Mozart würde heute Habaneras komponieren ...

Festival Mozart-Havanna im Ambiente von Alt-Havanna


Alles begann mit der schlichten Überreichung einer Mozart-Büste im Jahr 2007. Niemand hätte damals daran gedacht, dass daraus ein solch großes Projekt werden würde. Die Stiftung Mozarteum Salzburg war beeindruckt von dem Land, das alles daransetzt, seine kulturelle Identität zu wahren und musikalische Gattungen wie Son Cubano, Bolero, Rumba, Trova etc. weiter zu entwickeln. Sie wollte der europäischen klassischen Musik, die in Kuba zwar geschätzt wird, aber unter anderem an einem eingeschränkten Zugang zu Instrumenten, Partituren und Bibliographien leidet, entscheidende Impulse geben.

Dafür wurden am 27. Januar 2009 mit der neu gegründeten Mozartgesellschaft, dem Lyceum Mozartiano de la Habana, die Voraussetzungen geschaffen. Ihr wichtigstes Ziel ist es, verschiedene Bereiche der Gesellschaft über die Musik zu erreichen. Herzstück des Lyceums ist eine Orchesterschule, die eng mir der Kunst- und Musikuniversität Havannas "Instituto Superior de Arte" (ISA) sowie dem Büro des Stadthistorikers von Havanna Eusebio Leal zusammenarbeitet. Sie eröffnet ihren Studenten die Möglichkeit, von hochrangigen internationalen und nationalen Spezialisten ausgebildet zu werden. Gleichzeitig führen die Studenten innerhalb der Gemeidearbeit im bevölkerungsreichsten Stadtteil Havannas die Kinder an die Musik heran. Die Orchesterschule hat seit fünf Jahren ihren Sitz in San Felipe Neri, einer vor 150 Jahren säkularisierten Kirche, die zunächst ein Geldinstitut und dann eine Fabrik wurde. Für ihren heutigen Zweck als Konzerthalle musste sie natürlich von Grund auf renoviert und mit einer besseren Akustik versehen werden. Die zum Lyceum gehörende Mediathek ist hervorragend technisch ausgerüstet, enthält alle notwendigen Informationen zur Konzertmusik und kann von jedem, der in Kuba Musik studiert oder sich über klassische europäische und kubanische Musik informieren möchte, kostenlos genutzt werden.

Zunächst nur mit den Mitteln der Stiftung Mozarteum Salzburg vorangetrieben, konnte das Lyceum Mozartiano 2012 mit für einen Zeitraum von drei Jahren gewährten Fördergeldern der EU auf eine sichere Basis gestellt werden.

In diesem Jahr nun wurde als Abschluss des EU-Projekts vom 16. bis zum 24. Oktober ein großes kubanisches Mozart-Fest gefeiert. Seinen Auftakt hatte dieses Festival in der Kathedrale von Havanna. In seiner Eröffnungsrede sagte der Präsident der Stiftung Mozarteum Salzburg, Johannes Honsig-Erlenburg, dass er sehr Stolz auf dieses "Kind" sei, das nun auf eigenen Füßen stehe. Er sei beeindruckt, dass Kuba mit solch einfachen Mitteln ein derart hohes Niveau auf dem Gebiet der klassischen europäischen Musik erreicht habe. Ulrich Leisinger, der wissenschaftliche Leiter der Stiftung Mozarteum Salzburg, gab eine kurze Übersicht über das Projekt und sagte, Mozart hätte die kubanische Musik ganz sicher gefallen und er würde, wenn er heute lebte, Habaneras schreiben.

In der überfüllten Kathedrale, in der viele Zuhörer keinen Sitzplatz mehr finden konnten, war viel Prominenz anwesend, Kardinal Jaime Ortega, der stellvertretende Kulturminister Kubas Fernando Rojas, der Botschafter der Europäischen Union in Kuba herman Portocarero und diplomatische Vertreter aus vielen Ländern der EU konnten zunächst das Konzert für Flöte Nr. 1 in G-Dur hören, bei dem alle hingerissen die wundervollen Querflötensoli von Niurka González verfolgten, die vom Orchester der Isa begleitet wurden. Dieses junge Orchester, das in seiner Mehrheit aus jungen Frauen besteht, meisterte seinen großen Auftritt bei der Eröffnungsveranstaltung souverän. Dem Flötenkonzert folgte die Große Messe in C-Moll, die von den fünf renommiertesten Chören Kubas gesungen wurde. Verschiedene Passagen der Messe wurden von den Sopranistinnen Claire Elizabeth Craig und Barbara Llanes, dem Tenor Roger Quintana und dem Bariton Ahmed Gómez interpretiert.

Am Samstag, dem 17.10., wurde den Zuhörern in der San Francisco Basilika ein Klavierkonzert des Direktors des Lyceums Mozartiano Ulises Hernández geboten. Er wurde von der Camerata Romeu begleitet, dem einzigen Frauenorchester dieser Art weltweit, für das bedeutende Komponisten Lateinamerikas und Nordamerikas Stücke komponiert haben. Die Camerata spielte zunächst die Symphonie Nr. 12 in G-Dur, die vom 15jährigen Mozart geschrieben wurde. Sie gilt als sein erste anspruchsvolles Werk und erlebte an diesem Tag ihre Uraufführung in Kuba. Darauf folgte das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 9 in Es-Dur "Jeunehomme", ein Genuss für Ohr und Auge. Es war faszinierend zu sehen, wie elegant er Pianist Läufe in einer Geschwindigkeit spielte, die der erstaunte Laie nicht für möglich halt. Schön anzusehen war auch, wie Zenaida Romeu ihr Orchester führte, immer mit einem strahlenden Lächeln und mit jeder einzelnen ihrer Musikerinnen über Gestik und Mimik kommunizierend.

Symphonieorchester der Kunsthochschule ISA

Das Symphonieorchester der Kunsthochschule ISA bei einer Aufführung im Konzertsaal San Felipe Neri


Ein weiterer Höhepunkt des Mozartfestes war das Konzert, das am darauffolgenden Sonntag die Violonisten Renaud Capucon und Braulio Labañino, die Violaspieler Gérard Caussé und Anolan González und der Cellist Clemens Hagen zusammen mit dem Symphonieorchester der ISA in San Felipe Neri gaben.


Ulrich Leisinger sagte in seiner Einführung, dass Mozart selbst ein Violinvirtuose gewesen sei und bereits mit sieben Jahren am Hof des Erzbischofs Violine gespielt habe. In Salzburg existierten noch seine ursprünglichen Instrumente. Die heutigen seien viel leichter und machten nur noch ein Fünftel des Gewichts der Violine Mozarts aus.



Das Konzert bestand aus dem Divertimento für Streichtrio in Es-Dur, dem Streichquintett Nr. 4 in g-Moll und einem Symphonieorchester für Violine, Viola und Orchester. Es war für alle in unvergessliches Erlebnis, so viele begnadete Streicher in einem Konzert genießen zu können.

Aber nicht nur Mozart war in diesen neun Tagen in Alt-Havanna zu hören. Auch klassische Musik anderer Komponisten gehörte mit zum Programm, wie die Aufführung von Sergej Prokowjews "Peter und der Wolf", bei der zum ersten Mal auf der Welt die bekannte kubanische Kindertheatergruppe La Colmenita eine Theaterversion dieser unsterblichen symphonischen Erzählung aufführte und dabei von einem Orchester, das aus Schülern von Grund- und Sekundarschülern besteht, begleitet wurde.

Auch die Gruppe "Ars Longa" hatte nicht Mozart im Repertoire. Die Werke, die diese einmalige Formation im Programm hat, gehen teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurück. Aber wie ihre Direktorin Teresa Paz betonte, habe auch sie sich zur Aufgabe gemacht, das klassische Erbe zu bewahren. Deswegen wurde "Ars Longa" auch im Jahr 1994 innerhalb des Kulturprogramms des Stadthistorikers von Havanna gegründet. "Ars Longa" benutzt die Instrumente der damaligen Zeit. Das bedeutet in einem konkreten Beispiel, dass die Cellistin der Gruppe ihr Instrument mit den Unterschenkeln halten muss, denn die Celli von Damals haben keinen Metallfuß zum Absetzen. Während die Streich- und Zupfinstrumente Akzente setzten, verstärkten die Holzblasinstrumente lediglich den Gesang. Die Aufführung lebte besonders von der Vortragskunst der vier Gesangssolisten (zwei Frauen und zwei Männer), die das Publikum verzauberten und in frühere Jahrhunderte entführten. Dabei zeichneten sie sich nicht nur durch stimmliche Virtuosität, sondern auch durch schauspielerisches Können aus, das mit einer gestisch-mimischen Theatralik, die ebenfalls früheren Jahrhunderten entstammte, die Inhalte ihrer Lieder "inszenierte".

Die kleine Kirche Iglesia de Paula war bis zum letzten Platz gefüllt, aber nicht nur von kubanischem Publikum. Die europäischen diplomatischen Vertretungen waren zahlreich vertreten und selbst die Bundestagsvizipräsidentin Claudia Roth wollte sich diesen Kunstgenuss offensichtlich nicht entgehen lassen. Die österreichische Botschafterin Gerlinde Paschinger nahm an allen Veranstaltungen des Mozartfestes teil.

Die Mitglieder des Symphonieorchesters und Schüler anderer Musikschulen Kubas hatten das außerordentliche Privileg, in den Genuss einer Master Class der berühmten Virtuosen zu kommen, die an diesem Mozartfest teilnahmen. So hielten der französische Violinist Renaud Capucon, der österreichische Cellist Clemens Hagen, der französische Klarinettist Florent Héau und der deutsche Pianist Siegfried Mauser vor begeisterten Musikstudenten, die von großen Meistern lernen wollten, ihre Master Class in den Räumlichkeiten des Felipe Neri ab.

Dies ist nur ein Ausschnitt des umfangreichen Veranstaltungsangebots des Mozartfests, das am 24. Oktober mit einer wunderschönen Veranstaltung im vor kurzem vollständig renovierten historischen Martí-Theater seinen Abschluss fand.

Der Stadthistoriker von Havanna Eusebio Leal nahm dies zum Anlass, der Mozartstiftung Salzburg, der Botschaft Österreichs und der Europäischen Union für die großzügige Unterstützung dieses wichtigen Projekts zu danken, das Havannas und Kubas würdig sei, aber ohne den Einsatz seines Direktors Ulisses Hernández nicht denkbar gewesen wäre.

Unter der Leitung von Walter Reiter spielte das dem Lyceum Mozartiano angegliederte Symphonieorchester der ISA zunächst Mozarts Symphonie Nr. 1 in Es-Dur. Darauf folgte das Konzert für Klarinette mit dem berühmten französischen Solisten Florent Héau. Krönender Abschluss des neuntägigen Programms war Mozarts Jupiter Symphonie, die von den jungen Symphonikern, deren Durchschnittsalter sicher nicht weit über zwanzig liegt, auf hervorragende Weise interpretiert wurde.

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Renate Fausten

Granma Internacional, 15.11.2015