Kuba schaut trotz bescheidenen Zuwachsraten

mit begründetem Optimismus in die sozialistische Zukunft.

Die Ergebnisse der wirtschaftlichen Entwicklung im ersten Halbjahr 2014 weisen mit 0,6 % Wachstum des BIP auf gewisse Probleme hin – die Prognosen für das Jahr werden vom Ministerium für Wirtschaft und Planung mit einem Zuwachs von etwa 1,4% angegeben. Raúl Castro hat in seiner Rede vor den Abgeordneten der Nationalversammlung betont, dass auch diese Zielstellung eine angestrengte, disziplinierte Arbeit erfordere, um die noch nicht genutzten Reserven einer effizienteren ökonomischen Arbeit auf allen Gebieten zu erschließen.

Langsames Wachstum stößt auf Kritik

Natürlich wurden angesichts solcher verlangsamter Wachstumsraten kritische Stimmen zur vom VI. Parteitag beschlossenen Politik der umfassenden Modernisierung des sozialistischen Modells laut. Insbesondere unter Wirtschaftswissenschaftlern mehrten sich Zweifel, ja sogar Enttäuschung. Trotzdem setzen Partei und Regierung den eingeschlagenen Weg konsequent fort. Raúl Castro führte auf der Tagung des Ministerrates am zweiten April aus: »Wir gehen in einem guten Rhythmus voran, denn die Größe und Kompliziertheit der Probleme erlaubt es nicht, dass wir diese von einem Tag zum anderen lösen könnten. Wir müssen dem Druck derjenigen widerstehen, die fordern, dass wir schneller vorangehen sollen …«

Kuba braucht Geld für Investitionen

Natürlich entsprechen die Wachstumsraten nicht den Erfordernissen des Landes, sie sind aber keinesfalls ungewöhnlich oder gar beunruhigend, verglichen mit anderen Volkswirtschaften der Region oder auch Europas. In Zeiten der andauernden Krise mit ihren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft ist es für solche Staaten wie Kuba besonders problematisch, das erforderliche Wachstum zu sichern. Das Wichtigste in der jetzigen Phase der Realisierung der Beschlüsse des VI. Parteitages ist der Zufluss entsprechender finanzieller Mittel, um die noch immer gravierenden Probleme der produktiven Investitionen in der Industrie und auch in der Landwirtschaft lösen zu können. Die Einnahmen aus den Exporten genügten nicht zur Bildung notwendiger Reserven und die noch immer hohen Ausgaben für Importe – besonders für Lebensmittel – lassen keinen Raum, um Kapital für produktive Investitionen anzuhäufen. Die Landwirtschaft hat auch in den Jahren 2013 und 2024 unter klimatischen Einflüssen gelitten, obwohl der Beginn leichter Produktionssteigerungen auf verschiedenen Gebieten zu verzeichnen ist.

US-Blockade verhindert Entwicklung

Ein wirklich ernstes Problem ist die weitere Verschärfung der Blockade durch die US Regierung, die sich zunehmend auf die internationalen Finanzbeziehungen konzentriert und natürlich verstärkt auf Kuba ausgerichtet ist.

Eine Fülle von Problemen belastet also die Durchsetzung der Prinzipien einer sozialistischen Wirtschafts- und Sozialpolitik unter den spezifischen Bedingungen Kubas sehr stark.

Unter diesen komplizierten Bedingungen überwiegt jedoch der Wille, mit Entschiedenheit und Optimismus den Kampf für die Realisierung der Beschlüsse des VI. Parteitages fortzusetzen. Der Ministerrat Kubas beschloss in seiner Sitzung Anfang Juli 2014 die Grundlagen für die langfristige wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes bis hin zum Jahr 2030. Diese dienen als verbindliche Richtschnur für die Ausarbeitung der Fünfjahrpläne.

Gesellschaftliches Eigentum an wichtigen Produktionsmitteln bleibt

Auch in diesen grundlegenden Thesen wird davon ausgegangen, das gesellschaftliche Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln beizubehalten und ein Entwicklungsmodell mit größter Effizienz auf allen Gebieten voranzubringen, um Wohlstand, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit für alle Kubaner zu sichern.

Nach den seit dem Parteitag 2011 durchgeführten unzähligen Veränderungen kann die kubanische Führung in der jetzigen Entwicklungsphase davon ausgehen, dass die in diesem Jahr eingeleiteten Maßnahmen zur Modernisierung des Wirtschaftsmodells auf einer qualitativ höheren Stufe erfolgen und einschneidende, komplexere Zusammenhänge betreffen. So zum Beispiel, die Vereinheitlichung des Finanz- und Währungssystems, die Umstrukturierung der staatlichen, sozialistischen Unternehmen (im Zusammenhang mit dem Abschluss der ersten Phase der Reform der Zentralen Staatlichen Verwaltung und der Trennung bzw. Neudefinierung der Verantwortung für die produzierenden und der politisch-administrativen Bereiche), die Bildung von Genossenschaften in nicht landwirtschaftlichen Bereichen und die Entwicklung von Großmärkten.

Um jedoch die in der Prognose enthaltenen anspruchsvollen Ziele zu erreichen, ist die höhere nachhaltige Zuwachsrate des Internen Bruttoprodukts unbedingt erforderlich.

In den Leitlinien ist daher auch eine höhere Beteiligung ausländischen Kapitals an den Direktinvestitionen als Ergänzung des Investitionsprozesses vorgesehen. Offensichtlich gaben aber die bisherigen Regelungen nicht genügend Anreiz für eine stärkere Beteiligung ausländischen Kapitals. In den vergangenen 25 Jahren ließ sich ein gravierender Mangel an Kapital generell nicht beheben, was sich wesentlich auf das Wachstum auswirkte. Am 28. Juni diesen Jahres trat das Gesetzeswerk zur Neuregelung ausländischer Investitionen in Kraft. Es setzt den juristischen Rahmen für größere Anreize und Garantien für potentielle ausländische Investoren. Der Minister für Außenhandel und ausländische Investitionen, Rodrigo Malmierca, hat auf zahlreichen Veranstaltungen mit interessierten Vertretern aus dem Ausland für ihre Beteiligung geworben.

Sonderwirtschaftszone Mariel

Ein Beispiel für neue Möglichkeiten der Investitionspolitik soll die Schaffung einer ersten Sonderwirtschaftszone im neuen Hochsee- Containerhafen Mariel im Westen von Havanna werden. Er ist faktisch als Tor für die erforderlichen höheren Leistungen der Außenwirtschaft projektiert und soll Schiffe mit einer Wasserverdrängung bis zu 200 000 Tonnen bedienen können, die ab 2015 den erweiterten Panamakanal passieren sollen. Er hat eine Kapazität von 822 000 Containern pro Jahr. Der Hafen ist der erste Schritt bei der Schaffung der Sonderwirtschaftszone, die ein Territorium von 465 Quadratkilometern umfassen soll. Sicherlich werden die großen Umschlagkapazitäten auch von den ALBA-Staaten und anderen lateinamerikanischen Ländern genutzt werden. Die große politische Bedeutung dieses Unternehmens wurde auch dadurch unterstrichen, dass die Einweihung durch die Präsidenten Kubas und Brasiliens am Vorabend des II. Gipfeltreffens der CELAC in Anwesenheit von Staats- und Regierungschefs zahlreicher Staaten Lateinamerikas und der Karibik vorgenommen wurde. In einem Dekret des kubanischen Präsidenten sind die wichtigsten Ziele der Sonderwirtschaftszone formuliert: »… durch Schaffung von Exportkapazitäten, Beschäftigungsmöglichkeiten, Finanzierungen, Transfer von Technologie- und Logistiksystemen zur Entwicklung der Insel beizutragen und der Errichtung von nationalen und ausländischen Unternehmen zu stimulieren …« Es wurde eine Prioritätenliste für gewünschte ausländische Investitionen durch die kubanische Regierung veröffentlicht.

Zweifellos werden die gegenwärtig eingeleiteten Modernisierungsmaßnahmen eine erfolgreiche Realisierung der Perspektivpläne ermöglichen.

Unternehmen aus verschiedenen Ländern, wie Brasilien, China, Russland und Vietnam haben bereits entsprechende Anträge gestellt.

Maßnahmenkatalog

Neben den bereits zahlreichen Maßnahmen, die besonders das Finanzwesen, den Devisenhaushalt und die Schuldenregulierung betreffen, sind folgende Ereignisse von weitreichender Bedeutung für die Verwirklichung der Perspektivpläne:

1. Der offizielle Besuch des Präsidenten der Volksrepublik China, Xi Jinping, an der Spitze einer zahlreichen, hochrangigen Delegation am 22. und 23. Juli. Der Präsident Chinas wurde mit dem höchsten Orden Kubas »José Martí" geehrt. Während des Besuches wurden die Gemeinsamkeiten beider Länder im Aufbau der sozialistischen Gesellschaft und auch in der Außenpolitik betont. Es wurden 29 bilaterale Dokumente unterzeichnet, darunter ein Abkommen über wirtschaftlich-technische Zusammenarbeit, über großzügige Bedingungen für die Bereitstellung von Ausrüstungen und Materialien zur industriellen Entwicklung Kubas, einschließlich entsprechender Kredite, über die Verlängerung von Karenzfristen für bereits realisierte Kredite, Abkommen über die Kooperation in der Landwirtschaft, auf den Gebieten der Kunst und Kultur, der Volksbildung, des Gesundheitswesens, der Biotechnologie und des weiteren Ausbaus des Telekommunikations- und Verbindungswesens.

2. Der offizielle Besuch des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, am 12./13. Juli. In den hochrangigen Gesprächen wurde das gemeinsame Streben für friedliche, gleichberechtigte internationale Beziehungen zwischen den Staaten in einer multipolaren Welt, sowie die traditionelle, historisch gewachsene Freundschaft zwischen den Völkern beider Staaten betont. Es wurde 10 bedeutende Dokumente über die weitere wirtschaftlichtechnische Zusammenarbeit unterzeichnet. Für Kuba waren die etwa 35 Milliarden Dollar Schulden aus Zeiten der UdSSR ein gewaltiges Problem, dessen Lösung nun auf höchster Ebene bestätigt wurde: 90 % der Schulden werden erlassen und die restlichen 10 %, etwa 3,5 Milliarden Dollar, werden für Investitionsvorhaben Russlands in Kuba genutzt.

3. Der Besuch des Premierministers der Sozialistischen Republik Vietnam vom 26 bis 28. März diesen Jahres in Kuba. Auch aus diesem Anlass wurden wichtige Dokumente der weiteren Festigung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit abgeschlossen, die für die Vorbereitung der 32. Tagung der Gemeinsamen Regierungskommission für wirtschaftliche, wissenschaftlichtechnische Zusammenarbeit im zweiten Halbjahr 2014 und für die Durchführung des beschlossenen Fünfjahrplanes der Kooperation bedeutsam sind. Auch Premierminister Nguyen Tan Dung wurde mit dem Orden »José Martí« geehrt.

4. In Kuba werden die Beschlüsse und Pläne des jüngsten Gipfeltreffens der fünf BRICS-Staaten in der brasilianischen Stadt Fortalesa mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Bieten sich doch hier Möglichkeiten, die Blockadepolitik des von den USA beherrschten internationalen Finanzmarkts zu umgehen und für Entwicklungsländer Finanzprobleme für die Entwicklung von Infrastrukturmaßnahmen oder andere wichtige Projekte zu lösen.

CUBA LIBRE
Heinz Langer

CUBA LIBRE 4-2014