Jorgitos Log:

Die Blockade – mehr als nur Rhetorik

Jorgito Jerez Belisario


Die Kubanische Revolution schreibt unglaubliche Geschichten.

Jorge Enrique Jeréz Belisario kam 1993 mit einer schweren spastischen Lähmung auf die Welt. Er selbst sagt, dass es Jorgito el Camagüeyano nur deshalb heute noch gibt, weil er unter der schützenden Hand der Revolution aufwachsen konnte. So verwirklicht er heute seinen Lebenstraum und arbeitet als Journalist.
Jorgito war einer der wichtigsten Aktivisten im Kampf für die Freilassung der »Cuban Five«. Besonders verbunden ist er Gerardo Hernández, dessen Rückkehr nach Kuba er im Dezember 2014 feiern durfte. Der Dokumentarfilm »Die Kraft der Schwachen«, der Jorgitos Leben erzählt, ist über die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba erhältlich.

Jorgito bloggt regelmäßig auf http://jorgitoxcuba.wordpress.com/.
Die CUBA LIBRE ehrt er mit einer regelmäßigen Kolumne.




Ein ums andere Mal ließ die Ecuadorianerin María Fernanda Espinosa an diesem 1. November 2018 den Hammer mit einem trockenen Schlag auf ihren Podest aus grünem Marmor sausen und verkündete damit der Welt jedes Mal einen weiteren Sieg Kubas. Im Baseball würde man sagen: Knockout zu Null. Der Gesichtsausdruck der US-Vertreterin in der UNO, Nikki Haley, und ihren Begleitern war ein Gedicht, welches die Machtlosigkeit eines Imperiums beschreibt, das mit ansehen muss, wie seine Untergebenen ihm den Gehorsam verweigern.

Wie kamen sie nur auf die Idee, die Welt würde ihre acht unmoralischen Änderungsanträge annehmen? Sie begreifen einfach nicht, woher unsere Unterstützung rührt, dabei ist es doch so einfach: Die USA schicken Soldaten, die töten – Kuba schickt Ärzte, die heilen. Während sie Zeit und Geld investieren, um Regierungen zu stürzen, beweisen wir unzähligen Menschen: "Sí se puede" – Es ist doch möglich, Lesen und Schreiben zu lernen. Über Menschenrechte würden sie gerne sprechen, ein Land, das 15.000 Soldaten an seine Außengrenze schickt, um eine Karawane von Verzweifelten daran zu hindern, sie zu durchbrechen, um den berühmten Amerikanischen Traum zu leben. Was wie ein Witz klingt, ist tatsächlich die Welt, in der wir leben.

Dieser Sieg gehört all denen, die Tag für Tag mit der Blockade konfrontiert sind, im Labor, auf der Arbeit oder auch zu Hause. Er ist eine Auszeichnung für 11 Millionen Menschen, die weiterhin, Tag für Tag, ein Kuba aufbauen, das nicht perfekt, aber perfektionierbar ist. Kein Zweifel, Kuba hat einen Gegner aus einer höheren Gewichtsklasse geschlagen. Bruno hat es in New York auf so zutreffende Weise ausgedrückt, so dass wir Millionen zu Hause vor dem Fernseher ihm mit Gänsehaut applaudierten: Eher vereint sich die Südsee mit der Nordsee, eher schlüpft eine Schlange aus dem Ei eines Adlers, als dass wir Kubaner den selbstbestimmten Aufbau unserer Nation aufgeben.

Wir haben so viel von der Blockade gesprochen, dass sie uns fast als Rhetorik vorkommt. Die Auswirkung der lang anhaltendsten Blockade der Geschichte auf die kubanische Wirtschaft ist allerdings leicht wahrnehmbar. Beispiele gibt es genug.

Wie viele unserer Großeltern benötigen Repatha (Evolucumab), das erste Produkt der grünen Medizin, welches bei Herz-Risikopatienten gegen erhöhte Cholesterolwerte eingesetzt wird? Herzerkrankungen gehören in Kuba zu den häufigsten Todesursachen. Trotzdem gibt es bislang keine Antwort der Herstellerfirma.

Und wenn ein Freund von uns, ein Nachbar, einen hochpräzisen chirurgischen Eingriff über einen Arterienkanal benötigt und ihn in Kuba aber nicht bekommen kann, dann sollte man dazu wissen, dass wir bereits zweimal versucht haben, das chirurgische Robotiksystem Da Vinci zu bestellen. Auch seitens des US-Herstellers Intuitive warten wir noch auf eine Antwort.

In zwei Fällen mir bekannter Personen hat sich eine dringende Herz-OP hinausgezögert, unter anderem deshalb, weil die Firma Cook Medical in einer E-Mail vom 9. April 2018 mitteilte, dass ihre Produkte für den kubanischen Markt nicht bereit gestellt würden. Diese Produkte sind aber von essentieller Bedeutung, wie Herzklappen, Gefäßprothesen (prótesis vascular), Geräte für die Elektrodenextraktion, neben anderen Produkten, die der Verbesserung der Diagnostik und der Behandlung von Patienten dienen, die sich einem chirurgischen oder elektrophysiologischen Eingriff unterziehen müssen oder einen Herzschrittmacher benötigen.

Als wäre das nicht genug, wird ebenso verhindert, dass Kuba auf dem US-amerikanischen Markt Stickstoffmonoxid erhält, welches man für die Prävention und die effiziente Behandlung einer potentiell tödlichen Pulmonalen Hypertonie benötigt. Zwischen acht und zehn Prozent aller Operationen, die das Kinder-Herzkrankenhaus William Soler durchführt, betreffen Kinder mit dieser Krankheit. Das hochexplosive ON kann ausschließlich per Schiff und auf relativ kurzen Distanzen befördert werden.

Laut des Berichtes, den Kuba vor der UN-Generalversammlung gehalten hat, betragen die Schäden, die die Blockade im Berichtszeitraum verursacht hat, fast 414 Millionen US-Dollar und somit 66 Millionen US-Dollar mehr als im vorhergegangenen Zeitraum. Im Fall des Milchpulvers, dessen Weltmarktpreis bei 2.768 US-Dollar pro Tonne liegt, muss Kuba 3.184 US-Dollar aufbringen. Der Weizenpreis liegt bei durchschnittlich 300 US-Dollar pro Tonne, aber Kuba muss annähernd 900 Dollar, also das Dreifache, zahlen.

Die Behandlung von Kindern mit besonderem Unterstützungsbedarf ist eine Priorität der kubanischen Regierung. Dazu bedarf es immer wieder übermenschlicher Anstrengungen, denn die PERKINS-Schreibmaschinen für Braille-Blindenschrift werden in den USA hergestellt und sind damit für Kuba regulär nicht beziehbar.

Weit muss man in Kuba nicht blicken, um die Auswirkungen der Blockade am eigenen Leib zu erleben. Direkt um die Ecke, in Nuevitas, ist die örtliche Düngemittelfabrik darauf angewiesen, große Mengen an Ammoniak selbst herzustellen. Ein Import ist unmöglich, da die dafür notwendigen Spezialschiffe das Risiko nicht eingehen wollen, mit Kuba Geschäfte zu machen. Das Torricelli-Gesetz von 1992 untersagt Schiffen aus Drittländern, die einen kubanischen Hafen angelaufen haben, für 180 Tage die Einfahrt in US-Gewässer.

2018 hat das State Department eine "Liste der von Restriktionen betroffenen kubanischen Einrichtungen und Filialen" veröffentlicht, in der 179 Firmen aufgeführt sind. Ziel ist es, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen kubanischer Firmen mit potentiellen US-Partnern zu torpedieren. Zugleich sollen die Außenbeziehungen der kubanischen Wirtschaft mit dem Rest der Welt weiter eingeschränkt werden. Zahlreiche Unternehmen aus Drittländern, die traditionell zu den Zulieferern und Abnehmern der kubanischen Wirtschaft zählen, sind bereits mit Schwierigkeiten konfrontiert, ihre Exporte nach Kuba über Finanzinstitute abzusichern und ziehen sich aus Angst vor Sanktionen zurück. Der Schaden liegt im zweistelligen Millionenbereich und stellt unsere nationale Industrieproduktion vor ernste Probleme.

Die genannten Beispiele sind nur einige und belegen doch, dass die Blockade keine Erfindung ist. Deshalb hat die überwältigende Mehrzahl der Staaten dieser Welt die kubanische Resolution unterstützt – trotz des Zirkus, den die USA veranstaltet haben und der nur bestätigt, dass sie sich auf dem Weg zurück in die alte Konfrontation befinden. Kuba seinerseits wird weiter voran gehen und die Sanktionen überstehen, indem es erfinderisch ist und neue Lösungen sucht, denn das Talent und die Lust der Menschen, die auf kubanischem Boden leben, "pa‘lante", also voran zu kommen, lassen sich nicht blockieren. Niemals!


CUBA LIBRE (Übersetzung: Tobias Kriele)

CUBA LIBRE 4-2018