Das Projekt Verfassungsdiskussion in Kuba
Kuba will im kommenden Februar über eine neue Verfassung abstimmen, welche die aktuelle Konstitution aus dem Jahr 1976 ersetzen soll. Diese hat das "Ley Fundamental" vom Januar 1959 ebenfalls zum einen ersetzt und zum anderen an die entstandenen Gegebenheiten angepasst, als nämlich die Revolution immer mehr staatentypische nationale und internationale Aufgaben hatte und z. B. begann, sich in das Wirtschaftssystem der sozialistischen Staaten einzugliedern.
In einfachster Übersetzung meint "Ley Fundamental" nichts anderes als "Grundgesetz" – was verdeutlicht, dass es sich vor 1976 eben nicht um eine Verfassung handelte und vielleicht auch hier in der BRD erkennen hilft, dass "Verfassung" und "Grundgesetz" eben kein Synonym sind. Auf Deutsch: Die Bundesrepublik hat keine Verfassung, nur ein Grundgesetz. Darum wurde in einem eigenen Artikel 146 ausdrücklich festgelegt, dass es an dem Tag seine Gültigkeit verliert, "an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."
Beginn des Projektes
Im Jahr 2013 beauftragte das Politbüro der KP Kubas (PCC) eine Arbeitsgruppe, alle Neuerungen, die sich aus den Beschlüssen des VI. Parteitags (2011) und der ersten Nationalkonferenz (2012) ergaben, auf ihren Verfassungsrang zu analysieren. Das wurde als notwendig angesehen, wenn man einerseits die Verfassung stärken und sie andererseits an die sozioökonomischen Neuerungen und auch an die gesetzlichen Änderungen der vergangenen Jahre anpassen wollte. Letzteres ist auch eine Frage der verfassungsrechtlichen Standsicherheit der neuen Gesetze, besonders im internationalen Rahmen. Dafür wurde eine Kommission aus Parlament und Partei gegründet, um den ersten Entwurf vorzulegen
Worum geht es im Verfassungsentwurf?
Die neue Verfassung lag buchstäblich in der Hand des Volkes, wie hier in Camagüey |
Der Entwurf enthält mehr als 80 neue Artikel. Die meisten davon haben mit sozialen Rechten und Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung sowie sozialen Dienstleistungen zu tun.
Ebenso geht es um Änderungen bei der Regierungsstruktur: Es soll z. B. der Posten des Ministerpräsidenten mit Ministerrat geschaffen werden. Die Obergrenze für politische Mandatsträger soll künftig zwei Mal fünf Jahre betragen. Die Wahlperioden in den Verwaltungsbezirken sollen von zweieinhalb auf fünf Jahre verlängert werden, um die Wahlperiode an das nationale Niveau anzugleichen. Vorgeschlagen ist die Trennung der Gemeindepräsidenten von der Verwaltung. Es geht um eine Dezentralisierung der Macht.
In der Wirtschaft bleiben die Produktionsmittel weiterhin staatlich laut Entwurf; daneben soll es gemischtes Eigentum, privat und staatlich oder ausländisch und kubanisch geben. Explizit anerkannt werden soll das Eigentum der sozialen und Massenorganisationen. Liegenschaften und Eigentum der Komitees zur Verteidigung der Revolution, der Gewerkschaften, der Juristenorganisationen gehen an diese.
Änderungen in der Präambel
In der Präambel soll zum Beispiel – in Kuba heiß diskutiert – das Voranschreiten zur kommunistischen Gesellschaft gestrichen werden.
Wer war in die Diskussion einbezogen ?
Vom Beginn der Konsultationen am 13. August 2018 bis zum 15. November 2018 haben 7.370.160 KubanerInnen – einschließlich der Kubaner, die im Ausland arbeiten oder leben – sich an den Diskussionen beteiligt. Es fanden 111.870 Versammlungen in den Barrios, auf Arbeit und in den Universitäten statt.
Im Ausland lebende Kubaner aus mehr als 104 Ländern haben an der laufenden Volksaussprache zur neuen Verfassung des Landes teilgenommen
Was waren die Ergebnisse ?
Die Konsultationen, ohne schon jetzt zu abschließenden Beurteilungen zu gelangen, waren auch eine gute Ausübung der Rechtskultur, die Festigung des demokratischen Kurses. Nicht umsonst waren mindestens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Statistiken gemeldet wurden, 1 445 289 Diskussionsbeiträge gezählt worden und in 659.527 Vorschlägen waren die Änderungen, Ergänzungen, Streichungen und Rückfragen enthalten.
Richtigstellung |
Von den 755 Einzelabschnitten, aus denen sich der im Juli veröffentlichte Verfassungsentwurf zusammensetzt, blieben lediglich acht ohne jeden Änderungswunsch.
Die Paragraphen zu Ehe und Amtszeitbeschränkungen wurden am häufigsten diskutiert. Ein Referendum über endgültigen Entwurf ist im Februar 2018
Insgesamt stellt diese breite Einbeziehung der Bürger bei der Reformierung der Verfassung ein einzigartiges Beispiel für Demokratie dar, wie man es aus den ach so hochgelobten parlamentarischen Demokratien westlicher Prägung nicht kennt.
Um so wichtiger, dass Kuba ungehindert seine Entwicklungsweg weiter gehen kann.
Marion Leonhardt
CUBA LIBRE 1-2019