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Es gibt Sätze, die für die Menschen, auch wenn sie immer und immer wieder wiederholt und gehört werden, immer noch einen neuen Sinn in sich tragen. Einen dieser Sätze hat der US-Sub-Staatssekretär Lester D. Mallory in einem Memorandum vom 6. April 1961 gesagt:
»Die Mehrheit der Kubaner unterstützt Castro … Die einzige absehbare Art und Weise, ihm die interne Unterstützung zu entziehen, ist mittels der Enttäuschung und der Unzufriedenheit, die aus dem wirtschaftlichen Mangel und den materiellen Schwierigkeiten erwachsen … eine Handlungslinie, die, obwohl so zurückhaltend und diskret wie möglich gehalten, Kuba auf effektive Weise von Geldfluss und Nachschub abschneidet, um so seine Finanzressourcen und die Reallöhne zu senken, Hunger, Verzweiflung und schließlich den Sturz der Regierung zu provozieren. « Eisenhower und die ihm folgenden Regierungen beherzigten ausnahmslos diese Worte von Mallory.
Die Inkonsistenz der US-Politik trat am 17. Dezember 2014 zutage. Dem Datum, an dem beide Regierungen der Welt mitteilten, dass Kuba und die USA nach 50 Jahren Unterbrechung ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufnehmen und an der Normalisierung derselben arbeiten würden.
Ein Jahr nach diesen historischen Ankündigungen ist die Politik der Obama-Administration undurchschaubar. am 17. Dezember 2014 hatte der US-Präsident noch eingestanden, dass der Drang, Kuba zu isolieren, die größte imperiale Macht des Planeten ihrerseits isoliert hat. Den heute republikanisch dominierten US-Kongress bat er deshalb, die Blockade gegen Kuba zu überdenken.
»Ich bin mir sicher, dass der Kongress unweigerlich das unpassende Embargo aufheben wird.« So sprach Obama in der 70. UN-Generalversammlung. In seiner Rede zur Lage der Nation wiederholte er diesen Aufruf an den Kongress. Aber es scheint, als würde der US-Präsident seine eigenen Befugnisse nicht kennen oder zumindest nicht bereit sein, die Verantwortung alleine zu tragen.
Wenn der Präsident wirklich einen epochalen Wandel zwischen Kuba und den USA erreichen will, warum ergreift er dann keine Mittel, um ihn zu erleichtern? Er könnte beispielsweise die Waren-Einfuhrbeschränkung für US-amerikanische Kuba-Reisende aufheben. Warum sollen US-Bürger keinen Zugang zu kubanischer Medizin haben oder Kuba Inhaltsstoffe für die Produktion von Medikamenten verkaufen dürfen?
Viele US-Amerikaner mit Diabetesgeschwüren erhalten dadurch keinen Zugang zum Heberprot-P, einem durch kubanische Biotechnologie hergestellten Medikament, das in über 20 Ländern eingesetzt wird. Diabetes ist der häufigste Grund für Amputationen in den USA.
Man sollte diejenigen, die die US-Statistiken erstellen, fragen, wie viele Patienten mit Lungenkrebs keinen Zugang zum die Lebensqualität erhöhenden kubanischen Therapiemittel Cimavax haben.
All dies zeigt, dass die Blockadepolitik nicht nur den Kubanern, sondern auch den US-Amerikanern gegenüber unmenschlich ist.
Raúl Castro begrüßt Barack Obama, Foto: Ismael Francisco / Cubadebate |
Es gibt nur vier Punkte, über die allein der Kongress die Entscheidungsmacht hat: Erstens die Erlaubnis des Handels von US-Unternehmen mit Kuba; Zweitens die Zulassung von Transaktionen mit ehemaligen, nach der Revolution durch die kubanische Regierung verstaatlichten US-Firmen; Drittens die Aufhebung der Verpflichtung zur Vorkasse in Bar für den kubanischen Ankauf von landwirtschaftlichen Produkten; Viertens die Aufhebung des gesetzlichen Verbotes von touristisch motivierten Reisen von US-Amerikanern nach Kuba.
Wie viele US-Amerikaner wären in 2015 wohl gerne in die Ferien nach Kuba gefahren? Einem Urlaubsziel, das seine eigene Bestmarke brach und auf 3,525 Millionen Besucher kam.
Am 26. Januar dieses Jahres kündigten das Handels- und das Finanzdepartment der USA neue Regelungen gegenüber Kuba an. Demnach ist es US-Finanzinstituten gestattet, autorisierte (Wieder-) Exporte zu finanzieren, allerdings mit Ausnahme landwirtschaftlicher Produkte.
Im Januar und September 2015 war die Ausfuhr von US-Waren nach Kuba zugelassen worden, insbesondere im Fall von Baumaterialien, Maschinen und Werkzeugen für den nicht-staatlichen Sektor sowie für die nicht-staatliche Landwirtschaft.
Im Bereich der Exporte sehen die Maßnahmen eine generelle Erlaubnis für ausgesuchte landwirtschaftliche Produkte vor, wie Insektizide, Pestizide und Herbizide. Gleiches gilt für Technologien, die für die zivile Luftfahrtsicherung und die operative Sicherheit für kommerzielle internationale Flüge notwendig sind. Darunter fällt auch die Vermietung von Flugzeugen an staatliche Firmen.
Bis zum heutigen Tag ist somit kein wesentlicher Bestandteil der Blockadepolitik modifiziert worden. Präsident Obama bleibt wenig Zeit, um seine Veränderungen in einer Weise unumkehrbar zu machen, die es seinem Nachfolger unmöglich machen würde, die Uhr wieder zurück zu drehen. Einen Schritt in diese Richtung stellt die Entscheidung dar, nach einer Einzelfallprüfung Lizenzen auszustellen, die den (Wieder-)Export von Produkten erlauben, welche Grundbedürfnisse der kubanischen Bevölkerung decken. Darin einbezogen sind auch Verkäufe an staatliche Firmen, Agenturen und Regierungsorganisationen. Zum ersten Mal wird damit ein Handel mit dem kubanischen Staat akzeptiert.
Auch in Bezug auf die Reisen nach Kuba gab es Veränderungen, vor allem bezüglich der Reisen von Medien- oder Kulturschaffenden.
Darüber hinaus wurden Reisen und Geschäfte im Zusammenhang mit der Organisation von internationalen Amateursportwettkämpfen zugelassen.
Absurderweise wurde die US-Designfirma WATG am 20. Januar – kurz vor der Bekanntgabe der neuen Regularien – mit einer Geldbuße von 140.400 US-Dollar belegt, weil sie Handel mit Kuba betrieben hatte. Es scheint, Obama steht auf einer anderen Seite als der Rest seines Kabinetts – oder der US-Präsident ist von Widersprüchen zerrissen.
In der ganzen Welt wächst das Interesse an Kuba, die Zahl der ausländischen Investitionen steigen Tag für Tag, die Entwicklungszone Mariel schreitet in Riesenschritten voran. Es ist bedauerlich, dass die US-Amerikaner, seien sie Geschäftsleute oder nicht, sich nicht in Kuba aufhalten oder dort investieren können.
Obama bleiben wenige Monate im Oval Office. Wenn er sie zu nutzen verstünde, würde das seinen Platz in der Geschichtsschreibung sichern, in der er bereits jetzt als der einzige eingegangen ist, der seinen Kurs zu berichtigen wusste. Auf diese Weise würde er auch seine Partei im Wahlkampf unterstützen. Denn nicht zufällig haben sämtliche ihrer Kandidaten ihre Position hinsichtlich Kuba unterstrichen. Für den Nobelpreisträger heißt es jetzt, seinem Wort treu zu bleiben, die Widersprüche hinter sich zu lassen und es zu verstehen, Theorie und Praxis in Einklang zu bringen.