Rede des Comandante en Jefe Fidel Castro Ruz, Erster Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas und Vorsitzender des Staats- und Ministerrates anläßlich der Offenen Tribüne der Revolution in der Sportanlage "Eduardo Saborit" des Stadtbezirks Playa
Vaterlandsgenossen!
Vor genau 15 Monaten und 26 Tagen setzte in unserer Hauptstadt die größte Mobilmachung der Volksmassen ein, die es je in der Geschichte unseres Landes gegeben hat. Die brutale Entführung eines noch keine sechs Jahre alten kubanischen Kindes war der zündende Funke, der diesen Kampf entfachte in Anlehnung an den Schwur von Baraguá, mit dem wir die Verpflichtung eingingen, nicht nachzulassen im Gefecht, solange die verbrecherische Blockade und der Wirtschaftskrieg gegen unser Volk anhalten, solange es die widerliche Torricelli- und Helms-Burton-Gesetze geben, jene zynischen Amendments und Stützen bedeutender Gesetze, die keinen Verzug dulden; solange es Politiken unaufhörlicher Anfeindung und Aggression, das mörderische Cuban Adjustment Act - durch das seit 35 Jahren junge und alte Menschen, Mütter und Kinder, Frauen und Männer aller Altersstufen in den Tod getrieben werden - und die seit hundert Jahren anzutreffende gesetzwidrige Besetzung eines Teiles unseres Territoriums gibt. Der an jenem 5. Dezember 1999 ausgelöste Kampf ist nun zu einer kolossalen Schlacht der Ideen geworden, die nicht abgebrochen werden wird, solange es das imperialistische System gibt.
In unserer Stadt ist schon kein anderer Platz mehr zu finden, um die Hauptstadtbevölkerung zusammenzurufen. Dieses Volksmeer auf dem größten Gelände, das für eine Offene Tribüne im Stadtbezirk Playa, der nur einer der fünfzehn unserer Hauptstadt ist, gefunden werden konnte, zeugt von dem erreichten Grad an Einheit und Stärke.
Das ist also das "versklavte" Volk, für dessen Menschenrechte das "demokratische" Imperium der Vereinigten Staaten in Genf eintritt; und sie tun es wütender denn je, wobei kaum drei Monate seit dem Wahlbetrug und dem skandalösesten Raub des begehrenswerten Präsidentensessels, den es je in diesem Land gegeben hat, vergangen sind.
In keiner anderen Etappe des politischen Lebens unseres Landes war die Ideologie des Imperialismus einer derartig vernichtenden und tiefgründigen Kritik seitens unseres Volkes ausgesetzt gewesen.
Der Untergang des sozialistischen Lagers in Europa und die Auflösung der Sowjetunion bedeuteten für die fortschrittlichen Ideen und die gerechten Bestrebungen in Richtung sozialer Veränderungen auf der Welt einen schweren Schlag; bewirkten Entmutigung, Verwirrung, ja sogar Demoralisierung und gewichtige Fälle von Abtrünnigwerden in den Reihen vieler linker Kräfte. Nachdem der kalte Krieg zu Ende war und die einzige noch existierende Supermacht ihre Vorherrschaft auf unserem Planeten auszuüben begann und man der Meinung war, das Bestehen unserer Revolution sei lediglich eine Frage von Tagen, Wochen oder im Höchstfalle von einigen Monaten, bewies das heldenhafte Durchhaltevermögen Kubas allen Völkern der Welt, daß die gerechten Ideen, die eine kleine Insel in nur wenigen Meilen Entfernung von jener gigantischen Macht ehrenhaft und standhaftig verteidigt, nicht vom Tisch gefegt werden können.
Unser Volk hat mehr als 40 Jahre Blockade, Söldnerinvasion, Androhung und reale Gefahr eines Kernwaffenangriffs, schmutzigen Krieg, Wirtschaftskrieg, biologischen Krieg, politischen Krieg, sämtliche vorstellbaren Methoden der Subversion und Destabilisierung ertragen, ohne hierbei die Hunderte gescheiterter Versuche auszuschließen, unserem politischen Prozeß durch die Ermordung seiner Führungskräfte die Spitze abzubrechen.
Überall erwacht heute die Rebellion der Völker zu neuem Leben; der Millionen Menschen, die immer stärker ausgebeutet und ausgeplündert werden, die immer stärkeren Schmähungen ausgesetzt sind durch die wachsende Anzahl von Armen und Hungernden, Analphabeten, Menschen ohne ärztliche Betreuung, Beschäftigungslose, Straßen- und Bettelkinder, durch immer mehr in der Prostitution lebende Mädchen, mehr Sexhandel, mehr Drogen, mehr Delikte, mehr antibiotikaresistente Krankheiten, mehr AIDS, mehr teure Medikamente, mehr Mißbrauch, mehr politische Korruption, mehr Betrug, mehr entfremdende Werbung, mehr Lügen, mehr Umweltverschmutzung, mehr Schrumpfung der natürlichen Ressourcen, mehr Vergiftung der Flüsse, der Meere, der Atmosphäre, mehr Wüstenbildung, mehr salzhaltige Böden; weniger Wald, weniger Anbaufläche, weniger Trinkwasser, weniger Rationalität bei der Distribution der Ressourcen für eine nachhaltige Entwicklung, weniger Fähigkeit bei den internationalen Finanzorganen und selbst bei den Regierungen der reichen Länder, Schöpfer der Konsumgesellschaften, die die Technologien und das Geld der Welt fast monopolisieren, ohne auch nur den geringsten Willen zu zeigen, die wachsenden und komplexen Probleme der menschlichen Gesellschaft anzugehen.
Die gefräßigste und unverantwortlichste aller, die jenes Land regiert, das 25 % der Weltenergie verbraucht, hat gerade unilateral erklärt, sie werde die in Kyoto eingegangene Verpflichtung zur Verminderung der Schadstoffemission nicht einhalten. Damit bekräftigt sie ihre völlige Mißachtung der Weltöffentlichkeit und der Interessen der Welt, ja sogar des US-amerikanischen Volkes selbst. Diese Aktion, der bereits andere mit verheerenden Folgen vorausgingen wie die gleichsam unilaterale Entscheidung des Rücktritts von Vereinbarungen, die für den Weltfrieden von lebenswichtiger Bedeutung waren, und Bekanntgabe des Beschlusses der Konstruktion eines vermeintlichen Raketenabwehrschildes, was unvermeidbar zu einem neuen Wettrüsten führen wird, und das zu dem denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, da die Erde - auf der bereits 6,1 Milliarden Menschen leben, wovon drei Viertel zu den Armen gehören - tritt in ein Jahrhundert, das in der tausendjährigen Geschichte der Menschheit zweifelsohne das schwierigste und bedeutsamste sein wird.
Wir Kubaner können stolz darauf sein, Bewußtsein erlangt zu haben über die historische Verantwortung, die unser Volk in seinem langen Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit übernommen hat. Uns ist außerdem der internationalistische Geist eigen, gestählt in 42 Jahren steten Kampfes gegen das mächtigste Imperium aller Zeiten, was uns ein Recht gibt zu sagen, daß wir jene außerordentliche Auffassung Martís, "Vaterland ist Menschheit", in ihrem ganzen Umfang verstehen und uns zu eigen machen. (Beifall).
Niemals werden wir die Prinzipien aufgeben, die wir im Kampf für Gerechtigkeit für unsere Heimat und ein Ende der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen erworben haben, die angeregt sind durch die Geschichte der Menschheit und die vortrefflichsten Theoretiker und Befürworter eines sozialistischen Systems von Produktion und Verteilung der Güter als das einzig fähige System der Schaffung einer wahrhaft gerechten und menschlichen Gesellschaft, Marx und Engels und später dann Lenin. Nie haben wir, wie so manche Abtrünnige und Feiglinge, ihre Namen aus unserem Gedächtnis gestrichen.
Bereits an einem so frühen Zeitpunkt wie dem 16. April 1961, Vorabend des tückischen imperialistischen Angriffs bei der Schweinebucht, wodurch ein Stück unseres Territoriums besetzt und eine Regierung eingesetzt werden sollte, deren einzige Aufgabe darin bestand, einer blutigen Intervention in unserer Heimat durch ausländische Kräfte den Weg zu ebnen; damals bereits hatte ich das Privileg, unsere Revolution als eine sozialistische zu erklären. (Beifall und Ausrufe: Fidel! Fidel! Fidel!). Für diese heilige Sache vergoß unser Volk sein edles Blut so wie es auch in den Tagen der Oktoberkrise 1962 mit spartanischem Mut vor unwürdigen Konzessionen sein eigenes Überleben aufs Spiel setzte. Mit diesem gleichen Mut war es fähig, glorreiche internationalistische Missionen zu erfüllen im Kampf gegen Kolonialismus und das widerliche Apartheidregime, Erbe des Nazismus und enger Verbündeter des Westens bis zum Ende seiner düsteren Tage. Im Kampf gegen sie haben auch die Kubaner ihr Blut vergossen, ohne daß wir dort, weder in Angola noch anderswo in Afrika auch nur eine einzige Investition, einen Quadratmeter Boden oder eine Schraube in irgendeiner Fabrik besäßen. Das ist es, worin wir uns vom Imperium und seinen Verbündeten unterscheiden. Das ist es, was im Kampf der Ideen unsere Moral auf die Ebene der Sterne erhebt.
Das Volk, das heute die Schlacht der Ideen schlägt, hat keine 30 % Analphabeten mehr, wie sie die Revolution am 1. Januar vorfand. Für kein Kind fehlt es weder an Lehrern noch an Schulen noch an Möglichkeiten, in den unterschiedlichsten Disziplinen der Wissenschaft und Kultur ein Studium zu ergreifen. Eine Anzahl von 700.000 von ihnen sind Hochschulabsolventen. Dazu verfügen wir noch über Tausende hervorragender Intellektueller und Künstler. Heute kämpfen wir für eine umfassende Allgemeinbildung. In den kommenden zehn Jahren werden wir das in den vergangenen 42 Jahren erworbene Wissen vervierfacht haben.
Die Universität für Alle, die Podiumsgespräche, bedeutende erst kürzlich in allen Provinzen eingeweihte Lehrerbildungsinstitute für Kunstdisziplinen, dabei in jedem von ihnen Ausbildung in bildenden Künsten, Musik, Tanz, Theater und anderen künstlerischen Äußerungen; Tausende zu schaffende Bibliotheken zur Verfügung eines jeden Bürgers und der massive Einsatz audiovisueller Mittel werden Kuba das gebildetste Land der Welt werden lassen, dessen Söhne dann nicht nur - je nach Beruf - tiefgründige berufliche, wissenschaftliche, technische und künstlerische Kenntnisse haben und mehrere Sprachen beherrschen werden, sondern sie werden auch umfassende politische, historische, ökonomische und philosophische Kenntnisse besitzen, die ihnen ermöglichen werden, die großen Herausforderungen der Zukunft zu verstehen und in Angriff zu nehmen. Nur sehr wenige auf der Welt können immer noch bezweifeln, daß wir diese unsere Ziele erreichen werden.
Unser Schicksal kann durch nichts und niemanden aufgehalten werden; weder durch Waffen, noch durch Unkenntnis, Betrug und Demagogie. Ihre zynischen und heuchlerischen Lügen und ihre entmenschlichten und egoistischen Auffassungen werden wir zerschlagen. Wir werden - vielleicht mehrere - Jahre noch brauchen. Doch sie werden eine Niederlage nach der anderen hinnehmen müssen und nie einen Sieg - es sei denn einen Pyrrhussieg - davontragen. Nur 19 Tage vor dem 40. Jahrestag jener unvergeßlichen Schlacht, in der wir die Unabhängigkeit unseres Vaterlandes und das Recht auf eine echte Revolution zu verteidigen wußten, erdreisten wir uns, für die Schlacht der Ideen zu prophezeien, daß die Imperialisten ein einziges gigantischen Girón erwartet. (Beifall)
Ruhm dem heldenhaften Volk, das zur Vollbringung einer solchen Heldentat fähig ist und sein wird! (Ausrufe: Ruhm!)
Vaterland oder Tod!
Wir werden siegen!
(Beifall)
Fidel Castro Ruz
31. März 2002, Playa, Havanna
Quelle: Soldado de las Ideas