Sonderentwicklungszone Mariel im Trubel der kubanischen Wirtschaftsentwicklung
Die Sonderentwicklungszone Mariel (ZEDM) soll zu einem regionalen Referenzpunkt für die Anziehung ausländischen Kapitals werden.
Ana Teresa Igarza, Generaldirektorin des Büros der Sonderentwicklungszone Mariel (ZEDM) |
45 Kilometer westlich von Havanna schreitet ein Projekt voran, das die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung des Landes fördern soll, indem ausländische Kapitalanlagen angezogen werden, und das gleichzeitig die industrielle Konzentration, die technologische Innovation und den Schutz der Umwelt gewährleisten soll.
Die Sonderentwicklungszone Mariel (ZEDM) soll zu einem regionalen Referenzpunkt für die Anziehung ausländischen Kapitals werden, durch dessen technologische Entwicklung in Abstimmung mit unserer Wirtschaft Produktionen und Serviceleistungen von hohem Mehrwert erzeugt werden.
Über dieses Projekt sprach Granma mit Ana Teresa Igarza Martínez, Generaldirektorin des Büros der ZEDM.
Die ZEDM ist zwei Jahre alt geworden: Wie bewerten Sie ihren Anfang?
In dieser Zeitspanne haben wir uns hauptsächlich auf zwei Schwerpunkte konzentriert: die Anziehung von Kapitalanlegern und die Entwicklung der Infrastruktur. Somit waren wir sowohl taktisch als auch strategisch bestrebt, unsere Werbung auf die Zielmärkte zu richten und eine detaillierte Raumplanung auszuführen, durch die uns klar wird, wie wir den ersten Abschnitt der Zone entwickeln müssen; und wir haben vor, uns noch auf zwei weitere Abschnitte auszudehnen.
Auf taktischer Ebene haben wir sicher gestellt, dass die Zone eine multimodale Anbindung hat: Zugänge über die Schiene und über die Straße, sowie über das Meer durch das Containerterminal, das zwei Monate nach der Zone eröffnet wurde, und nicht zuletzt muss die Nähe der Flughäfen erwähnt werden.
Dies ermöglicht es dem Kapitalanleger, mehrere Arten von Transport für seine Waren und das Personal, das in der Zone arbeitet, zu benutzen.
Wir begannen mit einer Strategie der Werbung in bestimmten Ländern, ohne aber direkte Linien oder Unternehmen festzulegen, die wir anziehen wollen.
Im letzten Jahr konnten wir ausgehend von der Marktforschung bestimmen, welche Unternehmen mit industriellem Profil und aus welchem Tätigkeitsbereich wir anziehen wollen. Davon ausgehend haben wir die Werbetätigkeit auf das Ausland gerichtet und werden 2016 damit fortfahren.
Ebenso haben wir die detaillierte Generalplanung des Abschnitts A bei dem Unternehmen Bouygues Batiment International in Auftrag gegeben, die in diesem Jahr abgeschlossen sein muss und die sämtliche Anfangsvorhaben, die wir haben, bezüglich deren Standort und Abläufen aufeinander abstimmt.
Andererseits konnte die Sonderzone, in der besondere Richtlinien und Regeln zur Anwendung kommen, die Abwicklung der Formalitäten beschleunigen und bürokratische Hindernisse aus dem Weg räumen. Um dies zu erreichen, haben wir eng mit den Organen der Zentralen Staatsverwaltung zusammengearbeitet und es wurden Rechtsnormen erlassen, die unsere Arbeit stützen.
Erstmalig im Land ist auch das System der Zentralen Anlaufstelle eingeführt worden, über das die gesamte Abwicklung der Dokumente, Lizenzen, Zulassungen und Genehmigungen erfolgt, die der Kapitalanleger benötigt.
Dieses System ist, auch wenn es gegenwärtig nur in der Struktur des Büros der ZEDM besteht, mit allen Organismen verknüpft, die an der Abwicklung beteiligt sind. Wir streben an, dass im endgültigen Sitz der ZEDM die Organismen zusammen mit uns vertreten sein werden, so dass der Kapitalanleger nur zu einer Tür hineinkommt und beim Herauskommen alle Formalitäten erledigt hat.
Welche Vorteile hat es, in die ZEDM zu investieren?
Der erste und wichtigste Vorteil, nicht nur in die Zone, sondern in Kuba zu investieren, ist die qualifizierte Arbeitskraft, über die wir verfügen. Der universelle und kostenlose Charakter des kubanischen Bildungswesens begünstigt, dass Arbeitskräfte in breiten Wirtschaftsbereichen verfügbar sind, die wir den ausländischen Kapitalanlegern anbieten können.
Ein anderes wesentliches Element ist die vorteilhafte geografische Lage im Zentrum des Karibischen Meeres und in der Nähe der Kreuzung der Nord-Süd- und Ost-West-Achsen des internationalen maritimen Gütertransports.
Was spezifisch die ZEDM anbetrifft, so muss das erwähnte System der Zentralen Anlaufstelle angeführt werden und die Sonderregelung der Steuern, die viel attraktiver ist als jene, die bei anderen ausländischen Investitionen im Land zur Anwendung kommt.
Während die Gewinnsteuer im Land bei 15 % für Auslandsinvestitionen in Joint Ventures und bei 35 % für 100 %ig kubanisches oder ausländisches Kapital liegt, werden die Unternehmen ab Beginn ihrer Tätigkeit über 10 Jahre hinweg Steuerbefreiung genießen und danach nur 12 % entrichten.
Dies regt viele Unternehmen des Landes an, in die Zone zu investieren. Es gibt bereits drei bestätigte Projekte mit 100 %ig kubanischem Kapital und andere, deren Unterlagen vorbereitet werden, in den Bereichen Industrie, Biotechnologie und Pharmazie.
Welche Unternehmen sind bereits als Nutzer der ZEDM bestätigt worden?
Unter den insgesamt elf bereits bestätigten Unternehmen sind die drei Unternehmen mit kubanischem Kapital, eines für logistische Dienstleistungen, die Internationale Finanzbank Banco Financiero Internacional S.A. und das Containerterminal. Dieses Letztgenannte verfügte zu dessen Errichtung über einen Kredit, den die brasilianische Regierung der kubanischen Regierung vergab, und soll zu einem wichtigen Umschlaghafen und regionalen Logistikzentrum werden.
Das Containerterminal wird vom Unternehmen PSA International aus Singapur betrieben, über einen Betriebsvertrag über zehn Jahre. PSA International ist weltführend in der maritimen Umschlagstätigkeit und in der Betreibung von Häfen in über 30 Ländern.
Im Terminal sind die Mehrzahl der Beschäftigten Kubaner. Dort wird intensiv an deren Schulung durch die ausländischen Experten gearbeitet, die auf Grundlage eines Service-Management-Vertrages über zehn Jahre hinweg Beratung bieten.
Andererseits wurden bereits zwei Unternehmen mit 100 % mexikanischem Kapital bestätigt: Richmeat de Cuba S.A., das sich der Fleischverarbeitung widmet, und Devox Caribe S.A., das Farben, Imprägniermittel und Zusatzmittel herstellen wird.
Es gibt auch zwei Unternehmen mit belgischem Kapital: BDC Log S.A. betreibt Logistik, Vermietung von Transportmitteln und Verladegeräten sowie deren Instandhaltung und Reparatur, und BDC Tec S.A., aus der Elektronikindustrie, die elektrische Schalttafeln und Temperaturmesser für die Industrie herstellen wird, die das Land gegenwärtig importieren muss.
Das spanische Unternehmen Profood Service wiederum stellt Säfte, Konzentrate, alkoholische und alkoholfreie Getränke her.
Ebenso passt sich nun das mit Brasilien bestehende Joint Venture Unternehmen Brascuba Cigarrillos S.A., das bereits über eine 20jährige Erfahrung in unserem Land verfügt, an seinen neuen Produktionsstandort in der ZEDM an, wodurch es seine Produkte diversifiziert, sein Produktionsvolumen steigert und auch die Exporte erhöht. Brascuba beabsichtigt eine Verkettung mit der Agroindustrie des Landes und eine fachmännische Betreuung, die zur Steigerung der Produktion von Virginia-Tabak, dem Rohstoff für leichte Zigarren, führen wird. Wegen ihrer über Jahre hinweg gehaltenen guten Ergebnisse schlug das Büro der ZEDM vor, seine Laufzeit auf 40 Jahre zu verdoppeln, und so wurde es vom Ministerrat beschlossen.
Seit Beginn dieses Jahres sind bisher zwei neue Projekte bestätigt worden: das kubanisch-holländische Gemeinschaftsunternehmen Unilever Suchel S.A., das eine moderne Anlage zur Herstellung von Toilettenartikeln und Körperpflegemitteln sowie Reinigungs- und Hauspflegemitteln aufbauen wird, und das Bauunternehmen mit 100 % brasilianischem Kapital Companhia de Obras e Infraestrutura S.A. (COI), das bauliche Dienstleistungen für die Unternehmen bieten wird, die sich in der Zone niederlassen.
Unternehmen welchen Profils sind für die ZEDM von Interesse?
Die Strategie sieht vor, Unternehmen aller Industriezweige zu erfassen, um Importe zu ersetzen und, soweit möglich, Exporte zu erbringen, wobei die Priorität der Biotechnologie und Pharmazie gilt.
Andere bevorzugte Sektoren umfassen die Elektronikindustrie und die Verpackungsindustrie, die heute sehr importintensiv sind. Ebenso wichtig sind die Leichtindustrie für die Versorgung der Bevölkerung mit Waren, die Metall verarbeitende Industrie, der Logistikbereich und Dienstleistungsunternehmen. In der Lebensmittel- und Agrarindustrie soll eine Agrarindustrie-Kette entstehen, die der Lebensmittelsouveränität des Landes dient.
Wir verfolgen die Niederlassung von Bauunternehmen, ausgehend vom Umfang der zu errichtenden Bauten und der Notwendigkeit der Übernahme neuer Managementmethoden, modernerer Bautechniken und Ausrüstungen, die es ermöglichen, die Ausführung der Bauwerke zu beschleunigen.
Wir fördern die Ansiedlung von Finanz- und Bankeinrichtungen, da es für den ausländischen Investor attraktiver ist, die seines Landes vor Ort zu haben, damit diese seine Kredite stützen.
Von Interesse ist für uns auch die Anziehung internationaler Entwicklungsunternehmen, die mit einer Verwaltungskonzession für zu entwickelnde und zu bewirtschaftende Flächen in der Zone arbeiten. Diese Modalität sieht die Vorstellung eines Businessplans vonseiten des Investoren vor, der dessen Entwicklungs- und Wachstumsentwurf enthält, sowie die Industrien, die in diesem Bereich angesiedelt würden, und die Zielunternehmen, die aufgrund ihrer internationalen Bedeutung der Investition und den Sonderzonen, in denen sie angesiedelt werden, Ansehen verleihen.
Ebenso ist das Büro der ZEDM mit der Durchsicht neuer Akten zu deren Bestätigung und der Bewertung anderer Erfahrungen beschäftigt.
Was die Entwicklung der Infrastruktur betrifft, sind wir in der Ausführung des Straßenbaus Nord-Süd vorangekommen und nun beginnt die Ausführung des Straßenbaus Ost-West. Die Parzellen für die ersten Kapitalanleger sind bereits fertig und wir fahren weiter fort, den Rest des Geländes zu erschließen.
Gibt es US-amerikanische Unternehmen, die Interesse an der ZEDM zeigen?
Es gibt Interesse vonseiten US-amerikanischer Unternehmen, aber auch viele Sorgen wegen des Themas der Blockade.
Das Unternehmen Cleber LLC, das sich der Herstellung von Landmaschinen widmet, hat bereits die vorläufigen Daten für sein Vorhaben im Büro der ZEDM eingereicht, wartet aber nun auf die Erlaubnis seiner Regierung durch das Amt kubanischer Aktivvermögen (OFAC), um die Akte seines Projekts zu deren Bewertung offiziell einzureichen.
Das wurde ihnen im März 2015 mitgeteilt, und in den Folgemonaten stellten sie den Antrag bei der OFAC, ohne dass wir bisher wüssten, dass man ihnen die Erlaubnis erteilt hätte.
Viele andere haben ein ausgeprägtes Interesse am Errichten von Lagern für die Kommerzialisierung von Waren, jedoch nicht an einer Investition. Wir haben in allen Fällen erklärt, dass das nicht das Ziel der Zone ist. Unser Ziel, und das sagen wir nicht nur den US-amerikanischen Unternehmen, sondern allen, ist es, zu produzieren.
Vielleicht kann, wenn die Zone einmal eine Reife mit niedergelassenen Herstellern erreicht hat, die Möglichkeit erwogen werden, als Land die so genannten Freihandelszonen, Zollfreigebiete oder ein festgelegtes Lagergebiet einzurichten. Aber in dieser Etappe sind wir gezwungen, den Platz vorzugsweise für die Einrichtung von Produktionsbetrieben zu vergeben.
Was sind die wichtigsten Herausforderungen für ein Projekt wie dieses?
Unsere Idee ist es, zu einer Sonderzone zu werden, die als Referenzpunkt für die Region gilt, und dabei sehen wir uns sowohl intern als auch extern mehreren Herausforderungen gegenüber.
Intern haben wir vor, unsere Professionalität zu steigern, damit wir ein Referenzpunkt in der Anziehung von Kapitalanlagen und deren Niederlassung in der Zone werden. Eine andere Herausforderung ist, dass sich Unternehmen niederlassen, die weltweit führend sind und unserer Wirtschaft als Antriebsmotor dienen.
Extern gibt es eine Herausforderung, die nicht von uns abhängt, sondern von der Blockade, die unser Haupthindernis ist. Denn solange sie besteht, werden sich viele der großen Unternehmen einschränken, entweder in der Art des unterbreiteten Projekts in Bezug auf dessen Reichweite oder Schwierigkeitsgrad, oder aber sie kommen nicht, aus Angst davor, bestraft zu werden und ihre Geschäfte oder Aktivitäten im Territorium der USA beeinträchtigt zu sehen.
Das Wichtigste, auf das wir uns konzentrieren müssen, ist, zu erreichen, dass die Zone wächst und dabei die besten Praktiken anwendet, dass sie berühmte Kapitalanleger anzieht, die ihr Ansehen verleihen und Produktionen mit hohem Mehrwert hervorbringen und dass, darüber hinaus, die Umwelt geschützt wird.
Welche Auswirkungen wird die ZEDM auf die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung des Landes haben?
Wie ich bereits sagte, besteht eines der Elemente, dem der Vorrang gilt, darin, dass die Projekte Importe ersetzten oder Exporte hervorbringen. Alle Fälle von Projekten, die wir bestätigt haben, tragen auf die eine oder andere Weise zu beiden Zielen bei und werden eine Hauptstütze sein, um Bedingungen für den Sprung zu schaffen, den das Wachstum des kubanischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) tun muss.
Dies wird in dieser ersten Etappe nicht zu spüren sein, weil das die Phase der Investition ist, aber sobald die Betriebe zu produzieren beginnen und diese Investition wiedergewonnen wird, wird das Land Gewinne erzielen, nicht nur wegen der Steuern, sondern auch wegen der Einsparung bei Frachtgebühren, bei Verträgen, die gegenwärtig im Ausland realisiert werden, und die wir dann hier ausführen.
Wenn darüber hinaus die Produktionen mehr den Bedürfnissen Kubas entsprechen, müssten wir nicht nach einem Markt suchen, sondern die Hersteller würden ihr Produkt hier auf die Charakteristiken des Landes einstellen.
Ein weiteres grundlegendes Element ist, dass dies stark zur höheren Qualifizierung des Personals beitragen wird und zur Entstehung von Arbeitsplätzen mit guten Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung.
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Arlin Alberty Loforte
Fotos: Jose M. Correa
Granma Internacional, Februar 2016