Kubanische Migranten:
eine Mentalität, die sich verwischt
Eine Lage, die sich im Laufe der Geschichte immer weiter zuspitzte, hat jetzt im Fall der in Costa Rica versammelten Kubaner dazu geführt, dass dem Luftballon der Außergewöhnlichkeiten, den die emigrierenden Kubaner für sich in Anspruch nahmen, die Luft entwichen ist. Ausgelöst durch die angst, dass in dem Dialog unter Gleichen, den Kuba und die Vereinigten Staaten unterhalten, eine Kampfansage gegen den Cuban Adjustment Act eingeschlossen ist, haben sich 4.000 Landsleute auf den Weg gemacht, Zentralamerika zu durchqueren, um rechtzeitig in den Vereinigten Staaten anzukommen. Jetzt, da Ecuador Visa von den Kubanern verlangt, kann man folgendes feststellen:
Wie auch immer die Krise gelöst werden wird, die Mentalität, mit der viele Kubaner ganz ernsthaft geglaubt haben, dass ihnen bei dem Versuch, in die Vereinigten Staaten zu gelangen, um dort in den Genuss des Cuban Adjustment Acts zu kommen, ein fast mystisches, göttliches Sonderrecht zusteht, das ihnen erlaubt, jedes Gesetz, das sich ihnen bei der Verwirklichung ihres Traumes im großen Land des Nordens in den Weg stellt, verletzen zu können, hat sich verflüchtigt.
Man kann die Kubaner nur verstehen, wenn man ihre Lage unter einem psychologischen Aspekt betrachtet. Sie bewegen sich wie innerhalb einer Fata Morgana, tief davon überzeugt, dass die Vernunft und das Recht auf ihrer Seite stehen, auch wenn sie ohne Vernunft und gegen das Gesetz handeln. Im Unterschied zu jedem anderen Migranten aus El Salvador, Mexiko oder Honduras erwartet der Kubaner, auf das Verständnis und die Hilfe der Regierungen, der Presse und der Völker zu treffen, an denen er vorbeikommt. Deswegen ist er völlig konsterniert, fassungslos und von einer kämpferischen Wut beseelt (Wie können sie es wagen, uns aufzuhalten), wenn die Fata Morgana sich auflöst und er auf Behörden stößt, die ihre eigenen Gesetze anwenden und ihn nicht weiterreisen lassen.
Die Kubaner, die in Costa Rica sind, sind zwar legal aus Kuba ausgereist und legal in Ecuador eingereist, haben dann aber illegal Kolubmien betreten, dieses Land mit der Hilfe von Menschenhändlern illegal durchquert und illegal Panama betreten. An der Grenze zu Costa Rica bekamen sie von den Migrationsbehörden ein Transitvisum, wohl wissend, dass es das Ziel der Migranten war, massiv in Nicaragua einzudringen und ihre illegale Reise Richtung Norden fortzusetzen.
Ohne vorherige Unterrichtung oder Verhandlung, weder mit der Regierung Nicaraguas noch mit einer anderen Regierung Zentralamerikas, gestattete Costa Rica es 1.917 Kubanern einseitig am 15. November ohne Visa nach Nicaragua einzudringen. Nicaragua übte daraufhin sein legitimes Recht aus, die Gesetze des Landes zu verteidigen, und vertrieb die kubanischen Migranten gewaltsam.
Nicaragua zu beschuldigen, Gewalt angewandt zu haben, als es eine Masse zurückgewiesen hat, die am 15. November bereit war, die polizeiliche Absperrung an der Grenzstation Peñas Blancas zu durchbrechen, ist zwar ein treffliches Argument, um die Propaganda gegen die Regierung von Daniel Ortega anzuheizen, es verlor aber am Verhandlungstisch der Sicherheitskommission des Zentralamerikanischen Integrationssystems (SICA) jedwede Gültigkeit. Um sich die Schwere dieses Moments klarzumachen, genügt es, die Videos zu studieren, in denen die kubanischen Migranten entschlossen und in Massen gegen die Polizei vorgehen, die ihnen den Weg versperrt, und dabei schreien, dass sie die Grenzumzäunung und Zollhäuschen Nicaraguas niederreißen würden.
Kuba zu beschuldigen, wie dies einige Medien tun, dass es nichts getan habe, um seinen in einem Labyrinth von ausländischen Migrationsgesetzen eingezwängten Staatsbürgern zu Hilfe zu kommen, ist ebenfalls nichts mehr als Propaganda gegen die Regierung von Raúl Castro. Es geht darum, eine würdige Lösung zu verhandeln, die den Betroffenen wirksam hilft. Kuba, wie jedem anderen Land in der gleichen Situation, fehlt die rechtliche Handhabe, um Ecuador, Kolumbien, Panama, Costa Rica, Honduras, El Salvador, Guatemala und Mexiko zu verpflichten, ihre eigenen Gesetze zum Wohl kubanischer Bürger zu brechen.
Die kubanischen Migranten sind keine Flüchtlinge, sondern Männer und Frauen (mit Kindern), die freiwillig beschlossen haben, in die Vereinigten Staaten zu gehen, wo ein Gesetz, das weder kubanisch noch zentralamerikanisch ist, sie im Gegensatz zu allen anderen Migranten der Welt wohlwollend aufnimmt. Das Endempfängerland, die Vereinigten Staaten, bekräftigt feierlich durch seine Botschafterin in Managua, Laura Dogu, dass ihr Land die Kubaner aufnehmen werde, denen es gelänge, das Gebiet der Vereinigten Staaten zu betreten, gemäß dem, was die seit 50 Jahren gültigen Gesetze festlegen, um die Kubaner zu begünstigen. Diese scheinbare Großzügigkeit der Vereinigten Staaten ist äußerst diskussionswürdig, da ihre eigenen Gesetze die Möglichkeit ausschließen, diesen Kubanern, die unter dramatischen Umständen in Costa Rica leben, Visa auszustellen, damit sie geordnet und legal in die Vereinigten Staaten einreisen Können und ihnen so die Ungewissheit und die Demütigung erspart bleiben.
Damit wird deutlich, dass der Cuban Adustment Act die kubanischen Migranten einem Kreuzweg voller Gefahren aussetzt und ihnen mit einer unerträglichen Haltung sagt: Wenn ihr das Gebiet der Vereinigten Staaten erreicht, falls ihr es erreicht, wird man euch gern aufnehmen. Inzwischen, macht was ihr wollt! Verletzt Gesetze einer Menge von betroffenen Ländern und lasst diese Länder doch die von einem US-Gesetz hervorgerufene Tragödie lösen.
Hinzu kommt, dass die Anmaßung, dass die Krise sich lösen würde, wenn nur Nicaragua diese 4.000 Kubaner passieren ließe, nicht bar von Zynismus ist, Indem man das illegale Eindringen der Migranten in Nicaragua fördert, fördern die Behörden von Costa Rica gleichzeitig die illegale Durchreise durch die anderen Länder Zentralamerikas und laden Migranten anderer Länder ein, dasselbe zu tun. Das hätte bedeutet, sie identischen Gruppen von Menschenhändlern zu übergeben, genauso schlimm wie die, denen Costa Rica mit polizeilichen Methoden das Handwerk gelegt hat. Und wenn es zu einem "humanitären Korridor" für die Kubaner käme, überwacht und geschützt von Behörden dieses riesigen Gebiets Unseres Amerika, warum ihn nicht auch für die anderen Migranten öffnen, die vor elend und mangelnden Möglichkeiten fliehen und in die Vereinigten Staaten wollen, in der Hoffnung, dort ihre Träume zu verwirklichen?
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René Vazquez Díaz
Granma Internacional, Dezember 2015