Über ein Jahr ist seit dem historischen VI. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas vergangen. Die im demokratischen Konsens mit dem Volk beschlossenen Leitlinien der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung prägen fortan die Tätigkeit der Partei, der Union der Jungen Kommunisten, aller gesellschaftlichen Kräfte und sind verbindlich für die Arbeit der Volksvertretungen, der Regierung und aller gesellschaftlichen Organisationen.
Wir, die Freunde des sozialistischen Kubas, haben die Debatten aufmerksam verfolgt und dabei gespürt, dass ein neuer Abschnitt, ja eine neue Qualität der sozialistischen Entwicklung eingeleitet wurde. Das stimmt uns angesichts der ausweglosen Entwicklung in den Ländern des globalisierten Kapitalismus, in denen die Wirtschaft, die Finanzen, die Umwelt von der lang anhaltenden Krise betroffen und die von den Völkern erkämpften sozialen Errungenschaften ernsthaft bedroht sind, optimistisch und zeigt der Menschheit einen möglichen Ausweg aus der Krise.
Sozialistische Alternative im Fadenkreuz
Die Feinde einer sozialistischen Gesellschaft streben gerade jetzt angesichts ihrer eigenen Misere verstärkt danach, mit ihren allseits bekannten Mitteln die gerade begonnene hoffnungsvolle Strategie Kubas in ihrer Wirkung zu verleumden. Es bietet sich an, dass die Freunde Kubas durch ihre politische Solidarität mithelfen, die sozialistische Entwicklung zu verteidigen, indem sie hier bei uns in der Bundesrepublik die Wahrheit aktiv verbreiten. Sicher muss man sich der Mühe unterziehen, die gesamte Entwicklung der kubanischen Revolution inklusive ihrer Wurzeln und Entwicklungsbedingungen zu untersuchen, um sich in der Gegenwart zurechtzufinden.
Es ist z. B. oberflächlich oder gar naiv zu behaupten, dass sich die Bürger Kubas von ihren Einkommen nicht richtig nach europäischem Standard ernähren könnten oder wie einige Publikationen glauben machen wollen, dass Kuba ausgerechnet im Jahre 2008 (dem Jahr des Krisentiefs in Europa) die schlimmste Wirtschaftskrise seit 1990 gehabt hätte. An Allem mag ja ein Körnchen Wahres sein, aber die, die solche Zustände feststellen, können oder wollen sich nicht die Bedingungen und das Ringen des kubanischen Volkes um das Überleben des Sozialismus unter den extrem widrigen Umständen vorstellen.
Schwere Ausgangslage für den Beginn einer nachhaltigen Entwicklung
Mit dem Verschwinden der Sowjetunion und des sozialistischen Versuches in den osteuropäischen Ländern, die nicht nur über die Wirtschaftsbeziehungen eng mit Kuba verbunden waren, brach bekanntlich 1989/90 faktisch über Nacht die größte Katastrophe über Kuba herein. Natürlich rüsteten die rachelüsternen exilkubanischen Terrororganisationen und ihre mächtigen Hintermänner in den USA auf, um den vermeintlich todkranken kubanischen Sozialismus und damit dem tapferen kubanischen Volk den letzten Stoß zu verpassen. Als die Kubaner gegen Ende der verheerenden Spezialperiode begannen aufzuatmen und ihre zerrütteten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen zu ordnen, Vernachlässigtes aufzuholen und die Wirtschaft ihres Landes sich in etwa dem Niveau des Jahres 1989 schrittweise wieder annäherte, just in dieser Zeit entwickelten sich in der Welt Bedingungen, die sich besonders brutal auf das geschundene Land auswirkten.
Einfluss der Entwicklungen des Weltmarktes
Die Weltmarktpreise entwickelten sich in den Jahren 2007/2008 für Kuba außerordentlich ungünstig. Gerade für Lebensmittelimporte Kubas stiegen sie um 53 %. Die zweitgrößte kubanische Importposition war Rohöl und für diese Importe stiegen die Preise unablässig, während sich die Preise für das Hauptexportgut Nickel 2008 im Vergleich zum Vorjahr auf 43 % reduzierten. In der gleichen Zeit verringerte sich die Nachfrage nach solch traditionellen Exportprodukten Kubas wie Langusten, Kaffee und Orangen. Der Zuckerpreis war schon seit Jahren in den Börsen soweit nach unten gedrückt, dass sich eine Exportproduktion nicht mehr lohnte. Kubanische Ökonomen haben errechnet, dass es zwischen den Jahren 1997 und 2009 allein durch die Preisentwicklung auf den Weltmärkten für Kuba einen Nettoverlust von 10,149 Milliarden Dollar gegeben hat, was bedeutet, dass der Wert der kubanischen Exporte um 15 % gesunken ist.
Die kubanische Regierung hatte bereits in den Jahren 2004/05 umfangreiche Kredite aufgenommen, um mit Hilfe aufwändiger Investitionen Grundlagen für eine schnelle Beendigung der Sonderperiode zu schaffen: Durchführung von Programmen zur Lösung der Probleme des Energiesektors, des Transportes, des Bauwesens, des Wohnungsbaues und anderer dringend erforderlicher Infrastruktur. Man kann sich vorstellen, dass damit die bereits extrem angespannte Devisenlage sich weiter verschlechterte. Die Krise auf den kapitalistischen Finanzmärkten ließ die Chancen für das sozialistische Kuba nicht besser werden.
Zyklone und Dürre
In dieser Zeit verwüsteten über 16 Tropenstürme die Insel und fügten dem Land Schäden von über 20,5 Milliarden Dollar zu. Hinzu kamen die extremen Dürreperioden, die allein zwischen den Jahren 2003 und 2005 Schäden von über 360 Millionen Dollar verursachten.
Das Regieren unter dem Druck der Umstände
Es ist verständlich, dass unter den Bedingungen Kubas in der Spezialperiode und den darauf folgenden schweren Prüfungen für das Volk die Beibehaltung der sozialistischen Ideale schweren Prüfungen unterworfen war. Die Regierung versuchte mit Tagesentscheidungen Rettungsaktionen für kurzfristige Lösungen der akuten Probleme durchzusetzen, eine langfristige Wirtschaftsplanung war objektiv nicht möglich und der tägliche Kampf ums Überleben beeinflusste ohne Frage die Lebens- und Verhaltensweisen der Menschen. Auch in der Arbeitsdisziplin, in den Verhaltensweisen von Leitern und Funktionären entstanden Anzeichen von Gleichgültigkeit. Die stets angespannte Versorgungslage, die z. T. objektiv bedingte Bürokratie in den Ämtern und die übermäßige Zentralisation in den Entscheidungen sowie die ungeklärten Auswirkungen der Doppelwährung nebst der damit zusammenhängenden unzähligen unbeantworteten Fragen der Sozialpolitik hinterließen natürlich entsprechende Wirkungen auf die politische und ideologische Situation. Hier zeigte sich aber auch die besondere Stärke der Partei und der gesamten Führung des Landes: Jeder Schritt aus der Krise wurde gemeinsam mit dem Volk gegangen. Es gab keine Kluft zwischen Arm und Reich, es gab keine Parasiten, die sich die Reichtümer, die das Volk unter Entbehrungen erarbeitet hatte, aneignen und ins Ausland transferieren konnten. Und es gab daher auch selbst in den härtesten Jahren keinen Aufschrei von Volksmassen nach Gerechtigkeit, wie es in den Hochburgen der kapitalistischen Krisenländer, wie Griechenland, Spanien, Portugal ja selbst in Frankfurt am Main zunehmend geschieht und die von den Repressionsorganen der sogenannten rechtsstaatlichen Demokratien niedergeknüppelt werden. Die Regierungen dieser Länder behaupten ohne jegliches Schamgefühl, die Verkörperung von Menschenrechten und Demokratie zu sein.
Die Wege nach vorn wurden gewiesen
Keine der einmaligen Errungenschaften der Revolution wurde auch in der schwersten Zeit vernachlässigt oder gar aufgegeben. Die kubanischen Revolutionäre erarbeiteten gemeinsam mit allen Bürgern eine Konzeption für die künftige wirtschaftliche und soziale Entwicklung, die schließlich vom VI. Parteitag beschlossen wurde und die im Prozess ihrer Realisierung ständig weiterentwickelt wird. Die kubanische Partei hat also in der schicksalhaften Lage des Landes den Ausweg aus der Krise durch die Weiterentwicklung und durch eine nachhaltige Festigung der sozialistischen Produktionsweise gesucht. Es bestätigt sich insbesondere angesichts der Systemkrise des Kapitalismus gerade hier die historische Überlegenheit des Sozialismus.
Erste Anzeichen der Stabilisierung
Das Hauptziel der Beschlüsse des VI. Parteitages besteht darin, das Wirtschaftsmodell so zu verändern, dass insgesamt eine höhere Leistungsfähigkeit und Arbeitsproduktivität der gesamten Volkswirtschaft erreicht wird. Auf die Realisierung dieser Alles übergreifenden Hauptaufgabe sind alle bisherigen 311 lineamientos (Leitlinien) der Wirtschafts- und Sozialpolitik gerichtet. Trotz gründlichster Vorbereitung der Bevölkerung, der gesamten Partei und Entscheidungsträger hat das erste Jahre des Perspektivplanes bis 2025, das Jahr 2011, offenbart, wie steinig der Weg sein wird. Dank der Beharrlichkeit von Partei und Regierung wurden aber schon in den Anfangsmonaten einige Erfolge erreicht, die auf die anvisierte neue Qualität der Wirtschaftsentwicklung hindeuten: Der unmittelbare Druck auf die Devisenlage konnte durch Umschuldungsverhandlungen, verbesserte Einnahmen und strengste Sparsamkeit abgeschwächt werden. Zurückhaltungen von Überweisungen kubanischer Banken an das Ausland sind beendet worden. Die durchschnittliche Arbeitsproduktivität erhöhte sich um 2,8 % und damit erstmals mehr als die Durchschnittslöhne ( um 2,7 % ). In den staatlichen Unternehmen erhöhte sich die Produktivität gar um 10 %. Die Energieeffizienz hat sich weiter verbessert. Es wurden 3,3 Tonnen weniger Treibstoff als geplant für die Produktion von 1 Million Pesos Bruttoproduktion eingesetzt. Der Verbrauch von Kraftstoffen betrug 97,1 % vom Plan und der Verbrauch von Elektroenergie 99,1 %. Auch der Außenhandel trug mit einem positiven Saldo zur Verbesserung der Bilanz bei. Der Exportplan wurde zu 101,2 % und der Importplan zu 100 % erfüllt.
Wachstum in wichtigen Bereichen
Bei einem Wachstum des IBP von 2,7 % gab es Zuwächse in der landwirtschaftlichen und Lebensmittelproduktion trotz aller noch bestehender Probleme von 2 %, im Binnenhandel von 5 % und in der verarbeitenden Industrie von 2,7 %. Bemerkenswert ist die Erhöhung der Zuckerproduktion um 5,2 % nach der Reorganisation dieses Bereiches.
Durch entscheidende Maßnahmen, wie Verbesserung der Steuer- und Abgabensysteme, durch beträchtliche Reduzierungen von Subventionen und durch weitere Sparmaßnahmen wurde eine Stabilität des internen Finanzhaushaltes gesichert und die per Gesetz mögliche Staatsverschuldung wurde auf 3,8 % des IBP konsolidiert.
Weitere Planungen
Der Wirtschaftsplan 2012 wurde nach neuen Maßstäben gründlich ausgearbeitet und orientiert sich mit seinen Eckpunkten an dem Perspektivplan bis 2016, in dem eine jährliche Zuwachsrate des IBP von 4,4 % vorgesehen ist. Trotz der weiterhin angespannten Devisenlage ist ein Wachstum von 3,4 % geplant. Der Staatshaushalt wird weiterhin die beispiellosen Dienstleistungen für die Bevölkerung garantieren, wobei die Subventionen für den rationierten Warenkorb für einige Personenkreise und auch für Wirtschaftsunternehmen den Möglichkeiten entsprechend reduziert werden. Bedürftige Personen erhalten weiterhin die volle Unterstützung. Ihnen werden erstmals großzügige Kreditmöglichkeiten zum Kauf von Baumaterialien für ihre Wohnungen eingeräumt.
Investitionen in devisenbringende Bereiche
Der Investitionsplan beinhaltet in erster Linie solche Objekte, die einen schnellen Devisenzufluss ermöglichen, wie Ausbau der Ölraffinerien, des petrochemischen Zentrums, der Häfen, Verbesserung des Angebotes von Baumaterialien (besonders für die Bevölkerung), weitere Erhöhung der nationalen Produktion, vor allem von Lebensmitteln um Importe zu ersetzen ( z. B. 117 000 t Reis, 45 000 t Körnerfrüchte und 2 000 t Milchpulver ). Die weitere Nutzbarmachung aller Ländereien und ihre optimale Bewirtschaftung ist absoluter Schwerpunkt ebenso wie die weitere Durchsetzung der Energieeffizienz.
Die Anzahl der Beschäftigten soll sich um 70 000 erhöhen (Abnahme von 170 000 in staatlichen Einrichtungen und Erhöhung in nichtstaatlichen um 340 000)
Von der Arbeit auf eigene Rechnung sollen zum Jahresende etwa 540 000 Personen betroffen sein. Sie werden durch die Neuregelungen der Kreditvergabe und der Steuern und Abgaben bereits erste rechenbare Erfolge bringen.
Ein weiterer Beweis für die ernsthafte und wesentlich verbesserte konzeptionelle Arbeit mit dem Wirtschaftsplan ist, dass der erweiterte Ministerrat bereits am Ende des ersten Quartals 2012 die Direktiven zur Ausarbeitung des Planes 2013 und des entsprechenden Haushaltes diskutiert und beschlossen hat. Diese Direktiven haben im wesentlichen die gleiche inhaltliche Ausrichtung, wie die vorangegangenen zwei Wirtschaftspläne und orientieren sich ebenfalls an den Beschlüssen des Parteitages. Die Wachstumsraten sollen besonders durch Investitionen strategischer Bedeutung schneller ansteigen und vorrangig von den produzierenden Bereichen, von der Industrie und dem Bauwesen beeinflusst werden. Absoluten Vorrang soll weiterhin die Lebensmittelproduktion, die Vermarktung der Landwirtschaftlichen Produkte und die Erhöhung des Angebotes von Baumaterialien haben.
Es versteht sich, dass parallel zu der anspruchsvollen Plandurchführung die Arbeit an den vielen anderen Aufgaben der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit Bedacht aber ohne Pause weitergeführt wird. Dabei steht insbesondere die weitere Aktualisierung des Wirtschaftmodells im Vordergrund. Sie hat strategischen Charakter und soll den Produktivkräften ständig Wachstumsimpulse geben. Das stellt die ganze Gesellschaft vor unzählige neue Aufgaben. Wie zum Beispiel kann der Staat weiter personell und besonders finanziell entlastet werden und die nichtstaatlichen Bereiche zur Effektivität und Vervollkommnung der sozialistischen Wirtschaft beitragen ? Der Leiter der ständigen Kommission des Ministerrates für die Einführung, Realisierung und Weiterentwicklung der Leitlinien, der Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates, Marino Murillo Jorge, legt ständig neue Vorschläge zur Beschlussfassung vor, so etwa zum Steuer-, Abgaben- und Kreditsystem, Schritte zur weiteren Reduzierung der Subventionen oder Konzeptionen zur Bildung von Genossenschaften außerhalb der Landwirtschaft usw.
Partizipation und idelogische Arbeit erfolgsentscheidend
Entscheidend wird die Realisierung der vielfältigen Aufgaben davon abhängen, ob sich die umfangreichen Aussprachen und Diskussionen mit der Bevölkerung, die sehr intensive Schulung aller Funktionäre und Leiter der Partei, der Regierung, der Massenorganisationen in Vorbereitung des Parteitages, die Veränderungen in der Kaderpolitik und die zielgerichtete politisch-ideologische Arbeit als Motor der gesellschaftlichen Entwicklung erweisen.
Besonders wichtig ist, dass die Jugend mit Überzeugung und Enthusiasmus den Staffelstab aufnimmt. Auch auf diesem Gebiet können wir, können alle Freunde Kubas, in unserer politischen Solidarität dem kubanischen Volk helfen. Sei es als Tourist oder in internationalistischen Aktionen sollten wir den kubanischen Freunden Mut machen zur bewussten Arbeit für ihre schönen Ziele. Wir sollten ihnen auch, überall dort, wo es sich anbietet, die oft aus Unkenntnis rührenden Illusionen nehmen, dass im kapitalistischen Europa alle Menschen in Wohlstand lebten und die Jugend dort in der kapitalistischen Konsumgesellschaft ihr Ideal gefunden hat. Wir sollten Ihnen vor Augen führen, dass Arbeitslosigkeit, Armut und Hoffnungslosigkeit für die Mehrheit der Jugendlichen den Alltag bestimmen.
Der Kapitalismus löst keine Probleme
Heinz Langer
CUBA LIBRE 3-2012