Kubanischer Internationalismus
40 Jahre Operation Carlota
Carlotas Nachfahren bei der Befreiung des südlichen Afrika.
Periodico Girón |
In der ehemaligen Zuckerrohrplantage Triumvirato in der Provinz Mantanzas fand am 5. November eine Veranstaltung von tiefer Symbolkraft statt.
Am 5. November 1843 hatte sich die Sklavin Carlota an diesem Ort gegen die spanischen Sklavenhalter erhoben. Die von ihr angeführte Rebellion dehnte sich auf andere Haziendas aus und war der größte ufstand von Sklaven in der Geschichte Kubas.
Der 5. November ist auch der Tag, an dem im Jahr 1976 Kubas militärische Mission zur Verteidigung der Unabhängigkeit Angolas begann. Sie wurde nach der rebellischen Sklavin Operation Carlota benannt und sollte 15 Jahre dauern.
Auf dem Geländer der ehemaligen kolonialen Hazienda Triumvirato, das heute neben einem Museum auch das beeindruckende, dem rebellischen Sklaven allgemein und Carlota insbesondere gewidmete Monument beherbergt, wurde mit einer Militärparade und einem Festakt an die Operation Carlota erinnert. |
Damit stellt das Gelände der ehemaligen kolonialen Hazienda Triumvirato den Rahmen für diesen Festakt dar, weil er wie kein anderer die Geschichte Kubas mit dem kubanischen Engagement in Afrika verbindet.
Kubas Solidarität mit Angola ist nicht nur damit zu erklären, dass ein Land einem anderen zu Hilfe kommt. Wie Fidel Castro des öfteren gesagt hat, "ist Kuba nach Afrika gegangen, weil wir dem afrikanischen Kontinent gegenüber in Schuld stehen". Die Kinder der aus Afrika verschleppten Sklaven kommen, um Afrika zu verteidigen. "Wir sind ein lateinafrikanisches Volk, bereit dazu, unseren angolanischen und afrikanischen Brüdern zu Hilfe zu kommen und eine Schuld zu begleichen", sagte er bei anderer Gelegenheit.
Amilcar Cabral, der von den Kapverdischen Inseln stammende berühmte Kämpfer für die Unabhängigkeit der Kapverden und von Guinea Bissau hat einmal über die Teilnahme Kubas am afrikanischen Befreiungskampf geäußert: "Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, aber wenn es eines geben sollte, können wir sicher sein, dass die Seelen unserer Vorväter, die als Sklaven nach Amerika gebracht wurden, sich heute freuen, wenn sie sehen, dass ihre Kinder vereint sind und zusammen arbeiten, dass wir unabhängig und frei werden."
Im Oktober 1975 fiel Südafrika mit der Unterstützung Washingtons in Angola ein. Am 5. November 1975 beschloss die kubanische Führung, der Bitte um militärische Hilfe nachzukommen, um die Invasion Südafrikas zurückzuwerfen. Kurz vor dem 11. November angesetzten offiziellen Unabhängigkeit des Landes und der Einsetzung des MPLA-Vorsitzenden Agostinho Neto zum Präsidenten Angolas waren südafrikanische Truppen auf dem Vormarsch nach der Hauptstadt Luanda, um dies zu verhindern. Die erste Kompanie der kubanischen Sondereinheiten traf am 9. November in Angola ein und wurde zur Verstärkung der angolanischen Truppen nach Quifangondo gebracht. Früh am Morgen des 10. November begann der Kampf, und die Angreifer erlitten eine vernichtende Niederlage. Es gelang, ihre Panzer außer Gefecht zu setzen, ihre Infanterie war dem Feuer der BM21 ausgesetzt. Sie gerieten in Panik und traten den Rückzug an. Dabei zerstörten sie zahlreiche Brücken, um die Verfolgung zu erschweren.
Luanda war gerettet und Präsident Agostinho Neto proklamierte vor einer riesigen Menschenmenge die Geburt der Republik Angola.
Nach vielen weiteren Kämpfen zog sich schließlich am 27. März 1976 der letzte Trupp Südafrikas zurück. Es schien, als ob von jetzt an die angolanischen Streitkräfte ohne Hilfe der 36.000 Kubaner die Verteidigung ihres Landes übernehmen konnten.
Aber das rassistische Südafrika konnte nur überleben, wenn es ihm gelang, seine Herrschaft auf das gesamte südliche Afrika auszudehnen. Und so verbreiteten die Streitkräfte Südafrikas zusammen mit der von ihnen unterstützten UNITA Schrecken und Terror in der ganzen Region. Die UNITA war eine Organisation, die von der CIA finanziert an der Seite des rassistischen Südafrikas kämpfte. Sie sollte die kolonialen Interessen und die der transnationalen Unternehmen in diesem an Bodenschätzen so reichen Land wahren und eine Machtübernahme der MPLA unter allen Umständen verhindern. In den folgenden zehn Jahren kam es immer wieder zu Überfällen und terroristischen Anschlägen, die von den südafrikanischen Stützpunkten in Namibia ausgingen.
Zwischen 1981 und 1988 wurden schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen durch Aktionen der südafrikanischen Armee oder der von Pretoria finanzierten UNITA getötet. Südafrika startete zahllose Bombenangriffe, bewaffnete Überfälle und Morde gegen die umliegenden Länder. Ein Beispiel für die Brutalität dieser Angriffe war das Massaker vom 4. Mai 1978 in einem in der Stadt Kassinga im Südwesten Angolas, gelegenen Lager für namibische Flüchtlinge. Dort wurden bei einem südafrikanischen Luft- und Fallschirmspringerangriff Hunderte von Menschen getötet. Die wenigen, die überlebt haben, verdanken dies dem Mut der kubanischen Kämpfer, die sich den numerisch weit überlegenen südafrikanischen Streitkräften entgegenstellten, um sie zu retten.
Die Kinder, die mit dem Leben davonkamen, hatten die Möglichkeit, in Kuba zu studieren und tragen heute zur sozio-ökonomischen Entwicklung Namibias bei.
Im Januar 1988 entschied der Generalstab der Streitkräfte Angolas einen Generalangriff gegen die UNITA durchzuführen, um sie ein für allemal vom angolanischen Territorium zu entfernen. Aber unterstützt von den Truppen und der Luftwaffe Südafrikas ging die UNITA zur Gegenoffensive über. Die Regierung Südafrikas setzte nun alles auf eine Karte und wollte diese Gegenoffensive nutzen, um der Unabhängigkeit Angolas endgültig den tödlichen Schlag zu versetzen. Als die Lage der belagerten angolanischen Truppen kritisch wurde, bar die Regierung Angolas Kuba wiederum um Hilfe. Wie bereits 1975 schickte Kuba ein Kontingent von 36.000 Internationalisten, dieses Mal begleitet von MIG-21 und MIG-23, die die Lufthoheit sichern sollten.
Auf diese Weise konnte die Armee Angolas, zusammen mit den Kämpfern der namibischen Befreiungsorganisation SWAPO, in der bereits zum Mythos gewordenen Schlacht von Cuito Cuanavale die südafrikanische Armee vernichtend schlagen.
Aber die Führung der kubanischen Revolution beschloss, über die Verteidigung Cuito Cuanavales hinauszugehen. Sie wollte nun ein für allemal der südafrikanischen Aggression gegen Angola ein Ende setzen. Während die Südafrikaner sich ganz auf Cuito Cuanavale konzentrierten, landeten die Kubaner einen strategischen Coup. Starke kubanische Kolonnen stießen, unterstützt von den Streitkräften der Angolaner und SWAPO-Kämpfern, bis zur Grenze zu Namibia vor und zwangen die Südafrikaner so zum Rückzug. Die kubanischen MIG-23 begannen über den Norden Namibias zu fliegen. Pretoria sah sich plötzlich einem gigantischen Gegenschlag ausgesetzt. Nach weiteren schweren Niederlagen, die die Presse Südafrikas als "demütigend" bezeichnete, und dem Verlust der Lufthoheit, wurde die Lage für Südafrika zunehmend hoffnungslos.
Die Kubaner forderten von Pretoria nun den bedingungslosen Rückzug aus Angola und von der UNO überwachte Wahlen in Namibia. Pretoria erkannte, dass die Kubaner alle Vorteile auf ihrer Seite hatten und kapitulierte. Es akzeptierte die kubanischen Forderungen, zog sich aus Angola zurück und gab sein Einverständnis für von der UNO überwachte Wahlen, die die SWAPO gewann.
Der kubanische sieg zeigte seine Wirkung weit über Namibia und Angola hinaus. Nelson Mandela sagte, der kubanische Sieg "zerstörte den Mythos der Unbesiegbarkeit des weißen Unterdrückers … Cuito Cuanavale war der Wendepunkt für die Befreiung unseres Kontinents – und meines Volkes – von der Geißel der Apartheid."
In Ruacaná lehrten kubanische Kämpfer angolanische Soldaten auch Lesen und Schreiben |
Die Operation Carlota wurde am 25. Mai 1991 mit der Rückkehr der letzten 500 noch in Angola verbliebenen kubanischen Soldaten abgeschlossen. In den 15 Jahren, die die Operation Carlota andauerte, haben 300.000 Kubaner dort gekämpft und weitere 50.000 waren im zivilen Bereich eingesetzt. 2.077 Kubaner haben im Kampf um die Unabhängigkeit Angolas ihr Leben verloren.
Nelson Mandela sagte später: "Ich war im Gefängnis, als ich von der massiven Unterstützung erfuhr, die die kubanischen internationalistischen Truppen dem Volk von Angola leisteten … Wir in Afrika sind daran gewöhnt, Opfer von Nationen zu sein, die sich unserer Länder bemächtigen oder unsere Souveränität untergraben wollen. In der ganzen Geschichte Afrikas ist dies das erste Mal, dass ein ausländisches Volk aufgestanden ist, um eines unserer Länder zu verteidigen."
Im Juli 1991 sprach er in einer Rede in Havanna über die Bedeutung der Rolle Cuito Cuanavales und Kubas. "Das kubanische Volk nimmt einen besonderen Platz in den Herzen der Völker Afrikas ein. Die kubanischen Internationalisten haben einen Beitrag zur Unabhängigkeit, zur Freiheit und Gerechtigkeit Afrikas geleistet, der wegen seines auf Prinzipien beruhenden, selbstlosen Charakters ohne Beispiel ist. Die Niederlage der Apartheid Armee war eine Inspiration für das kämpfende Volk Südafrikas. Ohne den Sieg von Cuito Cuanavale wäre der Bann über unsere Organisation nicht aufgehoben worden! Die Niederlage der rassistischen Armee in Cuito Cuanavale hat es möglich gemacht, dass ich heute hier sein kann! Cuito Cuanavale war der Meilenstein in der Geschichte der Befreiung Afrikas."
Während die westlichen Medien sich in ihrer Berichterstattung über das Staatsbegräbnis von Nelson Mandela auf den Händedruck zwischen Obama und Raúl Castro beschränkten, wurde nicht gefragt, warum von den 91 anwesenden Staatsvertretern, der kubanische Präsident zu den sechs auserwählten gehörte, die bei der Zeremonie sprechen sollten. Auch die Worte, mit denen er dort vom Präsidenten des Afrikanischen Nationalkongresses ANC vorgestellt wurde, fanden in diesen Medien keine Erwähnung. Er sagte:
"Jetzt werden wir Ihnen den Staatschef vorstellen, der von einer kleinen Insel kommt, den Vertreter einer kleinen Insel, eines Volkes, das uns befreite, das für uns kämpfte … das Volk von Kuba."
Auch wenn die Umstände sich geändert haben, Kubas Solidarität mit Afrika geht weiter. Beim Kampf gegen die Ebola-Epidemie in dem westafrikanischen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone war die kubanische medizinische Mission die größte, die von einem Land geschickt wurde. Kubas Botschafter in Liberia, Jorge Lefebre Nicolás, erklärte: "Wir können doch nicht zusehen, wenn unsere Brüder in Afrika schwierige Zeiten durchleben und mit verschränkten Armen sitzen bleiben." Der kubanische Vertreter vor den Vereinten Nationen Abelardo Moreno sagte: "Die Menschheit hat eine Schuld gegenüber den Völkern Afrikas. Wir können sie nicht hängen lassen". Sogar das Wall Street Journal schrieb: "Wenige haben dem Ruf Beachtung geschenkt, aber ein Land hat machtvoll reagiert: Kuba."
Wie Isaac Saney in seinem Counterpunch Artikel "Paying Humanity“s Dept" schreibt, wird Kuba oft als die einzige ausländische Nation bezeichnet, die nach Afrika gekommen und wieder gegangen ist mit nichts als den Särgen ihrer Söhne und Töchter, die im Kampf um die Befreiung Afrikas gestorben sind. "Kubas Rolle in Angola macht den Unterschied deutlich zwischen jenen, die für die Sache der Freiheit, Befreiung und Gerechtigkeit kämpfen, Invasoren und Kolonialisten zurückschlagen, und jenen, die gegen diese gerechten Ziele kämpften, die Kriege führen, um zu besetzen, zu kolonisieren und zu unterdrücken. Die Internationalistischen Missionen Kubas in Afrika sind eine wirkliche Herausforderung für alle, die der Meinung sind, dass die Beziehungen zwischen den Ländern und Völkern der Welt nur von Eigeninteresse und dem Streben nach macht und Reichtum bestimmt sind und dies auch sein können. Kuba liefert das Beispiel, dass es möglich ist, Beziehungen aufzubauen, die auf aufrichtiger Solidarität und sozialer Liebe basieren: Dadurch, dass es diese Alternative aufzeigt, ermöglicht es den Menschen,ihre wahre Bestimmung zu erkennen und zu sehen, dass eine andere Welt möglich ist."
Carlota, die mutige Frau, die dieser großen Tat einer kleinen Insel ihren Namen gab, hatte sich erhoben, um gegen die Sklaverei zu kämpfen. Carlota, die von Afrika nach Kuba verschleppt und an den Eigentümer der Zuckerrohrplantagen von Triumvirato verkauft worden war, hat ihre Freiheit nie erleben dürfen und wurde von ihren Henkern auf grausame Weise gevierteilt. Ihre Söhne und Töchter aber haben in einer gigantischen Operation dem südlichen Afrika Freiheit und Unabhängigkeit gebracht.
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Renate Fausten
Granma Internacional, Dezember 2015