Rede seiner Exzellenz, Dr. Fidel Castro Ruz, Präsident der Republik Kuba, während des ersten Arbeitstages des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs von Lateinamerika-Karibik und der Europäischen Union. Rio de Janeiro, Brasilien.
Ich möchte heute eine äußerst wichtige politische Frage in bezug auf das neue strategische Konzept der NATO unbedingt erwähnen. Ich beziehe mich hier auf vier Abschnitten davon:
Eins: " Zur Verbesserung von Frieden und Stabilität in Europa und darüber hinaus, stärken die europäischen Verbündeten ihre Handlungsfähigkeit, auch durch eine Verstärkung ihrer militärischen Fähigkeiten".
Zwei: "Die Sicherheit des Bündnisses bleibt einem breiten Spektrum militärischer [...] Risiken unterworfen [...] . Zu diesen Risiken gehören Ungewißheit uns Instabilität im und um den euro-atlantischen Raum sowie die mögliche Entstehung regionaler Krisen an der Peripherie des Bündnisses... "
Drei: "Streitkräfteelemente in größerer Zahl werden in geeigneten Bereitschaftsgraden zur Verfügung stehen, um längere Operationen durchzuhalten, entweder innerhalb oder außerhalb des Bündnisgebiets".
Vier: Daß es wahrscheinlicher ist, daß die möglichen Androhungen gegen der Sicherheit des Bündnisses aus regionaler oder ethnischer Konflikte, aus anderen Krisen außerhalb des Bündnisgebiets, sowie aus der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägermittel erwachsen.
Ich würde drei sehr kurzen Fragen stellen die gleichzeitig Überlegungen darstellen:
Erstens: Wir möchten wenn es möglich ist, wissen, ob Lateinamerika und der Karibik zu der von der NATO definierten euro-atlantischen Peripherie gehören oder nicht.
Zweitens: Nach zahlreichen Debatten hat die europäische Union eine Erklärung dieses Gipfeltreffens unterstützt, wobei festgelegt wird: "Diese strategische Partnerschaft basiert auf der Achtung des internationalen Rechts und auf der in der Charta der Vereinten Nationen beinhalteten Ziele und Grundsätzen der Nichtintervention, des Respekt der Souveränität, der Gleichheit zwischen den Staaten sowie der Selbstbestimmung".
Würde das bedeuten daß die Vereinigten Staaten sich auch zu den in dieser Erklärung ihrer Verbündeten beinhalteten Prinzipien bekennen werden? Wie wird sich Europa verhalten wenn die Vereinigten Staaten auf eigener Rechnung und mit irgendeinem Vorwand die Entscheidung treffen, über einer der hier versammelten Ländern Lateinamerikas und der Karibik ihre Bomben und Raketen zu werfen?
Drittens: Für die ganze Welt ist beispielsweise bekannt daß Israel über Hunderte von Kernwaffen verfügt die mit westlichen Hilfe hergestellt wurden. Darüber wird seltsamerweise absolut geschwiegen.
Würde das bedeuten daß die NATO, gemäß dem o.g. vierten Punkt und als Folge der heimlichen Verbreitung nicht nur der Massenvernichtungswaffen sondern auch der massiven Herstellung von diesen, die Möglichkeit hätte über Jerusalem oder Tel Aviv, über israelischen oder palästinensischen Städten Tausend Bomben zu werfen? Daß sie elektrischen Systemen, Industrien, Autobahnen und alle für das Menschenleben wesentlichen Mitteln zerstören kann? Daß sie Zehntausende unschuldigen Bürgern direkt töten und das Leben der restlichen Bevölkerung bedrohen kann? Kann diese eine zivilisierte Bewältigung solcher Problemen sein? Kann man versichern daß dies nicht zu einem nuklearen Konflikt führen könnte? Wo könnte uns die neue und unvertretbare Doktrin der NATO hinführen?
Nachdem ich nur diese kurzen Überlegungen über ein so empfindliches Thema zum Ausdruck gebracht habe, möchte ich nicht Weiteres sagen. Ich bitte um Verzeihung.
Vielen Dank (Beifall)
Fidel Castro Ruz
28. Juni 1999, Kongreßhalle, Rio de Janeiro, Brasilien
Quelle: Fidel - Soldado de las Ideas