Die 19. Internationale USA-Cuba Freundschaftskarawane fordert von der US-Regierung, die Wirtschaftsblockade,
von Washington Embargo genannt, zu beenden und die Beziehungen zu Cuba zu normalisieren.
Die 130 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Ländern berufen sich auf ihr moralisches Recht, die
inhumane Blockade zu kritisieren und für ihre ethischen Werte und religiösen Überzeugungen,
("liebe Deinen Nachbarn") einzutreten.
Während einer Zeitspanne von zwei Wochen fährt die Karawane auf 14 verschiedenen Routen durch
die USA und macht auf ihrem Weg nach Süden in 125 Städten Informationsveranstaltungen
Die ersten beiden Vorträge mache ich dieses Jahr alleine in Duluth am Lake Superior und in Luck, im
US-Bundesstaat Wisconsin. Ich berichte viele Fakten, die den Zuhörerinnen unbekannt sind:
Dass die seit 1961 verhängte Wirtschaftsblockade der USA in Cuba einen extremen Mangel an Nahrungsmitteln
und anderen Produkten verursacht hat. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden insgesamt mehr als die Hälfte
aller Lebensmittel aus den USA eingeführt. Der Mangel wird bewusst als Waffe gegen die sozialistische
Regierung Fidel Castros eingesetzt um Leiden zu verursachen, Unzufriedenheit zu schüren und Cuba in
die Knie zu zwingen. Aufgrund der Knappheit führt Cuba die libreta, das Rationierungssystem ein,
damit das Wenige wenigstens gleichmäßig verteilt wird.
- Der "Cuban Adjustment Act" von 1966 erleichtert die Immigration in die USA: aber nur für
diejenigen Menschen aus Cuba, die sich in – oft seeuntüchtigen – Booten auf den gefährlichen
Seeweg machen.
- Der Zusammenbruch der UdSSR und der Ostblockstaaten 1989/1990 brachte Cuba den zweiten wirtschaftlichen
Kollaps innerhalb von nur 30 Jahren. Der Gesamtimport verringerte sich um 75%, der Import von Getreide um
65%, der von Dünger und Pestiziden um 80% und der von Rohöl um 85%. Das wiederum bewirkte die
Schließung von 60% aller Fabriken in Cuba; dabei wurden über 100.000 Menschen arbeitslos.
- Der "Toricelli Act" von 1992 besagt, dass Firmen in US-Besitz in Drittländern auch nicht
mehr Medikamente und Nahrungsmittel nach Cuba liefern dürfen und dass Frachter, die Cuba anlaufen,
frühestens sechs Monate danach wieder in US-Häfen anlegen dürfen.
- Das Helms-Burton-Gesetz von 1996 bildet den juristischen rahmen, andere Länder zu zwingen, sich an
den Sanktionen gegen Cuba zu beteiligen und droht internationalen Institutionen wie z.B. Banken Strafen
an, wenn sie mit Cuba Geschäftsbeziehungen eingehen. Unternehmen, die in Cuba arbeiten, können
von US-Gerichten belangt werden, falls sich ihr Handeln bzw. ihre Investitionen auf ehemaligen US-Besitz
beziehen.
- 2003 ermutigt die Bush-Regierung immer noch die illegale Immigration in die USA – sogar das Entführen
von Flugzeugen wird nicht geahndet – lässt aber gleichzeitig verlautbaren, dass diese unkontrollierte
Einwanderung aus Cuba eine Bedrohung für die nationale/innere Sicherheit der USA bedeute.
- 2004 veröffentlicht das Außenministerium eine 450 Seiten lange Anweisung, in der detailliert
ausgeführt wird, wie der "Übergang zu einem freien Cuba", d.h., die Umwandlung von
einer sozialistischen Gesellschaftsform in eine kapitalistisch-neoliberale zu machen sei.
- Gleichzeitig werden weitere die Blockade verschärfende Regelungen erlassen:
Menschen, die Angehörige in Cuba haben, dürfen diese nur noch ein Mal Alle drei Jahre besuchen;
darunter fallen überhaupt nur noch enge Verwandte wie Eltern, Kinder und Geschwister. Die
Geldbeträge, die aus den USA nach Cuba geschickt werden können, werden nur noch erlaubt, wenn
sie im Interesse der US-Politik stehen.
Auch die Errungenschaften der Revolution, d.h. weg von einem feudalistischen System mit großer
Armut für die Mehrheit hin zu einer Gesellschaft in der das Vorhandene auf alle verteilt wird, sind
vielen in den USA kaum bekannt:
- Es gibt keinen Profisport, satt dessen aber eine internationale Hochschule für Sport, an der viele
junge Menschen der sogenannten 3. Welt ihren akademischen Abschluss gemacht haben und derzeit noch 1.500
Studierende eine kostenlose Ausbildung erhalten, z.B. zur/m SportlehrerIn.
- Internationale Solidarität auch im medizinischen Bereich: u.a. die "operacion milagro"
für Augenoperationen oder die medizinische Hochschule bei Havanna, an der Tausende von Studierenden
vorwiegend aus Lateinamerika ausgebildet werden, aber auch ca. 100 aus den USA, die sich ein Medizinstudium
nie finanzieren könnten und die in Cuba kostenlos studieren können. Die einzige Bedingung, zu
der sie sich verpflichten, ist, dass sie nach erfolgreichem Abschluss des Studiums in einer ärztlich
unterversorgten Gegend der USA arbeiten werden (...)
Bei den privat organisierten Übernachtungen gibt es immer wieder interessante Begegnungen,
und wir erfahren viel über den Widerstand in den USA. Z.B. in Duluth bei Andy und Kathy, die beide
schon über 80 Jahre alt und noch aktiv in der Friedensbewegung sind.
Oder in Luck, Wisconsin, sind wir auf einer Farm, die von städtischer Energie- und Wasserversorgung
völlig unabhängig ist. Die Menschen dort sind nicht nur ökologisch konsequent sondern auch
politisch aktiv: im Hof steht ein großer Bus, mit dem jedes Jahr über mehrere Monate
RednerInnen, die schon im Irak oder in Palästina waren, von Schule zu Schule fahren und über
das jeweilige Land informieren. Alle, die auf der Farm leben, haben zusammengerechnet schon 12 Jahre im
Knast für zivilen Ungehorsam verbracht (...)
Oder in Des Moines, Iowa, wo uns Renee von "Iowa Peace Network" im orangenen T-Shirt mit der
Aufschrift shut down Guantanamo" begrüßt und von einer Aktion im Justizgebäude
berichtet, die mit mehreren Festnahmen endete. (...)
Oder in Kansas City, Kansas, wo wir bei einer Black Community waren, die sich für alle sozialen
Themen engagiert und uns später in der "Wiege des Jazz" zu einer jam session von jungen
Talenten führte.
Oder in Manhatten, Missouri, wo wir auf Einladung der "Manhatten Alliance for Peace and
Justice" Maika treffen, die als Referentin für Sozialarbeit neue Ideen für das Wohnen in
SeniorInnenheimen entwickelt: kleine Einheiten, Einzelzimmer mit gemeinsamen Wohn- und Aufenthaltsbereich,
mehr Aktivitäten und Vorträge u.a. zum Thema Sex im Alter. (...)
Oder Corpus Christi, Texas, wo wir im "Center für progressive studies and culture" einen
Anwalt treffen, der 1975 in Cuba mit vielen InternationalistInnen das Ende des Vietnam-Krieges feierte.
Die meisten Sachspenden, die wir unterwegs mitbekommen, beziehen sich auf das Motto der Karawane
"für die SeniorInnen in Cuba", d.h. spezielle Medikamente und auch Gehhilfen verschiedener
Art einschließlich Rollstühlen. Auch Lernmaterial für Schulen von Stiften hin zu
Computern (gebraucht). (..)
Ich wurde gebeten, auch über das Verhältnis Europas zu Cuba zu sprechen.
Einerseits bestehen keine Reisebeschränkungen und kein Handelsembargo; aber andererseits wissen die
USA ihren Einfluss zu nutzen, um starke Bestrebungen zu fordern, die Cuba durch schlechte Finanz- und
Geschäftsbedingungen unter Druck setzen. Im Juni 2008 z.B. wurden zwei kleinen Geschäften, die
Zucker bzw. Zigarren aus Cuba verkauften, von ihrer Bank (Lloyds) die Konten gekündigt.
Im Frühjahr 2008 reiste Caleb Mc Carry der "Koordinator für den Übergang in Cuba",
auf einer Anti-Cuba-Kampagne durch Europa und wurde von vielen Staatsoberhäuptern empfangen.
Die jährliche Abstimmung im Juni über das Fortbestehen der 2003 verhängten Sanktionen
(kein Austausch auf politischer oder kultureller Ebene) fiel dieses Jahr so aus, dass die meisten
Länder der EU für die Aufhebung waren, sich aber vorbehalten, bei offiziellen Besuchen in Cuba
auch Kontakt zu den "Dissidenten" fordern. Gegen eine Normalisierung der Beziehungen (d.h.
gegen die Aufhebung der Sanktionen) sind Polen, die Tschechische Republik und Großbritannien. Diese
drei Länder sind beteiligt an militärischen Weltraumaktivitäten des Stratcom-Programms der
USA. Zufall?
(...) Bis alle 100 TeilnehmerInnen der Freundschaftskarawane am gemeinsamen Treffpunkt in McAllen, Texas,
an der Grenze zu Mexiko ankommen, haben in 125 Orten auf 14 Routen von Nord nach Süd durch die USA
Informationsveranstaltungen stattgefunden mit Menschen aus den USA, Kanada, England, Dänemark und
Deutschland, zu denen später noch ca. 30 Personen aus Mexiko kommen.
In McAllen haben wir drei Tage Zeit zur Orientierung,
d.h. über 100 Tonnen Sachspenden werden verpackt, zweisprachige Listen mit Inhaltsangabe und Nummer
des Kartons werden erstellt, die Fahrzeuge werden gewartet und repariert (die, die gespendet werden:
mehrere große Schulbusse, eine fahrbare Bibliothek und ein kleiner Bus und die, die nicht gespendet,
sondern nur zum Transport benutzt werden), (...) Es gibt Treffen der SprecherInnen und KoordinatorInnen
der Route zwecks Austausch und last not least Übungen zum gewaltfreien Widerstand. Diese sind
notwendig, da es schon mehrfach zu Behinderungen und Konfiszierungen von Spenden an der Grenze gekommen
war.
Als wir dann tatsächlich am 3. Juli 2008 die Grenze überqueren, werden wir von den
US-Behörden kontrolliert: alle Fahrzeuge werden von einem riesigen fahrbaren Röntgengerät
durchleuchtet, mehrere Busse werden halb ausgeräumt und 32 Computer, die für Krankenhäuser
bestimmt waren, werden konfisziert. Bei der Wiedereinreise der Gruppe in die USA wurden sie zurückgegeben
und dann mit Hilfe der mexikanischen Soli-Gruppe bald nach Cuba transportiert. Die Begründung der
Zollmenschen war, dass die Computer nur festgehalten werden, da man überprüfen müsse, ob
sie nicht eine Sondererlaubnis brauchen. Es ist tatsächlich so, dass es für bestimmte
Güter und bestimmte Personen Sonderregelungen gibt. Aber da die pastors for peace es ablehnen, bei
humanitärer Hilfe im Erlaubnis zu fragen, war es klar, dass die Behörden nur irgendwie den
Ablauf behindern und stören wollten.
Über unsere Telefonlisten der UnterstützerInnen bitten wir alle, ihre Abgeordneten zu benachrichtigen,
um Druck zur Herausgabe der PCs auf die Behörden zu machen.
Wir sind empört über diese unsinnige Behandlung durch die Zollmenschen, dass wir kurzfristig
mit allen Menschen den Grenzübergang blockieren.
Bei der Rückkehr in die USA werden Personalien aufgenommen, Fragen zu Kontakten in Cuba werden
gestellt und viele bekommen später die Aufforderung, eine Geldstrafe zu bezahlen. Wer dem nicht
nachkommt, wird meist in Ruhe gelassen; pastors für peace vermuten, dass die Behörden solch
einen Fall einer Reise nach Cuba nicht vor den Obersten Gerichtshof kommen lassen wollen, damit nicht
eventuell festgestellt wird, dass dieses Verbor verfassungswidrig ist. Trotzdem braucht es schon Mut,
sich den Ge- und Verboten zu verweigern.
Ich war gespannt auf die Motivation der einzelnen, sich dem zivilen Ungehorsam anzuschließen.
CUBA LIBRE 1-2009