Che, Tamara – ¡presente!

Redebeitrag von Max, einem Bunkisten, zu Tamara Bunke.

Es ist mir eine Ehre, als ein ehemaliger Teilnehmer des Proyecto Tamara Bunke hier einige Worte zu Tania la Guerillera sagen zu dürfen, wie sie in Kuba genannt wird. Es gibt zwei Anlässe, Tamara hier und heute an Tamara zu denken. Zum einen wäre sie dieses Jahr am 19. November 80 Jahre alt geworden und zum anderen stand sie an der Seite von Che und starb wie er vor 50 Jahren im Kampf für eine bessere Welt.

Tamara Bunke wurde in Deutschland geboren und wuchs in Argentinien auf. In der DDR hat sie sich politisiert, wurde in Kuba Teil der Revolution und fiel in Bolivien im Guerillakampf für die Befreiung dieses Landes. Solange die DDR existierte, war Tamara dort ein Vorbild für die Jugend. Heute, im kapitalistischen Deutschland, gehört sie zu den geschichtlichen Figuren, die besser aus unserer Erinnerung gestrichen werden sollten. Oder, wie es Oliver Rump, Professor für Museologie an der Hochschule für Technik und Wissenschaft zu Berlin, während der Eröffnung einer Ausstellung über Tamara Bunke in Santa Clara ausdrückte: "Man muss sich ja rechtfertigen, wenn man zu so einem Thema forscht."

Lasst mich auch deshalb ein paar Worte zu Tamaras Geschichte verlieren.

Tamara Bunkes Eltern, Nadja und Erich, lebten als jüdische KommunistInnen in Deutschland und flohen im Jahr 1935 vor dem deutschen Faschismus nach Argentinien. Tamara wird 1937 geboren und verlebt eine glückliche Kindheit, lernt Klavier und Akkordeon und treibt viel Sport. Die enge Beziehung zu ihrer Heimat Argentinien hat sie nie verloren.

1952 beschließen ihre Eltern, in die DDR zurückzukehren – auch Tamara brennt von Beginn an für den Sozialismus. Sie ist Mitglied in der Freien Deutschen Jugend und mitbeteiligt an der Gründung der Organisation "Ernst Thälmann", die politische und kulturelle Veranstaltungen zur Solidarität mit Lateinamerika organisiert. Noch aus der Ferne wird sie von der kubanischen Revolution begeistert. Bereits seit Mitte der 50er Jahre als Dolmetscherin tätig, lernt sie Anfang der 60er Jahre in der DDR bedeutende Vertreter der kubanischen Revolution aus Politik, Wissenschaft und Kultur kennen. Auch dem Revolutionär und argentinischen Landsmann Che Guevara, der die DDR als Chef der kubanischen Nationalbank mit einer Wirtschaftsdelegation besucht, begegnet sie im Jahr 1960 in Leipzig. Unter dem Eindruck dieser Begegnung beschließt Tamara, nach Kuba auszuwandern.

Im Jahr 1961 gibt sie mit Einverständnis ihrer Partei, der SED, ihre DDR-Staatsbürgerschaft auf, fliegt nach Kuba und arbeitet dort erst einmal als Dolmetscherin u. a. für das Kubanische Institut für Völkerfreundschaft (ICAP), den Frauenverband und das Erziehungsministerium. Neben ihren beruflichen Aufgaben engagiert sich Tamara in der von Che Guevara propagierten und gelebten Freiwilligenarbeit wie in der Zuckerrohrernte und beim Bau von Schulen.

Tamaras Drang, für die Befreiung ganz Lateinamerikas zu kämpfen, verwirklicht sich 1963. Sie wird in Kuba als Kundschafterin ausgebildet und ist ab 1964 in Bolivien tätig, um dort die politischen Bedingungen für eine revolutionäre Guerillabewegung auszuloten. Tamara taucht hier, getarnt als Ethnologin mit dem Namen Laura Gutiérrez Bauer, in die bürgerlichen und Regierungskreise ein. Nach einigen Pannen und Schwierigkeiten fliegt ihre Identität auf. Daraufhin schließt sie sich im März 1967 der Guerilla um Che an und bekommt den Decknamen Tania. Ende August 1967 muss sie mit ihrer Guerilla-Einheit vor den Regierungstruppen fliehen und wird am 31. August erschossen. Ihre Leiche wird erst Tage später im Rio Grande gefunden und verscharrt. Erst 1997 werden ihre Gebeine gefunden und gemeinsam mit denen des Che und weiterer Mitstreiter nach Kuba ausgeflogen. Dort werden sie in der Gedenkstätte Memorial Che Guevara in Santa Clara beigesetzt.

In Kuba wird Tamara Bunke bis heute als ein Beispiel für die Zärtlichkeit der Völker geehrt. ¡Tania presente!, Tania ist bei uns!, mit diesem Ausruf ist Tamara in Kuba unter ihrem Guerilla-Namen in stetiger Erinnerung. Auch heute noch, also 50 Jahre nach ihrem Tod, kennt fast jede Kubanerin und jeder Kubaner sie – auch Tamara selbst wird fast schon als Kubanerin angesehen. Vermutlich hätte ihr das gut gefallen, schrieb sie doch einst in einem ihrer Briefe, sie fühle sich "kubanisiert".

An der CUJAE, der technischen Hochschule in Havanna, an der unser Proyecto angesiedelt ist und bei den vielen Begegnungen und Besuchen, die wir im Rahmen unseres Solidaritätsprojekt auf Kuba erleben durften, konnten wir "Bunkistas" immer wieder die Gelegenheit ergreifen, an Tamara zu erinnern. Dies hat uns gelegentlich sogar persönliche Einblicke in ihr Leben vermittelt. In diesem Frühjahr berichtete eine Mitarbeiterin des Patentamtes einigen TeilnehmerInnen des Proyectos aus ihrer Erinnerung, dass Tamara in ihrem Stadtteil als Gruppenleiterin der kubanischen Kinderorganisation gearbeitet hatte und unter anderem Fechtunterricht gab und Zeltlager begleitete. Von der Leiterin des Museums zur Alphabetisierungskampagne war zu erfahren, dass sie einen wissenschaftlichen Artikel vorbereitet, der belegt, dass Tamara in der Alphabetisierungskampagne von 1961 als Freiwillige und einzige Deutsche dabei war.

Beim Besuch im Studienzentrum Che Guevara in Havanna sprachen Camilo und Aleida Guevara, Sohn und Tochter des Che, mit uns über die Bedeutung von Leben und Werk Tamaras und versicherten uns, dass die Namensgebung unseres Proyectos auch im Sinne des Che sei, der sie ja nicht ohne Grund in den kleinen Kreis der Guerilleros in Bolivien aufgenommen habe. Wir konnten ihnen berichten, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Proyecto Tamara Bunke bereits im Jahr 2015 der Eröffnung der Ausstellung über Tamara in der Gedenkstätte in Santa Clara beigewohnt und später einen Bericht darüber in unserem Blog veröffentlicht hatten.

Und Camilo Guevara erkundigte sich daraufhin tatsächlich bei uns, ob wir nicht Interesse daran hätten, uns näher mit dem Leben und Werk Tamaras auseinanderzusetzen. Ihr müsst wissen, dass im Studienzentrum Che Guevara aktuell sehr viele, überwiegend deutschsprachige Dokumente, etwa Briefe von und an Tamara, darauf warten, gesichtet und archiviert zu werden, um sie in Form von Ausstellungen auch der Öffentlichkeit zugänglich machen zu können. So haben wir im Februar dieses Jahres begonnen, die ersten Kisten mit Material zu sichten und Dokumente zu übersetzen. Jetzt wollen wir diese Arbeit am Nachlass von Tamara fest in das Proyecto integrieren, und dies vor allem für diejenigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die länger als sechs Monate in Kuba bleiben wollen. Diese Gelegenheit ist im wahrsten Sinne des Wortes von historischem Ausmaß – wir dürfen da an etwas wirklich Großem mitwirken! Es ist ein Privileg, sich dem Leben Tamaras zu nähern und dazu beizutragen, ihre Geschichte zu berichten, vor allem auch nach Deutschland, wo sie immer weniger bekannt ist.

Aus unserer Sicht ist Tamara Bunke ein Symbol dafür, dass der Kampf um Befreiung international sein muss. In diesem Internationalismus nimmt das sozialistische Kuba eine ganz besondere Rolle ein, damals wie heute. Ich möchte Euch, liebe Freundinnen und Freunde, dafür danken, dass Ihr uns bei der Realisierung des Proyecto Tamara Bunke so stark unterstützt! Es hilft uns dabei, auch in Zukunft den kubanischen Sozialismus zu erleben und selbst zur Internationalistin, zum Internationalisten zu werden. Hoch die internationale Solidarität,

¡Tamara presente!

CUBA LIBRE

CUBA LIBRE 1-2018