern auch lernen, wie man ein gutes öffentliches Gesundheitssystem mit geringen Mitteln aufbauen und seine Leistungen all seinen Bewohnern zur Verfügung stellen kann. Kubanische Fachleute sagen voraus, dass der Anteil der Immuntherapie von Krebs in 10 Jahren von 3 auf 60 Prozent steigen wird. Diese Entwicklung wird Kuba maßgeblich mitbestimmen und davon auch wirtschaftlich profitieren, was für das Überleben der kleinen roten Insel lebenswichtig sein wird.
[1] Andrés Cárdenas O’Farrill Mar 5, 2018
Healthcare : How Cuba Became a Biopharma Juggernaut
https://www.ineteconomics.org/perspectives/blog/how-cubabecame-a-biopharma-juggernaut
Dr. Klaus Piel
CUBA LIBRE 2-2019