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Zum zweiten Mal nach 2014 hatte ich die Gelegenheit, nach Deutschland zu reisen und dieses Mal auch die Schweiz und Italien zu besuchen, um den Freunden Kubas und jenen, die es noch werden können, anhand meiner Lebensgeschichte einen möglicherweise unbekannten Teil der Realität meines Landes zu vermitteln.
Zu Beginn muss ich die Deutsche Kommunistische Partei loben. Diese nach Mitgliederzahlen kleine DKP hat mit ihrem Pressefest am ersten Juliwochenende in Dortmund wieder einmal bewiesen, dass man mit endlichen Mitteln unendlich viel erreichen kann, wenn man eine Sache mit Liebe zu seinen Idealen angeht. In der Casa Cuba wurden, über Mojitos und schöne kubanische Musik hinaus, den in Deutschland erstaunlich langen Sommertag hindurch Informationen über die Größte der Antillen geboten.
Meiner Schwester Amanda und mir, die wir auf sechs Veranstaltungen sprachen, wurde dabei klar, wie viel Kuba für die Linke bedeutet und wie groß die Sorgen mit Blick auf die Zukunft unserer Insel sind.
Sofort nach dem Pressefest brachen wir in Richtung Schweiz auf. Gemeinsam mit Lisa und Diane, den Freundinnen des Women‘s Press Collective, die meine New York und Washington-Rundreise mitorganisiert hatten, referierten wir unter anderem über Armut in den USA, der Schweiz und Kuba. Wir besuchten zwei Behindertenheime, die sich durch viel Technologie, aber wenig menschliche Wärme auszeichneten. Zweimal zeigten wir auch den Dokumentarfilm »Die Kraft der Schwachen«. Unter all den Personen, die dieses Projekt möglich gemacht haben, habe ich vor allem Natalie, Sämi und Magdalena zu nennen. Die Wohnung der beiden Letztgenannten kann man sich übrigens wie eine Verlängerung der kubanischen Botschaft vorstellen.
Wo von Botschaften die Rede ist: In der Schweiz hatte ich die Gelegenheit, in der kubanischen Botschaft in Bern die menschlichen Qualitäten ihrer Beschäftigten kennenzulernen, die unseren diplomatischen Dienst auszeichnen.
Wieder zurück in Deutschland, sprachen wir am 9.7. auf einem Soli-Fest in Frankfurt und in Anwesenheit des venezolanischen Konsuls über die Offensive der Rechten in Lateinamerika. Ich bin mir übrigens sicher, dass die Glückssträhne der Rechten so schnell wieder vorbei sein wird, wie sie begonnen hat.
In einem seltsamen Zustand von Temperaturen von unter 20 Grad, den man in Hamburg »Sommer« nennt, kam eine ansehnliche Zahl von Menschen zu unserer Veranstaltung in einem stilvollen Kulturhaus. Sie war von Esther Bejarano und Dorothea Buck, zwei überlebenden Verfolgten des Faschismus, initiiert worden.
Die drängenden Fragen ließen nicht lange auf sich warten: Sind die Kubaner darauf vorbereitet, sich den mit der Annäherung mit den USA verbundenen Herausforderungen zu stellen? Hoffentlich ist es meiner Schwester und mir gelungen, den Anwesenden, die bis dahin zum Großteil keine enge Beziehung zu Kuba und der Solidaritätsbewegung hatten, neue Aspekte unserer Realität zu vermitteln.
Etwas ganz Besonderes war der Austausch mit Dorothea Buck, die unter den Nazis als »Geisteskranke« zwangssterilisiert wurde. Wenn Dorothea »verrückt« ist, möchte ich es in ihrem Alter auch sein. Die geistige Präsenz dieser Frau, die bald 100 Jahre alt sein wird, hat mich während unseres vierstündigen Gespräches nachhaltig beeindruckt.
Weiter ging es nach Düsseldorf, wo wir im Bambi-Kino über Kubas Jugend und seine Zukunft sprachen. Die Veranstaltung ähnelte nicht nur vom Ort her der vor zwei Jahren. Wie damals sah ich mich herausgefordert, zu erklären, warum wir Kubaner darauf bestehen, das kubanische System im Allgemeinen und seine Demokratie im Besonderen selbst weiterzuentwickeln – ohne Einmischung von außen.
Manche Leute glauben lieber den Skandalisierungen der bürgerlichen Zeitungen, als dass sie ein lebendiges Beispiel an sich heran lassen würden, wie ich eines bin.
Am 22. August erreichten wir mit der Veranstaltung in Leipzig zum ersten Mal das Gebiet der ehemaligen DDR. Für das dortige Publikum sind die kubanischen Problemstellungen der Gegenwart nichts Neues. Schon im Jahr 2014 in Dresden hatten wir Wehmut wahrgenommen und auch die Sorge, ob wir Kubaner uns auf den Weg der Selbstzerstörung begeben würden. Trotz aller Ähnlichkeiten besteht aber der große Unterschied zwischen beiden Ländern darin, dass wir unsere Revolution allein und aus eigener Kraft gemacht haben.
Am selben Abend fuhren wir weiter nach Berlin, wo wir auf der Fiesta de la Solidaridad erleben konnten, wie in der Solidarität mit Kuba die verschiedensten Menschen zusammenkommen. Deshalb betonte ich in dem Grußwort, um das man mich gebeten hatte, die Bedeutung der Einheit, die Notwendigkeit, zusammen zu stehen und sich nicht blenden zu lassen. Solange es den Imperialismus gibt, wird Kuba seine Freunde brauchen, die an allen Ecken der Welt die kubanische Revolution verteidigen.
Am nächsten Morgen flogen wir in aller Frühe nach Italien, wo wir im Mailänder Hauptbahnhof die italienische Arbeiterbewegung in Form eines Streiks kennenlernten, dem unsere Zugverbindung zum Opfer fiel. Als wir die vom Mittelmeer gestreichelte Küstenstadt Savona erreichten, galt mein erster Gedanke den Tausenden von Menschen, die vor vom Westen verursachten Krisen und Kriegen nach Europa zu fliehen versuchen.
Ohne Zeit zu haben, auch nur den Wegstaub abzuschütteln, ging es gleich weiter zur ersten Filmpräsentation. Dort konnten wir erklären, dass der Großteil unserer Bevölkerung sich unserer Geschichte sehr wohl bewusst ist: Wir kennen das Monster und seine Absichten in Bezug auf Kuba nur zu gut. Tags darauf empfing uns die Stellvertretende Bürgermeisterin des Städtchens Celle und wir besuchten ein Projekt zur Wiederansiedelung autochthoner Pflanzenarten in einer Kommune, die enge Arbeitsbeziehungen mit der kubanischen Provinz Granma unterhält. Und schließlich war ich am Abend desselben Tages eingeladen, auf einem antifaschistischen Pasta-Essen zu sprechen, veranstaltet von der örtlichen Sektion des Nationalen Verbandes der Partisanen in Italien.
Von Savona ging es wieder zurück in die Schweiz, wo wir unter anderem auf die Spitze des Brienzer Rothorn hinauffuhren und unsere Fahne auf 2300 Meter über dem Meeresspiegel aufspannten. ¡Viva Cuba Libre!
Am 30.7. durfte ich eine Ansprache auf dem Fest zu unserem kubanischen Nationalfeiertag in Bern halten. Anschließend tanzten wir mit den anderen anwesenden Kubanern bis in die Nacht. Tags darauf präsentierten wir den Film in Coldrerio, einem Ort an der Grenze zu Italien. Eine Gruppe von US-amerikanischen Gaststudenten, die zu der Veranstaltung gekommen war, bestürmte uns anschließend, den Film wieder in den USA zu zeigen. Am 1.August kam mir schließlich die Ehre zu, auf einer alternativen Kundgebung zum Schweizer Nationalfeiertag in Chiasso zu sprechen. Franco Cavalli, ein Onkologe von Weltruhm und Europapräsident der Ärztevereinigung Medicuba, war extra angereist, um mich dem Publikum vorzustellen. Ich versuchte, in wenigen Worten auszudrücken, dass wir keine andere Wahl haben, als diese Welt in einen Ort zu verwandeln, in dem alle Menschen ein würdiges Leben leben können. Zu diesem Zweck werden wir einige Kämpfe durchstehen müssen, aber am Ende wird es sich gelohnt haben.
Ähnliches lässt sich auch von unserer Rundreise sagen, auf der wir mehr als 5.000 km zurücklegten. Am 4. August bestiegen meine Schwester und ich die Maschine in unser geliebtes Kuba mit dem Gefühl: Es hat sich gelohnt.
Es lebe Kuba und seine solidarischen Freunde!
(Übersetzung: Tobias Kriele)
CUBA LIBRE 4-2016