Beginn der Verwirklichung der Leitlinie Nr. 55
– sicher ein entscheidendes Vorhaben der Wirtschaftspolitik
Nach dem Zusammenbruch des befreundeten sozialistischen Lagers in Europa begann auch für Kubas Wirtschaft eine tiefe Krise. Das Land kämpfte in der begonnenen Spezialperiode ums Überleben und um die Verteidigung der Errungenschaften der Revolution.
Es waren Entscheidungen unerlässlich, um dem Land, der Wirtschaft und der Bevölkerung legalen Zugang zu sogenannten harten Devisen zu ermöglichen. Der Umlauf des US-amerikanischen Dollars wurde auf dem anwachsenden blühenden Schwarzmarkt zum Kurs 1 US Dollar zu 140 kubanische Peso gehandelt. Die Regierung sah sich gezwungen, im Jahre 1993 die Zirkulation des US-Dollars zu legalisieren und weitere Maßnahmen einer gewissen Öffnung zum Währungsgebiet des kapitalistischen Marktes zu ergreifen. Der konvertible Peso (CUC), als »harte« Währung an den Dollar gekoppelt, wurde als von der Zentralbank Kubas emittierte Währung herausgegeben. Es zeigte sich aber bald die Notwendigkeit, zum Schutz der nationalen Wirtschaft die freie Zirkulation des US-Dollars in Kuba zu untersagen, obwohl sein Besitz weiterhin gestattet war. Die Zirkulation des US-Dollars als Zahlungsmittel in Kuba wurde schließlich per Regierungsdekret im Dezember 2004 untersagt, auch um den Devisenhaushalt des Landes vor Störungen zu schützen. Der CUC, der 1 zu 1 zum US Dollar als Zahlungsmittel neben dem kubanischen Nationalpeso (1 zu 25) im Lande zirkuliert, kann – dem jeweiligen Tageskurs angepasst – auch in andere »harte Währungen« als dem US Dollar getauscht werden.
Objektive Grenzen durch Doppelwährung
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Mit der entschiedenen Durchsetzung der vom VI. Parteitag beschlossenen Leitlinien, besonders mit der Modernisierung des Wirtschaftsmodells, kommen die objektiven ökonomischen Gesetze in der Planung und in der gesamten Wirtschaftsführung deutlicher zur Wirkung. Sie stoßen verständlicherweise auf objektive Grenzen, die durch die Doppelwährungen und verschiedenen Wechselkurse in der gesamten Wirtschaftsstruktur chaotische Zustände ausgelöst haben und nun saubere ökonomische Regelungen dringend erfordern. Für die Unternehmen wurde per Dekret entschieden, dass ein kubanischer Peso (CUP) einem CUC gleich sei und somit auch einem US Dollar. Das ist natürlich kein Ausdruck der finanziellen Kapazität eines Unternehmens, sondern lediglich eine Möglichkeit für eine administrative Leitung der Wirtschaft. Für die Bevölkerung hingegen gab es die Möglichkeit, die offiziellen Wechselstuben (CADECAS) zum Umtausch zu nutzen (Kauf eines CUC für 25 CUP und 24 CUP für den Verkauf eines CUC). Es ist natürlich auch nicht zu übersehen, dass dieses Durcheinander der Währungen und ihrer Wechselkurse auch in der Bevölkerung soziale Differenzierungen, Ungerechtigkeiten provoziert – ja sogar zu asozialen bis kriminellen Handlungen wie Korruption verleitet, sowie große Herausforderungen für die Gesellschaft darstellt. Die Löhne und Gehälter, die sowieso unzureichend waren, wurden überwiegend in CUP gezahlt und man war auch gezwungen, verschiedene Waren in Devisenläden zu kaufen.
Sichere Phase ermöglicht Lösung
Nun ist die Entwicklung der kubanischen Gesellschaft und die Modernisierung des Wirtschaftsmodells in einer sicheren Phase ihrer Realisierung, dass sich die Lösung des Schlüsselproblems unübersehbar aufdrängt. Die Vereinheitlichung der Währungen ist zwar nicht die Garantie, dass sich alle anderen Probleme der Wirtschaft von selbst regeln. Entscheidend ist natürlich die Erhöhung der Effektivität der gesamten Wirtschaft, all ihrer Gliederungen und auf allen Ebenen, damit der Wert des CUP in seiner Geldfunktion, als Rechnungseinheit, Zahlungs- und Haushaltsmittel wieder hergestellt werden kann.
Der Leiter der Regierungskommission zur Einführung der Leitlinien formulierte es in seinen Darlegungen vor den Abgeordneten der Nationalversammlung im Juni 2013 etwa so: »Es muss vor allem das Wirtschaftsmodell so verändert werden, dass insgesamt eine höhere Leistungsfähigkeit und Arbeitsproduktivität der gesamten Volkswirtschaft erreicht wird, damit ein bestimmtes Niveau von Waren und Dienstleistungen zu nicht subventionierten Preisen, die auch für alle Bürger erschwinglich sind, gesichert werden kann.« Um das zu erreichen, ist die Realisierung unzähliger Maßnahmen erforderlich. Und der Oberste Repräsentant Rául Castro führte dazu am 3. Juli 2013 aus: »Das Phänomen der monetären Dualität ist eines der größten Hindernisse für das Voranschreiten unserer Nation und es muss … bis zu ihrer Vereinheitlichung durch die Erhöhung der Arbeitsproduktivität überwunden werden.«
Ohne Zweifel müssen außerdem zur Lösung des Problems vielfältige weitreichende und tiefgehende Veränderungen, wie im Lohnsystem, in den Renten, Preisen, Tarifen, Subventionen und Steuern erfolgen. An solchen Maßnahmen arbeiten zur Zeit die zuständigen Organe, die auch mit der Realisierung der Leitlinien der Wirtschafts- und Sozialpolitik befasst sind.
Ministerrat veröffentlicht Zeitplan
Wie zur Bestätigung dessen hat der Ministerrat im Oktober 2013 einen Zeitplan veröffentlicht, nach dem der komplizierte und langwierige Prozess nun eingeleitet wird. Und seine Verwirklichung wird, wie für die sozialistische Demokratie in Kuba vielfach bewährt und typisch, ebenfalls öffentlich und gemeinsam mit der Bevölkerung vollzogen. Die ersten, vielleicht für jedermann nicht so sichtbaren Maßnahmen betreffen die sogenannten juristischen Personen. Mit dem Ziel der Angleichung der Bedingungen für das Wachstum der Effizienz, der besseren Messung der wirtschaftlichen Kennziffern, wie das Interne Bruttoprodukt, das Nationaleinkommen, die Daten der Zahlungsbilanz, des Wirtschaftsplanes selbst und des Staatshaushaltes und schließlich der Stimulierung besonders der Sektoren, die Güter und Leistungen für den Export und für die Importsubstitution erzeugen. Die Einheitswährung in Nationalpeso trägt dazu bei, die Planung besser den realen Bedingungen anzupassen. Es hilft, die Entscheidungen für die Wirtschaftsführung genauer und übersichtlicher zu treffen und so die Steuerung der Wirtschaft selbst effektiver zu machen, die Kosten und Ausgaben genauer zu berechnen und schließlich die Preise transparenter und objektiver zu ermitteln.
Die Bedingungen schaffen
Mit dem offiziellen Startschuss durch den Ministerrat müssen natürlich auch die objektiven und auch subjektiven Bedingungen geschaffen werden, damit die Vorhaben zur Vereinheitlichung der Währungen zuverlässig realisiert werden können. Es müssen entsprechende juristische Normen erarbeitet werden. Die Ausrichtung der Informationssysteme, die Darstellung der Rechnungsregister sowie die Angleichung der Normen für die Rechnungsführung stehen nun auf der Tagesordnung. Das wird eine grundlegende, lang andauernde Etappe auch für die Vorbereitung und Ausbildung der Personen, die die verschiedenen Veränderungen vornehmen.
Die in der Wirtschaft begonnenen Veränderungen werden sich zweifellos auch auf die Bevölkerung auswirken. Dabei wird sicher nach dem bewährten Prinzip gehandelt, sich nicht unter Druck zu Improvisationen verleiten zu lassen. Mit dem Ministerratsdekret werden Versuche angeschoben, dass in bestimmtem sogenannten Devisenläden auch Waren mit CUP bezahlt werden können, allerdings zum gleichen Tarif der offiziellen Wechselstuben (CADECAS). Natürlich ist das für die Kubaner noch keine Lösung, aber die Palette der angebotenen Waren, sowohl in den Devisenläden als auch auf den Bauernmärkten und anderswo, wird erweitert. Die Mehrheit der Bevölkerung versteht, dass auch dieses Problem nur mit einer erhöhten Produktivität schrittweise zu lösen ist. Es ist in Kuba keinesfalls möglich, durch rigorose Sparprogramme und diskriminierende Bedingungen wie im Falle Europa durch die EZB oder in anderen kapitalistischen Gebieten durch den IWF sogenannte Schocktherapien zu Lasten der ohnehin schon ärmsten Bevölkerungsschichten die Finanzprobleme administrativ zu lösen.
Heinz Langer
CUBA LIBRE 1-2014