CUBA LIBRE will in dieser Rubrik aufzeigen, was die Konzernmedien verschweigen, Falschmeldungen enthüllen und Manipulationen aufdecken.
Rotation. Foto: Wiljo Heinen |
Auch kritische Mediennutzer erwarten, dass »Zeit« und »FAZ« sowie die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten höhere Anforderungen an die Qualität der journalistischen Berichterstattung stellen als »Bild« oder private Klamauksender. Hin und wieder trifft das zu – in Beiträgen über Kuba gibt es jedoch kaum Unterschiede. Der gezielte Einsatz von Begriffen, die Aggressionen verharmlosen oder Realitäten verfälschen, ist eine subtile, aber erfolgreiche Methode der Desinformation. Sprache wird, wie die zwei folgenden Beispiele zeigen, bewusst und unbewusst zum Mittel der Manipulation.
Fall 1:
Embargo oder Blockade?
Die Konzernmedien verwenden das Wort »Embargo« für einen Vorgang, der weit über dessen Bedeutung hinausgeht und gegen das Völkerrecht verstößt. Sie bezeichnen damit die seit 1960 in Stufen ausgeweitete nahezu totale Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der USA gegen Kuba. Washington selbst besteht sehr bewusst auf dem verharmlosenden Begriff »Embargo«, um den wahren Charakter ihrer Sanktionen zu verschleiern. »Embargo« bezeichnet eigentlich die Unterbindung des Im- und Exports von Waren oder Rohstoffen aus oder in ein Land. Würde Washington nur den Austausch zwischen den USA und Kuba sanktionieren, könnte dies als Embargo bezeichnet werden. Tatsächlich verhängen die USA aber Strafgelder gegen Banken und Unternehmen in aller Welt, um die Geschäfte souveräner Länder mit Havanna zu ver- oder behindern. Diese exterritoriale Anwendung schränkt sowohl die Rechte Kubas als auch die Souveränität anderer Staaten ein und hat damit den Charakter einer Blockade. Da eine internationale Seerechtskonferenz in London bereits 1909 eine Blockade aber als »Kriegsakt« definierte, die nur unter »im Krieg befindlichen Staaten« völkerrechtlich zulässig sei, verwundert es nicht, dass Washington die präzise Bezeichnung seines Vorgehens aus dem internationalen Sprachgebrauch tilgen möchte. So verwandelt Sprache einen kriegerischen Akt der USA, nämlich die Blockade gegen Kuba, in ein deutlich harmloseres Embargo, also die Entscheidung Washingtons darüber, mit wem US-Unternehmen Handel treiben dürfen und mit wem nicht. Formal erkennen die Mitgliedsländer der Europäischen Union die exterritoriale Ausweitung der Blockade gegen Kuba nicht an, stimmen in den Vereinten Nationen sogar regelmäßig dagegen. Faktisch ordnen sie sich jedoch dem Diktat Washingtons unter und die Konzernmedien tragen ihren Teil dazu bei.
Fall 2:
Amerikaner oder US-Bürger?
US-Bürger sind zweifelsohne, wie die Bewohner der anderen 34 Länder des Doppelkontinents, Amerikaner. Für die Konzernmedien scheinen sie jedoch die Einzigen zu sein. Sind die USA gemeint, heißt es dort häufig »Amerika«, aus US-Bürger werden »die Amerikaner «. Seit einiger Zeit berichten bundesdeutsche Leitmedien darüber, dass »die Amerikaner« jetzt in Scharen nach Kuba reisen, dessen Unabhängigkeit und Souveränität, ja die Zugehörigkeit zum Kontinent damit – wie zu Zeiten José Martís – in Frage gestellt wird.
Man stelle sich vor, dass ein Artikel über deutsche Touristen in Rom mit der Überschrift versehen würde: »Immer mehr Europäer kommen nach Italien«, obwohl damit ausschließlich Deutsche gemeint sind. Auch Japaner wären vermutlich wenig erfreut, wenn sie über Aktivitäten chinesischer Geschäftsleute in ihrem Land lesen würden: »Asiaten investieren in Japan.« Missachtung der anderen Völker des Kontinents und Verdrehung von Tatsachen wären berechtigte Vorwürfe und nicht einmal »Bild« würde eine derartige Schlamperei durchgehen lassen. In Berichten über Kuba ist sie dagegen tägliche Praxis, nicht nur in »Bild«, sondern auch in »FAZ«, »TAZ«, »Zeit«, »ARD« und »ZDF«. Der Grund dafür ist vermutlich nicht eine fehlende sprachliche Kompetenz der dort beschäftigten Journalisten.
Kurt Tucholsky schrieb der deutschen Linken bereits 1929 in einem unter dem Pseudonym Peter Panter in der Weltbühne veröffentlichten Aufsatz ins Stammbuch: »Sprache ist eine Waffe. Haltet sie scharf. Wer schludert, der sei verlacht.«
Volker Hermsdorf
CUBA LIBRE 4-2015