Wir wissen; daß sich nur die Völker selber soziale Gerechtigkeit geben können. Neoliberalismus und soziale Gerechtigkeit sind unvereinbar

Rede Präsident Fidel Castros auf der Abschlußsitzung des Ersten Welttreffens der Solidarität mit Kuba im Theater Karl Marx, in Havanna, am 25. November 1994, 36. Jahr der Revolution.

Fidel Castro 1994

Liebe Freunde, und mit welcher Freude sage ich das: liebe Freunde! Es fällt mir nicht leicht, ein Resümee, eine Zusammenfassung all dessen zu geben, was in diesen Tagen des Treffens geschehen ist, aber einige Gedanken kann ich dazu äußern. Es zogen hier - man könnte fast sagen in Kampfformation - die besten Gefühle, die besten Ideen unseres Jahrhunderts vorüber. Es ist hier von so viel Gutem die Rede gewesen, worum sich die Menschheit schon seit langem sorgt. Von Werten, für die diese Menschheit im Verlaufe des nun scheidenden Jahrhunderts gekämpft hat. Sie wurden hier in der einen oder anderen Form angesprochen.




Die beunruhigendsten Fragen aus diesem langen Kampf um Unabhängigkeit, gegen Kolonialismus, gegen Neokolonialismus, gegen Imperialismus sind hier gestellt worden; Fragen des Kampfes der Völker für Gleichberechtigung, Gerechtigkeit, Entwicklung, Souveränität, für Werte, die nie so stark gefährdet waren wie heute; Fragen des Kampfes gegen soziale Ungerechtigkeit, des Kampfes gegen Ausbeutung, des Kampfes gegen Armut, des Kampfes gegen Unwissenheit, des Kampfes gegen Krankheiten, des Kampfes für alle Schutzlosen, Besitzlosen; des Kampfes um Würde; des Kampfes um die Achtung vor der Frau; des Kampfes um Brüderlichkeit unter allen Menschen aller Rassen; des Kampfes um Frieden und vieles mehr. All das ist im Verlauf dieses Treffens genannt worden. Darum könnten wir behaupten, daß es nicht nur ein Solidaritätstreffen mit Kuba gewesen ist. Wir sind stolz darauf, daß es diese Solidarität ist, die es inspiriert hat.

Die besten Werte unserer Zeit zogen hier vorüber und hier waren gute, uneigennützige Menschen, Altruisten, der beste Teil der Menschheit. Natürlich nicht alle, denn das sind so viele, daß für sie kein Platz gewesen wäre, nicht in 1.000 Theatern wie diesem, nicht in 100.000 Theatern. Wenn wir ein Treffen mutiger Menschen wollten, Menschen mit großer Sensibilität und Moral, so waren sie hier zugegen.

Ich bewundere die Fähigkeit des Menschen sehr, Gutes zu tun, Opfer zu bringen, großzügig zu sein. Wenn wir einen Besucher in diesem Land empfangen, beobachte ich ihn, analysiere ihn, versuche seine Gedanken zu erraten, seine Gefühle, und meine Bewunderung vor so viel Menschlichkeit ist grenzenlos.

Viele die wir kennen fehlen hier, sehr viele, die Freunde, die solidarisch sind und ein Beispiel für Sensibilität, Solidarität und menschlicher Güte. Das ist der unauslöschliche, unvergeßliche Eindruck, der uns in Gedächtnis bleiben wird. Das gilt auch für dieses Treffen.

Wie ist es verlaufen? Alle, mit denen ich gesprochen, denen ich zugehört habe, sagten mir, es sei gut verlaufen; es war so ganz anders als sonst. Auf früheren Zusammenkünften haben alle, die den Wunsch dazu hatten, das Wort erhalten, und die Treffen verwandelten sich in eine unendliche Folge von Reden. Obwohl es auch diesmal ausgezeichnete, glänzende, tiefgehende und kurze Beiträge gab, wäre ein über viele Tage nur darauf beschränktes Ereignis keine gute Sache gewesen.

Es gab Reden. Beiträge, Fragen, Antworten; es tagten die Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen. Wer sich hier im Plenum nicht geäußert hatte, tat es in den Arbeitsgruppen. So konnte das Wunder geschehen, daß Hunderte von Personen zu Wort kamen, auch wenn es dann immer noch nicht alle waren.

Die mehreren Hundert haben uns, glaube ich, mehr oder weniger einen Eindruck der Gefühle aller vermittelt. Darum möchten wir all die beglückwünschen, die diese Zusammenkunft organisiert und geleitet haben (BEIFALL). Trotz aller Unterschiede war nichts von einem Turm von Babel zu spüren. Bei den Sprachunterschieden und Vertretern aus 109 Ländern, wie es hieß, haben wir uns wunderbar verstanden. Bei dieser Vielzahl von Sprachen und politischen Meinungen herrschte bei dem Ge- . danken an die Solidarität mit unserem Volk Einigkeit (BEIFALL).

Die Blockade war praktisch Mittelpunkt des Treffens. Zur Blockade ist viel gesagt worden; zur Blockade sei nicht mehr viel hinzuzufügen, erklärten die Genossen. Aber was ist eigentlich die Blockade? Die Blockade ist nicht nur das Verbot der USA, Handel mit unserem Land zu treiben, seien es Technologien, Maschinen; seien es Nahrungsmittel; seien es Medikamente. Blockade bedeutet, daß an Kuba nicht einmal eine Kopfschmerztablette verkauft werden kann oder ein Mittel gegen Krebs, um ein Leben zu retten oder in der Endphase die Leiden zu lindern; nichts, absolut nichts kann an Kuba verkauft werden!

Blockade ist nicht nur das Verbot aller Kredite, aller finanziellen Möglichkeiten. Blockade ist nicht nur die totale Sperre für alle Wirtschafts-, Handels- und Finanzoperationen seitens der USA, der reichsten Nation der Welt, der stärksten Wirtschafts- und Militärmacht der Welt. Sie ist nicht nur 90 Meilen nah, sondern sogar nur einige Zoll breit von unseren Küsten entfernt, nämlich auf dem besetzten Territorium, dem Flottenstützpunkt Guantánamo. Das mächtige Imperium ist nicht nur ganz nah, sondern ist unter uns; und es ist nicht nur nah mit seinen Ideen, seiner Anschauung und Philosophie, sondern ist der. glücklicherweise kleine Teil unter uns, der die Anschauung, die Philosophie und die Ideen teilt, die bereits jahrelang in der Welt verbreitet werden.

Das Imperium verkauft Kuba keine Waren, möchte uns aber Ideen exportieren und zwar die schlechtesten; es exportiert keine Lebensmittel, keine Medikamente, keine Technologie, keine Maschinen, aber in rauhen Mengen Ideen. Tatsache ist, daß der Markt früher weiter reichte und Ideen überallhin exportiert wurden, besonders aber in die sozialistische Gemeinschaft. In die ehemalige Sowjetunion und andere Länder wurden viele Ideen exportiert; heute hat das Imperium konterrevolutionäre Ideen nur noch für uns. Es verfügt über ein enormes Lager und unendlich viele, mächtige Massenmedien. Diesen Handel führt es aber nur in eine einzige Richtung, denn wir besitzen solche Massenmedien. solche enormen Kommunikationssysteme nicht, die jährlich viele Milliarden Dollar kosten. Wir sind dazu verdammt, zu empfangen statt auszutauschen.

Die Blockade ist aber nicht nur das. Die Blockade ist ein Wirtschaftskrieg gegen Kuba. Sie ist die hartnäckige und ständige Verfolgung aller wirtschaftlichen Vorhaben Kubas in der Welt. Die USA nutzen aktiv ihre diplomatischen Kanäle, ihre Botschaften, um auf jegliches Land, das am Handel mit Kuba interessiert ist, Druck auszuüben. Um auf jedes Unternehmen Druck auszuüben, das mit Kuba handeln oder in Kuba investieren möchte, um auf jedes Schiff, das Waren nach Kuba befördert, Druck auszuüben und Strafen zu verhängen. Die Blockade ist der universelle Krieg einer ungeheuren Machtmaschinerie gegen die Wirtschaft unseres Landes. Sie ist so extrem, daß Personen behelligt werden, die mit unserem Land wirtschaftliche Beziehungen anknüpfen möchten. Sie nennen es beschönigend Embargo, wir nennen es Blockade. Es Ist aber weder Embargo noch Blockade, es ist Krieg! Ein Krieg, der heute gegen kein anderes Land der Welt geführt wird, sondern einzig und allein gegen Kuba.

Nicht nur in den Jahren der Revolution haben wir die Blockade ertragen müssen.

Wir haben unaufhörlich Feindseligkeiten auf politischem Terrain ertragen müssen, seit den Versuchen, die Anführer der Revolution zu beseitigen. Wir erlebten alle Formen der Subversion, der Destabilisierung, bis hin zur direkten und ständigen Sabotage unserer Wirtschaft.

In diesen 35 Jahren waren wir aller Art von Sabotageakten ausgesetzt. Ich rede nicht nur von Piratenüberfällen, Söldnerinvasionen, schmutzigen Kriegen in den Bergen und in der Ebene, von fortgesetzten Versuchen der Destabilisierung in allen Bereichen. Wir waren direkten Sabotagen mit Sprengstoff- und Brandanschlägen ausgesetzt.

Unser Land war sogar Opfer chemischer Kriegsführung durch das Einschleppen von Giften und biologischer Kriegsführung durch das Einschleppen von Krankheiten für Menschen, Tiere und Pflanzen. Keine Waffe, kein Mittel war den US-Behörden und der US-Regierung zu teuer, um es gegen unser Land, gegen unsere Revolution, anzuwenden.

Das ist keine Behauptung von mir. Mitunter kommen Papiere zum Vorschein, derer sie sich entledigen oder die sie nach 25 Jahren veröffentlichen. Manche Dokumente geben sie erst nach 50 oder 100 Jahren frei. Oder sogar nach 200 Jahren, für die Enkel der Urenkel der Ururenkel der heutigen Generationen, die eines Tages von den Barbareien erfahren werden, die diese "Weltmeister" der Freiheit, diese "Weltmeister" der Menschen-rechte begangen und verschwiegen haben. Der Krieg gegen die kubanische Revolution war total und absolut. Der Krieg gehört auch nicht der Vergangenheit an, sie führen ihn weiter. Es werden wieder Sabotagepläne gegen unsere Wirtschaft und unsere Schlüsselindustrien geschmiedet.

Heute sind regierungsnahe Organisationen der USA aktiv bei der Vorbereitung von Attentaten gegen die Anführer der Revolution. Keiner soll glauben, daß es sich um eine Angelegenheit aus der Vergangenheit handelt, sie ist hochaktuell. Sie entwerfen Pläne für einen schmutzigen Krieg, Infiltrationspläne bewaffneter Söldner, die töten, sabotieren, Unsicherheit verbreiten und den Tod in jeden Winkel unseres Landes tragen sollen. Ich sage, und sage es in voller Verantwortung, es handelt sich um aktuelle Pläne des Imperialismus gegen uns. Das ist mehr, sehr viel mehr, als die Wirtschaftsblockade.

Diese gesamte Politik wird von einer unaufhörlichen Verleumdungskampagne gegen unser Land begleitet, mit der sie ihre Verbrechen rechtfertigen wollen. Und jetzt legen sie die Betonung auf die Menschen-rechte, sie nehmen das Wort Menschen-rechte in den Mund, sie, die jede Art von Ungeheuerlichkeiten gegen unser Land begangen haben und begehen.

Wir teilten kürzlich dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte während eines ausführlichen Gespräches mit daß der Versuch, elf Millionen Kubaner durch Hunger und Krankheit töten zu wollen, die brutalste und grausamste Verletzung der Menschrechte unseres Volkes sei (BEIFALL)

Die USA reden von Menschenrechten! Sie selbst haben mit der Ausrottung der Ureinwohner ihres Landes, seiner eigentlichen Bevölkerung, der Indígenas, begonnen. Wer kann diese Epoche und diese Tradition des Sammelns von Indianerskalps vergessen? Sie töteten mehr Indianer als Büffel und machten sogar den Büffeln den Garaus (BEIFALL).

Sie dehnten ihren Staat auf Kosten der Territorien anderer aus, sie vergrößerten sich, indem sie Grund und Boden an sich rissen und die Nachbarn verjagten. Auf diese Weise kamen sie zu Millionen Quadratkilometern Land. Allein Mexiko nahmen sie die Hälfte seines Territoriums weg (BEIFALL); Puerto Rico halten sie immer noch besetzt (BEIFALL); Kuba wollen sie bereits seit 150 Jahren verschlingen; sie mischten sich zigmal in lateinamerikanischen Ländern ein; Panama zwangen sie den Kanal auf. Das, um nur von unserer Hemisphäre zu sprechen. Ich beziehe mich nicht auf den Krieg in Vietnam, Laos, Kambodscha und vielen anderen Gebieten (BEIFALL).

Was für eine Geschichte! Und wie paradox, daß heute der Gesetzesvorschlag 187 angenommen wird - und das war nicht vor 100 Jahren, auch nicht vor 100 Tagen, sondern erst vor ein paar Wochen -, um den Kindern und Familien illegaler Einwanderer die medizinische Betreuung und Bildung gerade in dem Gebiet zu untersagen, das ehemals mexikanisches Territorium war. (BEIFALL).

Was sind das für Konzepte, wo ist da der Respekt vor den Menschenrechten? Welche Anschauung des Menschen liegt dem zugrunde? Wie soll man das verstehen, wenn ein krankes Kind nicht behandelt wird, wenn andererseits für den Militäretat 300 Milliarden Dollar, ausgegeben werden, für höchst raffinierte Waffen, wie sie bisher unvorstellbar waren?

Man braucht nicht in die Vergangenheit zurückzugehen. In der modernen Zeit, seit Beginn der Revolution, wie sieht seitdem die Außenpolitik der USA aus, dieses "Weltmeisters" der Freiheit, dieses "Weltmeisters" der Menschenrechte? Sie war die enge Allianz mit den tyrannischsten und blutigsten Regimes der Welt.

Denken wir an Europa, erinnern wir uns an die Zeit gleich nach dem Weltkrieg. Die USA schloß eine Allianz mit dem spanischen Faschismus (BEIFALL), der mit Hitlers und Mussolinis Waffen errichtet wurde und der Millionen Menschen das Leben kostete.

Wir können ihre Allianz mit dem südvietnamesischen Regime und ihren mörderischen Krieg gegen die vietnamesische Bevölkerung im Süden und im Norden ebenfalls nicht übergehen. Wir können den Krieg in Korea nicht übergehen. Das Land wurde dem Erdboden gleichgemacht, in Staub verwandelt. Wir können auch Hiroshima und Nagasaki nicht verleugnen (BEIFALL), wo unnötigerweise Atomwaffen eingesetzt wurden - völlig unnötigerweise, allenfalls hätten sie ein militärisches Objekt anpeilen müssen, die Bomben fielen jedoch auf Städte mit hunderttausenden von Einwohnern -, um die Ära des Atomterrors in der Welt einzuläuten. i Wir können ihre Allianz mit Südafrika und dem Apartheidregime nicht vergessen l (BEIFALL). Wir können ebenfalls nicht vergessen, daß das Apartheidregime Kernwaffen herstellte und als wir im Süden Angolas gegen die Armee der Apartheid kämpften, zusammen mit den Angolanern, da hatte Südafrika schon Kernwaffen, mehrere Arten von Kernwaffen! Und die USA wußten davon und sie wußten auch, daß diese Kernwaffen gegen kubanische und angolanische Soldaten eingesetzt werden l konnten. Ah! Aber es war Südafrika, es waren der Rassismus und der Faschismus Sie haben einen großen Skandal veranstaltet und sogar mit Krieg gedroht, nur auf die Vermutung hin, daß die Nordkoreaner Kernwaffen entwickeln wollten, aber tolerierten, erlaubten - und unterstützten über indirekte Wege - die Herstellung von Kernwaffen in Südafrika.

Kehren wir zu unserem Kontinent zurück und erinnern wir uns an die jüngste Vergangenheit. Wer kann den schmutzigen Krieg in Nicaragua vergessen, der mit bewaffneten Söldnern organisiert wurde, der zehntausenden von Nicaraguanern das Leben kostete und Tausende und Abertausende zu Krüppeln machte? Wer kann das vergessen? (BEIFALL) Der "Weltmeister" der Freiheit! Der "Weltmeister" der Menschenrechte!

Wer kann den schmutzigen Krieg in El Salvador, die Unterstützung eines mörderischen Regimes durch die US-Regierung vergessen, dem sie für Milliarden modernste Waffen lieferte, um den Volksaufstand niederzuwerfen, bei dem über 50.000 Menschen ums Leben kamen?

Und warum kam es zum Krieg um die Malwinen? Ganz einfach: weil die USA das Bataillon 401, eine argentinische Spezialeinheit, im schmutzigen Krieg gegen Nicaragua und im schmutzigen Krieg in El Salvador einsetzte. Und seine Dienste waren für die USA so glänzend und angenehm, daß Argentinien die Gelegenheit für gekommen sah, die Malwinen einzunehmen,

Das hat nichts mit Argentiniens Recht auf die Malwinen zu tun, wofür wir stets, ein Leben lang, eingetreten sind (BEIFALL); doch die argentinischen Militärs meinten, es sei nun an der Zeit, daß die USA ihre Dienste in Mittelamerika mit der Unterstützung dieses Militärabenteuers belohnten; und es war tatsächlich nur ein Abenteuer, denn so macht man keinen Krieg. Kriege führt man oder führt sie nicht, und wenn es gerechte Kriege sind, dann bis zur letzten Konsequenz (BEIFALL). Sie überfielen die Malwinen, aber als die USA dann vor der Frage standen, ihren englischen Verbündeten und Vorfahren oder der argentinischen Militärregierung zu helfen, entschieden sie sich für die Engländer und unterstützten diese.

Wer kann vergessen, was in Guatemala seit der Regierung von Arbenz in den 50er Jahren geschah (BEIFALL), als eine Regierung des Volkes, gewählt durch das Volk, eine Agrarreform durchführen wollte, um den Bauern und den Indígenas zu helfen? Sofort brach der schmutzige Krieg aus und Söldner fielen in das Land ein. Und was ist danach geschehen? Was ist danach bis heute geschehen? Über 100.000 Vermißte wurden gemeldet, in einem Land, in dem es schon seit Jahrzehnten die Kategorie des politischen Gefangenen nicht mehr gibt, weil alle vermißt sind.

Und wer beliefert bis heute diese Regierung, wer bildet sie aus, wer bereitet sie vor? Der "Weltmeister" der Freiheit! Der "Weltmeister" der Menschenrechte!

Und was geschah in Chile mit der Volksregierung Salvador Allendes? (BEIFALL) Gegen ihn wurde konspiriert, die Wirtschaft in vielen Bereichen blockiert und so wurden die Bedingungen für einen Staatsstreich geschaffen, der dem Land tausende und abertausende Vermißte und Ermordete brachte.

Und was geschah mit Argentinien, mit jener Militärregierung, die ich erwähnt habe? Man spricht von mindestens fünfzehntausend Vermißten (ZURUFE AUS DEM PUBLIKUM: "Dreißigtausend!"). Ich sage mindestens, denn ich möchte nicht den Anschein erwecken, daß ich übertreibe, und man bestätigt, daß es dreißigtausend waren; einige hier sagen, daß es mehr sind. Aber nehmen wir diese Ziffer als das Minimum. Sind fünfzehntausend Vermißte etwa wenig?

Und wer rüstete diese Regierung mit Waffen aus, wer half ihr, wer gab ihr politische Unterstützung, wer nutzte ihre Dienste in Mittelamerika? Die "Weltmeister" der Freiheit, die "Weltmeister" der Menschenrechte!

Und was geschah in Uruguay? Und was geschah in Brasilien? Und wer unterstützte die Putschisten und diejenigen, die Menschen folterten, ermordeten und verschwinden ließen? Wer. intervenierte in Santo Domingo bei der Rebellion Caamanos?

(BEIFALL). Wer fiel in Grenada ein? (BEIFALL) Wer überfiel Panama? (BEIFALL). Die Weltmeister" der Freiheit und der Menschenrechte!

Welche jener Regierungen wurde bestraft? Welche der Regierungen, die ich genannt habe, wurde einer Blockade unterworfen? Welcher wurden die Kredite und der Handel verweigert? Welchen Regierungen verkaufte man keine Waffen und Kriegsausrüstungen mehr? Welche wurden nicht für die sogenannten antisubversiven Aktionen trainiert? Welche wurden nicht in der Kunst geschult, Verbrechen zu begehen, zu foltern und Menschen verschwinden zu lassen? Und diese sind es, die Kuba blockieren, die Kuba verleumden, die Kuba wegen der Verletzung von Menschenrechten anklagen, um ihre Verbrechen gegen unser Volk zu rechtfertigen.

Und es ist Kuba, das sage ich leidenschaftslos, das sage ich ohne jeglichen Subjektivismus, das mehr für den Menschen getan hat (LANGER BEIFALL UND AUSRUFE). Welche Revolution war uneigennütziger? Welche Revolution war großzügiger? Welche Revolution hatte mehr Achtung vor dem Menschen? Und dies nicht erst als siegreiche Revolution an den Hebeln der Macht, sondern seit unserem eigenen Krieg, seit unserem eigenen revolutionären Kampf, der unverletzbare Prinzipien einführte. Denn das, was uns zu Revolutionären gemacht hat, war die Abneigung gegen die Ungerechtigkeit, der Widerwille gegen das Verbrechen, die Zurückweisung von Folter. Und in unserem Krieg, der 25 Monate währte und intensiv war, in dem wir Tausende von Personen gefangen nahmen, wurde in keinem einzigen Fall physische Gewalt angewandt, um an Informationen zu kommen, nicht einmal mitten im Krieg (BEIFALL). Es gab nicht einen einzigen Fall eines ermordeten Kriegsgefangenen. Was wir mit den Gefangenen machten, war, sie in die Freiheit zu entlassen. Wir nahmen ihnen die Waffen ab - das einzige, was uns interessierte - und behandelten sie mit all der Rücksicht, die diesen Waffenlieferanten zukam (LACHEN UND BEIFALL). Anfangs hatte man ihnen eingeredet, daß wir sie alle umbringen würden, und sie leisteten bis zum Ende Widerstand; als sie aber im Verlaufe des Krieges mitbekamen, wie das Verhalten der Rebellenarmee war, legten sie - wenn sie umzingelt waren und es keinen Ausweg gab - problemlos die Waffen nieder. Es kam vor, daß sich einige jener Soldaten dreimal ergaben, da man sie von einer Front an die andere versetzte, und sie ergaben sich, sie hatten ja bereits Erfahrungen. (LACHEN UND BEIFALL).

Aber das Wichtigste ist, daß die kubanische Revolution diese Prinzipien, niemals zur Folter zu greifen, niemals Verbrechen anzuwenden, ohne eine einzige Ausnahme bis heute aufrecht erhalten hat! (BEIFALL).

Mögen sie sagen, was sie wollen, mögen sie schreiben, was sie wollen; wir wissen bereits, daß viele dieser Schmähschriften aus der Feder bezahlter CIA-Leute stammen.

Gibt es ein weiteres Beispiel in der Geschichte wie dieses? In der Geschichte gab es bereits viele Revolutionen, sie waren im allgemeinen hart, seht hart: Die Revolutionen in England und danach die Französische Revolution, die Russische Revolution, der Spanische Bürgerkrieg und die Mexikanische Revolution. Von Revolutionen wissen wir genug und es wurden viele Bücher darüber geschrieben. Doch von den Konterrevolutionen, gut, von den Konterrevolutionen wird nicht einmal gesprochen. Revolutionen sind im allgemeinen großzügig und Konterrevolutionen sind absolut unbarmherzig. Wer es nicht glaubt, kann es sich ja von den Genossen der Pariser Kommune erzählen lassen (BEIFALL).

Im Falle Kubas gibt es nicht eine einzige Ausnahme. In der Geschichte der Revolution gibt es nicht einen einzigen Fall eines Gefolterten - jawohl, mit diesen Worten - nicht einen einzigen Fall politischen Mordes, nicht einen Fall eines Vermißten. In unserem Land gibt es keine sogenannten Todesschwadronen, die in vielen Ländern dieser Hemisphäre wie Pilze aus dem Boden schießen (AUS DEM PUBLIKUM WERDEN DIE NAMEN EINIGER LÄNDER GERUFEN). Ihr sprecht für uns! (BEIFALL). Wir haben es vorgezogen, keine Namen zu nennen, aber es hat schon alles in unserer Hemisphäre gegeben. Und warum werden nicht die Vereinigten Staaten erwähnt, wo Martin Luther King und viele andere, nur weil sie bürgerliche Rechte verteidigten, brutal ermordet wurden; ein Land, in dem die Todesstrafe in der Regel nur bei Schwarzen und Latinos angewendet wird?

In unserem Land gibt es nicht diese Erscheinungen wie in anderen Ländern, wo Kinder auf der Straße umgebracht werden, um Bettelszenen zu vermeiden und angeblich den Diebstahl zu bekämpfen. Die Revolution machte Schluß mit der Bettelei, die Revolution machte Schluß mit dem Glücksspiel, die Revolution machte Schluß mit den Drogen, die Revolution machte Schluß mit der Prostitution.

Ja, es mag schon einige Fälle geben, leider, oder einige Tendenzen, die durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die Öffnung des Landes zum Ausland hin hervorgerufen werden. Und es mag auch einige Jineteras (Prostituierte) geben, das streiten wir auch nicht ab. Auf der 5. Avenida ist ab und zu mal eine zu sehen, aber man läuft nicht Gefahr, anständige Personen mit Jineteras zu verwechseln (BEIFALL). Also die Fälle gibt es, aber es wird dagegen angekämpft; die Prostitution wird nicht geduldet, sie ist nicht legalisiert. Es mag einige Kinder geben, die, von ihren Eltern geschickt, auf einen Touristen zugehen und ihn um ein Kaugummi oder etwas anderes bitten. Diese Phänomene erklären sich aus der besonderen Situation, die wir durchleben, aus den großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die wir in einer Zeit durchmachen, wo die Blockade sich verschärft hat. In normalen Zeiten der Revolution waren uns diese Phänomene unbekannt.

Man sieht keine Menschen vor Hauseingängen schlafen, nur mit Zeitungen bedeckt, trotz unserer derzeit großen Armut; es gibt nicht einen Menschen, der verlassen und ohne soziale Hilfe in unserem Land lebt, trotz unserer derzeit großen Armut (BEIFALL). Die Laster, die wir täglich in den kapitalistischen Gesellschaften sehen, gibt es in unserem Land nicht. Das war ein Werk der Revolution.

Es gibt nicht ein Kind ohne Schule und ohne Lehrer, es gibt nicht einen Bürger ohne medizinische Betreuung schon von Geburt an. Hier beginnt die Betreuung des Bürgers bereits, wenn er noch im Mutterleib ist, von den ersten Wochen seiner Empfängnis an. (BEIFALL).

Wir sind das Land mit den meisten Ärzten pro Kopf der Bevölkerung in der Welt, trotz periodo especial (BEIFALL); wir sind das Land der Welt, - ich sage nicht, der Dritten Welt -, sondern der Welt, das vor den skandinavischen Ländern, vor den Kanadiern und all denen rangiert, die an der Spitze im Gesundheitswesen stehen. Mit dem Rückgang der Kindersterblichkeit von über 60 auf 10 Prozent pro 1.000 Neugeborenen und diversen Gesundheitsprogrammen hat die Revolution das Leben von über 300.000 Kindern gerettet.

Wir sind weltweit das Land mit den meisten Lehrern und Hochschullehrern pro Kopf der Bevölkerung (BEIFALL), trotz der Schwierigkeiten, die wir auszuhalten haben. Wir sind weltweit das Land mit den meisten Kunsterziehern pro Kopf der Bevölkerung; wir sind weltweit das Land mit den meisten Sportlehrern pro Kopf der Bevölkerung (BEIFALL).

Das ist das Land, das blockiert wird; das ist das Land, das man mit Hunger und Krankheit in die Knie zwingen will.

Einige hätten gern, daß wir die Aufhebung der Blockade gegen die Kapitulation eintauschen, gegen die Preisgabe unserer politischen Prinzipien, gegen die Preisgabe des Sozialismus und unserer demokratischen Formen. (RUFE: "NEIN! NIEMALS!").

Bei der Versammlung von Rio kam ein ziemlich konfuses Dokument heraus, trotz des uneigennützigen Widerstandes der Regierungen Brasiliens, Mexikos und anderer, ebenso wie der Unterstützung von einigen, die ganz, ganz dicke Freunde der Vereinigten Staaten sind, deren Namen ich nicht nennen möchte. Es handelt sich um ein Dokument mit einem gewissen Grad von Verworrenheit, das Spielraum für Interpretationen läßt. Und einige interpretieren es als die Haltung der USA, die Aufhebung der Blockade an politische Veränderungen zu knüpfen. Politische Veränderungen? Gibt es etwa ein Land, das mehr politische Veränderungen als wir durchgeführt hat? Was ist denn eine Revolution, wenn nicht eine tiefe und außerordentliche politische Veränderung? (BEIFALL). Und wir haben diese Revolution vor mehr als 35 Jahren gemacht, und während dieser 35 Jahre haben wir politische Veränderungen vorgenommen. Und das nicht wegen der Suche nach einer formalen, entfremdenden Demokratie, die die Völker teilt, die Völker zerstückelt, sondern auf der Suche nach einer Demokratie, die die Völker tatsächlich vereint und die das Wichtigste und Wesentlichste wahrnimmt, nämlich die ständige Beteiligung des Volkes an der Politik und den wichtigsten Fragen seines Lebens (BEIFALL), aus dem Prinzip heraus, daß das Volk wählt und gewählt wird (BEIFALL). Ich kritisiere niemanden, aber fast auf der ganzen Welt - sogar in Afrika - wird neben dem Neoliberalismus und dem Neokolonialismus und all diesen Sachen das westliche politische System eingeführt; von Leuten, die ich nie von Voltaire, von Danton, von Jean Jaques Rousseau habe reden hören, und auch nicht über die Philosophen der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten. Erinnert euch gut daran, daß Bolívar eisern gegen eine mechanistische Kopie dieser europäischen und nordamerikanischen Systeme auf unserer Hemisphäre war, die zur Katastrophe unserer Länder, zur Teilung, zur Unterordnung und zur Neokolonialisierung geführt haben. Wir sehen, daß Gesellschaften in tausend Teile zerstückelt werden, Gesellschaften, die ihre Kräfte für die Entwicklung vereinen müssen. Dort hat man diesen Leuten nicht das Mehrparteiensystem, sondern das Tausendparteien- oder das Hundertparteiensystem auferlegt, denn dort gibt es Hunderte bis Tausende von Parteien.

Wir haben gearbeitet, haben uns ein eigenes System erarbeitet, unseres, das wir von niemandem kopiert haben; wir haben das Prinzip aufgestellt, daß diejenigen, die die Kandidaten auswählen, in erster Instanz die Bürger selbst sind. Man kann damit einverstanden sein oder nicht, es ist aber genau so beachtenswert, wie die griechische Demokratie, von der so viel gesprochen wird, allerdings ohne Sklaven und Rechtlose. Denn in der griechischen Demokratie waren es nur wenige, die sich auf dem Platz versammelten. Viele konnten es nicht sein, denn in Epochen, in denen es keine Mikrofone gab, kamen alle dort zusammen um die Wahlen durchzuführen. (LACHEN UND BEIFALL). Die Sklaven nahmen nicht teil, die Rechtlosen nahmen nicht teil; auch heute nicht.

Wenn ihr die Wahlergebnisse überprüft, stoßt ihr darauf, daß die Vereinigten Staaten gerade einen neuen Kongreß gewählt haben, in dem es besorgniserregende Tendenzen in die konservative und ultrarechte Richtung gibt. Aber das sind innere Angelegenheiten der USA. Ehrlich, ich versichere euch, ich schwöre, daß wir den Vereinigten Staaten keine Bedingungen gestellt haben, dieses System aufzugeben, um die Beziehungen zu normalisieren (LACHEN UND BEIFALL). Nehmt mal an, wir machen ihnen zur Bedingung, daß mindestens 80 Prozent der Leute zur Wahl gehen müssen und nur 38 Prozent entschieden sich zu wählen, fertig, aus. (LACHEN) Die übrigen sagten: "Ich gehe zum Strand", "ich gehe ins Kino" (LACHEN) oder "ich ruhe mich zu Hause aus". So etwas kommt bei den "Weltmeistern" der Freiheit, der Menschenrechte und der bürgerlichen Rechte vor (BEIFALL).

In vielen Ländern Lateinamerikas ist es ähnlich, viele Leute wählen nicht. Die Sklaven und Rechtlosen sagen eben: "Warum soll ich wählen, wenn es mir dadurch doch nicht besser geht?"

Wie schwer ist es doch zu erreichen, daß wir gemeinsam handeln! Denn eins ist klar, der Einfluß der Massenmedien wächst mit jedem Mal und der Komplex von Hindernissen, der von den Völkern zu überwinden ist, wird ständig schwieriger.

Aber gut, bei unseren Wahlen gehen über 95 Prozent der Bürger zur Wahl, und niemand ist dazu gezwungen. Es wählen sogar diejenigen, die nicht für die Revolution sind, auch wenn sie den Stimmzettel leer abgeben, um nicht für diesen und jenen zu stimmen; oder sie wählen nur den einen oder den anderen.

In unserem Volk - ich wiederhole es noch einmal - stellt jetzt das Volk die Kandidaten auf und es ist auch das Volk, das wählt. In diesem Sinne ist die Möglichkeit, einen einfachen Bürger zu wählen, unendlich viel größer als in irgend einem anderen Land.

Ein guter Beweis: Ich sprach mit einer mexikanischen Delegation und man sagte mir: "Hier war die jüngste Abgeordnete Mexikos anwesend". "Wie alt ist sie?" Man antwortet: "Fünfundzwanzig Jahre". Ich war ehrlich beeindruckt; aber plötzlich erinnerte ich mich daran, daß bei uns mehrere Abgeordnete unter zwanzig Jahre alt sind, denn die Schüler beteiligen sich ab der Mittelstufe an der Auswahl der Kandidaten, ebenso wie alle Massenorganisationen (BEIFALL).

Die Bauern beteiligen sich am Auswahlverfahren der Kandidaten, die Frauenorganisation beteiligt sich am Auswahlverfahren der Kandidaten; die Gewerkschaften beteiligen sich am Auswahlverfahren der Kandidaten und die Komitees zur Verteidigung der Revolution ebenfalls. Es gibt eine Anzahl von Studenten, die Abgeordnete der Nationalversammlung sind und auch Frauen, Bauern, Arbeiter oder Intellektuelle; sie kommen aus allen Bereichen. Nicht die Partei stellt die Kandidaten auf. Die Partei benennt nicht und wählt sie nicht; sie wacht darüber, daß alle Prinzipien und Normen eingehalten werden; aber beteiligt sich an keinem dieser Wahlvorgänge. Das ist die Situation unseres Landes.

In einer der letzten Veränderungen zum Wahlverfahren wurde festgelegt, daß jeder der Kandidaten für einen Abgeordnetensitz über 50 Prozent der gültigen Stimmen erhalten muß.

Alarcón hatte einige dieser Dinge erklärt, als er sich mit einer Zeitschrift in der Hand daran erinnerte - er hat den Vorteil, daß er englisch spricht und hin und wieder eine nordamerikanische Zeitschrift liest (LACHEN) -, wie ein Herr, um Mitglied des Kongresses zu werden, für seinen Wahlkampf 25 Mio. Dollar ausgegeben hat. Was ist das für eine Demokratie? Wieviel Leute haben 25 Mio. Dollar, um sie im Wahlkampf ausgeben zu können? In Kuba müssen keine 25 Mio. Dollar ausgegeben werden. Vielleicht muß der Bürger am Wahltag das Fahrgeld ausgeben, um zur Wahl zu gehen (BEIFALL).

Was ist das für eine Demokratie, bei der man Millionär sein muß, um die Mittel zur Verfügung zu haben, die nötig sind, um zu den Leuten zu sprechen und sie zu überreden ihn zu wählen, um sich dann nach der Wahl nicht mehr an sie zu erinnern. Bis zu den nächsten Wahlen nach vier oder fünf Jahren rechnet er nicht ein einziges Mal mehr mit ihnen; er hat sie vergessen.

In unserem Land können Mandate auch wieder aberkannt werden. Das gilt für den Abgeordneten der untersten Ebene ebenso wie für den hochrangigsten Funktionär. Jeder von ihnen kann gewählt, aber auch von seinen Pflichten entbunden werden. Das ist unser System und wir verlangen nicht, daß es von anderen angewendet wird. Es wäre unsinnig, es zum Modell machen zu wollen; aber es ist das, was wir für uns für richtig halten. Es wurde uns von niemanden auferlegt. Kein Gouverneur, kein nordamerikanischer Vermittler ist gekommen, um hier ein Wahlgesetz einzuführen, so wie das früher war.

Die Verfassung haben wir gemacht (BEIFALL), die Wahlgesetze haben wir gemacht, das System haben wir ersonnen und entwickelt. Das ist es, was ihr verteidigt habt: das Recht des Landes, die Normen festzulegen, das wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche System, daß es für richtig hält. Etwas anderes ist auf der Welt nicht möglich, etwas anderes ist unsinnig. Jede andere Forderung ist verrückt und diese Verrückten trachten danach, daß alle genau das gleiche tun wie sie. Aber das was sie machen, gefällt uns nicht. (BEIFALL)

Deshalb können wir das Aufheben der Blockade im Tausch gegen irgendwelche politischen Zugeständnisse nicht akzeptieren, Zugeständnisse, die mit der Souveränität unseres Landes zusammenhängen. Es ist absolut unannehmbar, unwürdig und ärgerlich und wir bevorzugen es wirklich, unterzugehen, bevor wir unsere Souveränität aufgeben. (LÄNGERER BEIFALL)

Wir hatten die Blockade schon viele Jahre, aber man muß über einen Fakt nachdenken: als die Revolution siegte, existierte eine Welt; heute nach 35 Jahren Revolution ist die Weit eine andere. Sie hat sich verändert und nicht hin zum Fortschritt, tatsächlich hat sie sich zurückentwickelt. Die bipolare Welt gefiel keinem, aber die unipolare Welt gefällt uns noch viel weniger.

Als die Revolution siegte, gab es die bipolare Welt. Die USA zwang uns die Blockade fast von Anfang an auf, begann die Zuckermärkte zu unterdrücken und stellte die Lieferung von Treibstoffen ein. Stellen Sie sich das vor, die junge Revolution unter diesen Bedingungen! Klar ist, daß sie die Lieferung von Maschinen und Ersatzteilen einstellt, fast alles, aber es gab die UdSSR und das sozialistische Lager.

Ein Glück war für uns, daß es neben der US-Blockade, nur 90 Meilen von uns entfernt, noch eine andere Kraft auf der Welt gab, eine andere Bewegung, die revolutionären Ursprungs war und sich im Widerspruch zum nordamerikanischen Imperialismus befand. Dank dieser Bewegung konnten wir neue Märkte für unseren Zucker finden und Lieferanten für Erdöl , Rohstoffe, Nahrungsmittel und viele andere Sachen. Wir haben das hier schon erklärt. Wir hatten Vorzugspreise, aber man muß sagen, daß nicht nur Kuba Vorzugspreise hatte. Das Lomé-Abkommen legt Vorzugspreise für Zucker und andere Erzeugnisse vieler Länder fest, die früher Kolonien waren. Selbst in den USA gab es Vorzugspreise, als sie ein bedeutender Zuckermarkt waren und bevor sie uns die Quote strichen, um sie auf ganz Lateinamerika und andere Länder der Welt aufzuteilen. 80 Prozent des Zuckers auf der Welt wird zu Vorzugspreisen gehandelt, wie Lage erklärte. Und ganz in Übereinstimmung mit der politischen Doktrin zahlten uns die sozialistischen Länder Vorzugspreise.

Das war die Politik, die wir für alle Länder der Dritten Welt verteidigten, weil es die einzige Form war, die große Differenz zwischen entwickelten und unterentwickelten Ländern zu verkleinern. Es war eine Forderung der Welt, eine Forderung aller Länder der Dritten Welt. Und trotzdem war es noch vorteilhaft, denn obwohl man uns Vorzugspreise zahlte, war das für sie immer noch billiger, als den Zucker direkt in der Sowjetunion zu produzieren. Auf jeden Fall konnten wir von diesen Vorzugspreisen profitieren, dank derer wir Erdöl, Rohstoffe und viele andere Sachen erwarben.

In dieser Situation kam es zur Auflösung des sozialistischen Lagers und der UdSSR und die Blockade wurde verschärft. Als das sozialistische Lager und die UdSSR existierten, konnten wir uns besser verteidigen, konnten wir es besser aushalten. Unter diesen Bedingungen wuchs unsere Wirtschaft im Zeitraum von 30 Jahren sogar und es wurde eine außerordentliche gesellschaftliche Entwicklung erreicht.

Es war aber diese Welt, in die die kubanische Revolution geboren wurde, es gab keine andere. Es gab keine anderen Alternativen innerhalb eines von der mächtigsten Macht der Welt blockierten Landes. Deshalb war das Verschwinden des sozialistischen Lagers und der UdSSR für uns so ein furchtbarer Schlag, weil die Blockade nicht nur bestehen bleibt, sondern sogar noch verschärft wird. Auf solche Weise verschärft, daß unser Land 70 Prozent seiner Importe verlor und ich frage mich, ob ein anderes Land der Welt solch einen Schlag hätte verkraften können und ich frage mich wieviel Tage sie ausgehalten hätten: eine Woche, 15 Tage, einen Monat. (BEIFALL) Wie hätten wir das durchstehen können, wenn wir nicht die Unterstützung des Volkes für die Revolution gehabt hätten? Wie hätten wir standhalten können ohne unser politisches System, ohne unser demokratisches System, ohne die direkte Teilnahme des Volkes an allen grundlegenden Fragen? Das ist die wirkliche Demokratie. (BEIFALL)

Hätte irgendein anderes lateinamerikanisches Land den abrupten Wegfall von 70 Prozent der Importe verkraftet? Hätte irgendein europäisches Land einer ähnlichen Prüfung standgehalten? Die Politiker hätten schon einen Tag vorher angefangen zu schwanken, zu kapitulieren. Aber wir haben Würde, wir haben Ehre und Prinzipien. (BEIFALL) Für uns sind die Prinzipien wichtiger als das eigene Leben und wir , haben niemals ein Prinzip verkauft, niemals. (BEIFALL)

Als wir die mittelamerikanischen Revolutionäre unterstützten, sagten die US-Amerikaner, daß sie die Blockade aufheben würden, wenn wir die Unterstützung aufgäben. Das ist uns niemals in den Sinn gekommen. (BEIFALL) Bei anderer Gelegenheit sagten sie, daß sie bereit wären, die Blockade aufzuheben, wenn wir Angola und anderen afrikanischen Staaten nicht mehr zur Seite stehen würden und niemals dachten wir daran, unsere Beziehungen zu anderen Ländern zu verkaufen. Ein anderes Mal sagten sie, daß sie die Blockade aufheben würden, wenn wir unsere Beziehungen zur Sowjetunion abbrechen würden und wir dachten niemals daran, denn wir sind weder eine Partei noch eine politische Leitung, die mit Prinzipien handelt. Zu diesem Preis wird die Blockade niemals aufgehoben werden, denn wir sind nicht gewillt, diesen Preis zu bezahlen.

Diese Situation führte uns in die periodo especial. Wir waren dabei, exzellente Pläne zu Ende zu bringen, bevor die sozialistische Katastrophe geschah - in jeder Hinsicht exzellente Pläne. Wir waren dabei, einen Prozeß der rectificación (Berichtigung von Fehlern und negativen Tendenzen) zu Ende zu bringen, von alten Fehlern und neuen Fehlern, von alten Tendenzen und neuen Tendenzen und arbeiteten sehr, sehr intensiv daran, als dieses ganze Debakel begann. Das führte uns zu etwas, was wir als doppelte Blockade bezeichnen können. Denn sobald es zur Auflösung des sozialistischen Lagers und der UdSSR kam - ja sogar noch vor dem Verschwinden der UdSSR - setzten die USA diese Länder unter Druck, ihren Handel mit Kuba zu beenden. Als die UdSSR sich schließlich auflöste, drängte die USA sehr, sehr stark darauf - und mit nicht wenig Erfolg - den Handel und die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den ehemaligen sozialistischen Ländern und der UdSSR mit Kuba zu verhindern.

Auf diese Art sah sich unser Land in eine doppelte Blockade verstrickt. Es galt, das Vaterland, die Revolution und den Sozialismus zu retten. Wir nennen es, die Errungenschaften des Sozialismus zu bewahren, denn im Augenblick reden wir nicht davon, den Sozialismus aufzubauen, sondern nur davon, zu verteidigen, was wir erreicht haben, die Errungenschaften zu verteidigen, die wir erkämpft haben. Das ist unser wichtigstes Ziel in einer Welt, die sich auf eine radikale Weise verändert hat, in der sich alle Macht des Imperiums gegen uns richtet. China beispielsweise, einem großen Land, einem unermeßlichen Land, daß auch die Ideen des Sozialismus verteidigt, konnten sie keine Bedingungen stellen. Vietnam, einem wunderschönen, heldenhaftem Land stellen sie keine Bedingungen. Diese Länder werden heute nicht blockiert, aber wir. Versetzen sie sich in die Lage unserer Partei und unserer Leitung, die unter so schwierigen Bedingungen, wie sie nie vorher bestanden hatten – niemals -, das Vaterland, die Revolution und die Errungenschaften des Sozialismus zu bewahren hatten.

Was für Maßnahmen müßte man in dieser Welt beschließen, die heute existiert, aber die natürlich so nicht für immer bestehen wird? Jene, die glauben, daß der Neoliberalismus schon das Non Plus Ultra ist, daß er für den Kapitalismus der Aufstieg zum Himmel und in die Ewigkeit des Himmels bedeutet, machen sich Illusionen. (BEIFALL) Die Welt wird uns viele Lektionen erteilen. Zu erläutern, was mit all dem passieren wird, wäre zu lang. Es wäre zu ausführlich, sich mit diesem Thema zu befassen, aber für sie ist es ewig.

Heute spricht man von einer Globalisierung der Wirtschaft. Schauen wir mal, was für die Länder der Dritten Welt bei dieser Globalisierung übrigbleibt, wenn alle Verteidigungsmechanismen, die die Dritte Welt heute hat, verschwinden. Wenn sie mit der Technologie und der unermeßlichen Entwicklung der entwickelten kapitalistischen Länder konkurrieren müssen, die jetzt versuchen werden, mehr denn je die Naturschätze und die billigen Arbeitskräfte der Dritten Welt auszubeuten, um mehr und mehr Kapital zu akkumulieren. Aber dieser superentwickelte Kapitalismus, wie beispielsweise der in Europa, hat jedes Mal mehr Arbeitslose und je mehr er sich entwickelt, desto mehr Arbeitslosigkeit entsteht. Was wird mit unseren Ländern passieren? Die Globalisierung der Ungleichheiten, der sozialen Ungerechtigkeiten und des Elends.

Aber es ist diese Welt, die wir haben, mit der wir handeln und unsere Erzeugnisse austauschen müssen, in der wir überleben müssen. Deshalb müssen wir uns an diese Welt anpassen und mit einer klaren Zielsetzung die Maßnahmen ergreifen, die wir als unentbehrlich betrachten.

Das soll nicht heißen, daß alles, was wir machen, nur Ergebnis der neuen Lage ist. Wir waren dabei Veränderungen vorzunehmen und sogar die Idee ausländisches Kapital zu nutzen, gab es schon vor der periodo especial. Wir hatten begriffen, daß bestimmte Bereiche, bestimmte Sektoren sich ohne Kapital und Technologie nicht entwickeln ließen und darüber verfügten die sozialistischen Länder nicht. Also mußten wir diese Bereiche öffnen. Wir mußten eine ziemlich weitgehende Öffnung für ausländische Investitionen durchführen. Das wurde hier erläutert: unter den Bedingungen Kubas von heute, ohne Kapital, ohne Technologie und ohne Märkte konnten wir uns nicht entwickeln. Daraus resultieren alle Maßnahmen, Veränderungen und Reformen, die wir in die eine oder andere Richtung durchführen, mit dem auf dieser Konferenz bekräftigten Ziel, die Unabhängigkeit, die Revolution - weil die Revolution der Ursprung all dessen ist - und die Errungenschaften des Sozialismus aufrechtzuerhalten. Das heißt, den Sozialismus zu bewahren oder das Recht, mit dem Aufbau des Sozialismus fortzufahren, wenn es die Umstände erlauben. (LÄNGERER BEIFALL) Wir führen Veränderungen durch, aber ohne auf Unabhängigkeit und Souveränität zu verzichten (BEIFALL) Wir führen Veränderungen durch, aber ohne das wirkliche Prinzip der Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk aufzugeben, daß übersetzt in die revolutionäre Sprache bedeutet, daß es die Regierung der Arbeiter, durch die Arbeiter und für die Arbeiter ist (VERLÄNGERTER BEIFALL UND AUSRUFE: "Fidel!", "Fidel!") Es ist nicht die Regierung der Bourgeoisie, durch die Bourgeoisie und für die Bourgeoisie, nicht die Regierung der Kapitalisten, durch die Kapitalisten und für die Kapitalisten, nicht die Regierung der Multis, durch Multis und für die Multis, nicht die Regierung des Imperialismus, durch den Imperialismus und für den Imperialismus. (BEIFALL) Das ist der große Unterschied, welcher Art die Veränderungen und Reformen, die wir vorantreiben, auch immer sein mögen. Wenn wir eines Tages auf dieses Prinzip verzichten würden, hätten wir die Daseinsberechtigung der Revolution aufgegeben. (BEIFALL)

Wir waren solidarisch mit der Welt, uns steht es nicht zu über diese Solidarität zu sprechen. In Bezug auf die Solidarität, die ich hier anspreche, ist es unsere Aufgabe so viel wie möglich zu tun, und so wenig wie möglich darüber zu reden, denn wir wollen uns nicht selbst beweihräuchern. Vor einigen Minuten, bevor der letzte Teil dieses Treffens begann, sagte ein Genösse: "Seht was Kuba alles geleistet hat! Wenn man die Besucher des einen und des anderen Landes hört, wenn sie von den Ärzten, von den Internatsschülern und Studenten, von Leuten, die hier ausgebildet wurden, von dieser und jener Aktivität sprechen, fällt einem auf, wieviel Sachen unser Land in diesen Jahren angekurbelt hat." Doch das ist so, weil für uns Solidarität und Internationalismus ein Prinzip ist, ein unantastbares Prinzip. (BEIFALL) Als Beispiel werde ich einige Daten anführen: mehr als 15.000 kubanische Ärzte haben in diesen Jahren der Revolution in Dutzenden von Ländern kostenlos Dienst geleistet, mehr als 15.000 Mediziner haben internationalistische Missionen als Ärzte erfüllt (BEIFALL), dazu mehr als 26.000 Lehrer und Dozenten. Ich frage, ob ein anderes kleines Land, oder sogar ein mittleres oder großes Land, diesen Rekord aufstellen kann.

Es genügt zu erwähnen, daß wir in einem bestimmten Moment dreimal mehr Ärzte hatten, die kostenlos in der Dritten Welt arbeiteten, als die Weltgesundheitsorganisation (BEIFALL) und wir hatten keine großen Mittel, ganz im Gegenteil. Wir konnten nur auf die Ehre unserer Arbeiter des Gesundheitswesens zählen, auf ihre internationalistische Berufung. Wieviel Leben haben sie gerettet? Und ich frage mich: Ist es gerecht, so einem Land die Blockade aufzuerlegen? (AUSRUFE: "Nein!")

Wieviel Hunderttausende von Kindern haben unsere Lehrer im Ausland unterrichtet und wir haben nicht nur Lehrer der Grundschule und der Sekundarstufen geschickt, sondern sogar Dozenten. Wir haben in verschiedenen Ländern der Welt Medizinschulen gegründet. Ist es gerecht, daß ein Land, das so etwas getan hat und in gewisser Weise immer noch tut, blockiert wird?

Eine halbe Million Kubaner hat verschiedene internationalistische Missionen erfüllt eine halbe Million Kubaner! (BEIFALL)

Die Afrikaner waren sehr großzügig und wollten hier die solidarische Hilfe Kubas im Kampf gegen den Kolonialismus, die Aggression von außen sowie gegen Apartheid und Rassismus in Erinnerung bringen.

Wie ich hier sagte, unsere Soldaten kämpften im Süden Angolas, 40.000 Mann, vierzigtausend, (BEIFALL) zusammen mit den angolanischen Truppen, die heldenhaft kämpften und auftraten. Kubaner standen im Süden Angolas nach der Schlacht von Cuito Cuanavale den Südafrikanern gegenüber. Und als unsere Gegenoffensive im Südwesten von Angola begann, bestand sogar die Gefahr, daß Nuklearwaffen gegen sie eingesetzt werden. Wir wußten davon und die Strategie jener Offensive berücksichtigte die Möglichkeit, daß der Feind irgendwelche Nuklearwaffen einsetzen könnte.

Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatten wir hier 25.000 ausländische Internatsschüler und Studenten (BEIFALL). Kuba war das Land der Welt mit der höchsten Prokopfzahl von ausländischen Internatsschülern und das haben wir nicht publik gemacht. Wir haben einfach unsere Pflicht erfüllt, so wie es Martí uns lehrte, und taten für die anderen Länder, was wir konnten.

Ich glaube, daß, dieses außergewöhnliche Treffen und Ihre großzügigen und solidarischen Worte zum Teil die solidarische Geschichte unserer eigenen Revolution widerspiegeln (BEIFALL). Das gibt uns Ansporn und Mut, den Kampf weiterzuführen. Es gibt viele Optionen in dieser Zeit: die Option der Freiheit, die Option der Souveränität, die Option der Unabhängigkeit, die Option der sozialen Gerechtigkeit.

Inmitten des Neoliberalismus, der die Negation aller Rechtsprinzipien verkörpert, gewinnt die soziale Gerechtigkeit als Idee an sich solche Kraft, daß sogar einige internationale Institutionen von ihr sprechen. Die Interamerikanische Bank für Entwicklung spricht in wachsendem Maße von der sozialen Gerechtigkeit in diesem Teil der Welt. Sogar die Weltbank spricht von der Notwendigkeit sozialer Gerechtigkeit in dieser Hemisphäre! Sie sind, die Weltmeister des Neoliberalismus und reden von sozialer Gerechtigkeit, weil ihnen klar wird, daß die Unterschiede so abgrundtief sind und immer noch weiter wachsen, daß sie von einem Neoliberalismus, von einem Kapitalismus mit sozialer Gerechtigkeit nur träumen können. Sie haben Angst, daß die Not, der Hunger und die Armut die Fundamente des heute so geheiligten Neoliberalismus untergraben könnten. Deshalb sprechen sie von sozialer Gerechtigkeit,

Wir aber wissen, daß sich nur die Völker selber soziale Gerechtigkeit geben können und daß Neoliberalismus und soziale Gerechtigkeit unvergleichbar und unvereinbar sind (BEIFALL); daß eine superentwickelte Welt an der Seite einer unterentwickelten Welt etwas Unvergleichbares, Unvereinbares ist. Daß jene immer reicher werden und diese immer ärmer, ist eine unumstößliche Tatsache.

Ihre Anwesenheit hier beweist, daß die gerechten Ideen leben, daß die noblen Ideen leben, daß die Werte leben. Diese Ideen, diese Werte gilt es zu vermehren, so wie Jesus Christus die Fische und das Brot vermehrt hat (BEIFALL).

Die Kirche spricht von der Option für die Armen und wir finden es hervorragend; ich glaube aber, die Welt von heute braucht etwas mehr als Optionen: sie braucht einen energischen, hartnäckigen und konsequenten Kampf für die Armen (BEIFALL UND ZURUFE: "Fidel! Fidel!"). Ich hätte Kirchen statt Kirche sagen sollen, schon weil es sich nicht nur um die Katholische Kirche handelt.

Ein unermüdlicher Kampf muß gegen die Ursachen der Armut geführt werden (BEIFALL); ein unerschütterlicher Kampf muß gegen den Kapitalismus, den Neoliberalismus und Imperialismus bis zu dem Tage geführt werden (BEIFALL), an dem man nicht mehr von den Milliarden von Menschen sprechen müßte, die Hunger leiden, die keine Schule haben, kein Hospital, und keine Arbeit, die kein Dach über dem Kopf haben, die nicht mit den elementarsten Dingen des Lebens rechnen können.

Dieser Planet hat schon fast sechs Milliarden Einwohner. Seine Bevölkerung hat sich in einem Jahrhundert vervierfacht. Vielfach sind die Bedrohungen, unter denen heute die Menschheit leidet; sie sind nicht nur sozialer, wirtschaftlicher, politischer oder militärischer Art.

Jemand erwähnte hier - ich glaube es war Robertico -, daß man heute die Kriege "humanitäre Missionen" oder auch "Operationen für den Frieden" nennt. Die Kriege bedrohen uns von allen Seiten, der Interventionismus bedroht uns von allen Seiten; aber die Welt wird auch durch die Zerstörung der natürlichen Lebensbedingungen, die Zerstörung der Umwelt bedroht, ein Problem, das immer mehr die Aufmerksamkeit weckt und immer mehr das Bewußtsein der Menschen bewegt. Die Anstrengungen, die wir zur Rettung der Menschheit von all diesen Risiken zu unternehmen haben, müssen sehr groß sein.

Was sind die historischen Wurzeln dieser Situation? Ist es vielleicht zu leugnen, daß es der Kolonialismus war, daß es der Neokolonialismus war, daß es der Imperialismus war? Ist es vielleicht zu leugnen, daß es der Kapitalismus war? Von einem sind wir fest überzeugt: welcher Art die Schicksalsschläge auch immer waren, erhalten haben sie die fortschrittliche Bewegung, die revolutionäre Bewegung und die sozialistische Bewegung.

Aber eines sagen wir Ihnen hier, liebe Freunde: Zum Kapitalismus werden wir nicht zurückkehren! (BEIFALL). Nicht zum wilden Kapitalismus - oder wie ihn Pérez Esquivel bezeichnen würde, zum menschenfressenden Kapitalismus und auch nicht zum moderaten Kapitalismus, falls dieser wirklich existieren sollte. Dazu wollen wir nicht zurück und werden wir nicht zurückkehren! (BEIFALL).

Wir sind uns unserer Aufgaben und Verpflichtungen bewußt. Wir haben schon fast fünf Jahre unter äußerst schwierigen Bedingungen standgehalten, wo andere glaubten, die kubanische Revolution würde schnell vom Antlitz der Erde verschwinden. Wir arbeiten hart und immer mehr, und setzen dabei den Akzent immer mehr auf das Subjektive, auf unsere eigenen Fehler, auf unsere eigenen Schwächen und stellen das Subjektive in den Vordergrund, damit sich das Objektive nicht in einen Vorwand für die eigene Schwäche verwandelt.

Wir müssen noch viel mehr Bewußtsein in unser Volk hineintragen. So müssen wir ihm erklären, warum übermäßig zirkulierendes Geld aus dem Umlauf gezogen werden muß und auch die Maßnahmen, die erforderlich sind, um übermäßig zirkulierendes Geld ohne Schocktherapie abzuziehen; wir müssen erklären, warum wir Leistungsfähigkeit in der Landwirtschaft, in der Industrie erreichen müssen.

Ich weiß, daß die hier angesprochene Frage der Nahrungsmittelproduktion Ihre Besorgnis ausgelöst hat. Ich muß dazu sagen, daß wir gezwungen sind, Nahrungsmittel zu erzeugen, ohne Düngemittel, ohne Pestizide, ohne Herbizide, oftmals ohne Treibstoff, mit Hilfe von Tiergespannen und unter dem Druck der Notwendigkeit, 80 Prozent der Bevölkerung zu ernähren, die in städtischen Gebieten wohnen. Bei uns, im Gegensatz zu China und zu Vietnam, leben 20 Prozent auf dem Lande und 80 Prozent in Städten. Dort ist das genau umgekehrt, 75 bzw. 80 Prozent auf dem Lande und 20 oder 25 Prozent in den Städten.

Auf dem Lande herrscht Mangel, auch an Arbeitskräften. Unsere Landwirtschaft hatte sich mechanisiert, wie ein großer Teil der Produktion im Lande; z.B. unsere Zuckerrohrernten. Jemand stellte die Frage, ob wir Zucker produzieren sollten oder nicht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als Zucker zu produzieren. Wir müssen ihn produzieren. Aber jetzt wird er noch teuerer, wenn zum Beispiel die Zuckerfabriken und Maschinen wegen mangelnder Düngemittel und Bewässerung weniger produzieren. Wir wissen wohl, wie wir Lebensmittel produzieren können, aber wir mußten bei der Nahrungsmittelproduktion mit dem großen Mangel an allem möglichen fertig werden. Wir mußten andere Bereiche entwickeln. Hier wurde schon der Tourismus erwähnt. Er verwandelte sich in eine Notwendigkeit. Er wurde in den ersten Jahren der Revolution nicht gefördert, weil er zwar seine guten, aber eben auch seine schlechten Seiten hat. Und wir, die wir uns nicht der Hoffnung hingeben können in einem Elfenbeinturm zu leben, müssen uns daran gewöhnen, mit den Problemen dieser Welt zu leben. Wir müssen von der Idee ausgehen, daß die Tugend aus dem Kampf gegen das Laster hervorgeht, genauso wie auf dem Mist manchmal wunderschöne Blumen wachsen (BEIFALL). An all das müssen wir uns gewöhnen, und auch daran, daß wir Materialien in konvertierbarer Währung kaufen müssen, um über sie verfügen zu können.

Die Rinderzucht steht ebenfalls vor der Situation, ohne Kraftfutter, ohne Bewässerung, ohne Treibstoff auskommen zu müssen.

Es sind keine leichten Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, aber wir begegnen ihnen, indem wir das durchsetzen, was Robertico sagte: das Wenige, was wir haben, unter vielen zu verteilen und nicht das Viele nur unter sehr wenigen zu verteilen (BEIFALL). Wir haben immer geteilt, was wir hatten.

Unter diesen unglaublich schwierigen Bedingungen - ich wiederhole – blieb nicht eine Schule ohne Lehrer, nicht ein Kind ohne Schule, nicht ein Kranker ohne Arzt und ohne Krankenhaus; wir halten die soziale Sicherheit aufrecht, wir erhalten unsere Bewegung zur Entwicklung der Kultur und des Sportes aufrecht. Selbst während der periodo especial belegten wir immerhin den fünften Platz bei den Olympischen Spielen (BEIFALL). Das alles gibt Ihnen eine Idee unserer Anstrengungen unter diesen außergewöhnlich schwierigen Bedingungen.

Also, wenn man das Wenige unter vielen verteilt, kann man viel machen; und es gibt viele Länder in der Welt, die viel mehr als wir haben, aber sehr wenig machen (BEIFALL).

Dieses Treffen geht zu Ende als eine für uns wirklich unvergeßliche Lektion. Wir erwarten viel, sehr viel von dieser Schlacht, die Sie gemeinsam mit uns zu schlagen gedenken, um die Blockade zu durchbrechen, um die Feindseligkeiten gegen unser Land zu ersticken, um die Hoffnung aufrecht zu erhalten. Nicht, weil wir prädestiniert wären, die Hoffnung zu sein. Wir betrachten uns nicht als prädestiniertes Volk. Wir sind ein kleines Volk, ein bescheidenes Volk, dem die Geschichte unter diesen spezifischen Umständen aufgetragen hat zu verteidigen, was wir gerade verteidigen: unsere heiligsten Ideale, unsere unantastbarsten Rechte. Sie sehen das wie eine Hoffnung.

Wir begreifen, was es für alle progressiven Kräfte, für alle revolutionären Kräfte, für alle friedliebenden und gerechtigkeitsliebenden Kräfte in der Welt bedeuten würde, wenn es dem Imperialismus gelänge, die kubanische Revolution zu erdrücken. Deswegen sehen wir es als unsere grundlegendste und unsere ehrenvollste Aufgabe an, mit Ihnen die Revolution zu verteidigen, sollte es auch das Leben kosten (BEIFALL).

Danke, danke, verbindlichen Dank (BEIFALL).
Und erlauben Sie mir, einmal mehr auszurufen:
Sozialismus oder Tod! Vaterland oder Tod! Wir werden siegen!
Hoch lebe die Solidarität! (Ausrufe von "Sie lebe hoch!") (Ovationen)

Fidel Castro Ruz
25. November 1994, Theater Karl Marx, Havanna


Quelle: Granma Internacional, Beilage zur Doppelnummer Dezemer 1994 / Januar 1995