Rede Fidel Castros, Erster Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas und Präsident des Staats- und Ministerrats, anläßlich des 137. Jahrestages der Geburt unseres Nationalhelden José Martí am 28. Januar 1990.
Obwohl mich niemand darum gebeten hat, möchte ich, wenn es Euch recht ist, einige Worte sagen. (Rufe: Ja!)
Ich stand hier unten zwischen Euch und habe den bewegenden Augenblick des 137. Geburtstags von José Martí miterlebt. Während ich genau wie ihr bewegt zuhörte, wie Sara Amaury und die anderen Genossen diese wunderschönen Lieder, die uns seit jeher gefallen, sangen, dachte ich nach.
Ich überlegte mir folgendes: Gut, die Christen gedenken der Geburt Christi, sie haben ihre Messen, ihre Zeremonien, sie erinnern sich mit Ehrfurcht und Respekt an jene Gestalt, die das Zentrum ihres religiösen Glaubens bildet. Auch zum neuen Jahr kommt alle Welt zusammen, um auf die zwölf Glockenschläge zu warten und durchlebt alle möglichen Gefühle, die im besonderen Fall Kubas auch mit der Freude über den Sieg der Revolution zusammenfallen. (Rufe: Es lebe die Revolution!)
Was können wir in einer Nacht wie der heutigen, in einer Minute wie dieser, anderes tun, als uns ebenfalls, man könnte sagen, mit einem fast religiösen Gefühl, an jenen Tag zu. erinnern, an dem José Martí geboren wurde. (Beifall)
Ich muß Euch gestehen, daß dies für mich ein Tag großer Gefühlsbewegung war, und als die Zeremonie schon dem Ende zuging, und für mich, für alle, die Stunde gekommen schien, zu gehen, fragte ich mich: Was soll ich machen? Einfach gehen? Oder soll ich nicht wenigstens ein paar Worte sagen? (Rufe: Ja!)
Heute war, ich wiederhole es, ein Tag großer Gefühlsbewegung, weil es auch ein Tag von großer symbolischer Bedeutung war.
Die Studenten wollten an den 37. Jahrestag erinnern, an dem ein Marsch stattfand, der dem heutigen sehr ähnlich war. Heute endete zufälligerweise, ohne daß es jemand geplant oder sich vorher ausgedacht hätte, auch der XVI. Kongreß unserer Arbeiter. (Beifall), und als man dort erfuhr, daß die Studenten einen Marsch veranstalten würden, wollten alle Delegierten des Kongresses zusammen mit den Studenten zum Denkmal José Martís marschieren.
Wie viele Dinge von außerordentlichem Symbolcharakter: die. Einheit unserer Arbeiterklasse, unserer Werktätigen, der Schöpfer aller vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Reichtümer unseres Landes, und der Studenten, um gemeinsam zur Erinnerung an jenen Marsch vor 37 Jahren zu diesem Denkmal in diesem Park zu marschieren, und das in einem Moment, in dem wir bedroht sind wie nie zuvor. Das mußte für uns bewegend sein, sehr bewegend, nach 37 Jahren wieder die Treppe hinabzumarschieren (Rufe: Sozialismus oder Tod!), von derselben Treppe zu genau demselben Ziel. Wir kamen schnell an, es war eine Art Training. Ich sagte zu mir selbst: Wie lange ist. es her, daß ich zu Fuß durch die Straße San Lazaro gegangen bin, wo wir zu anderen Zeiten so oft langmarschiert sind? Wie lange ist es her, daß ich zu Fuß über den Prado gegangen bin, wo ich bei anderen Gelegenheiten so oft entlanggegangen bin. Und ich sagte zu mir selbst: Nun gut, es sind viele Jahre vergangen, aber der Schritt ist immer noch fest. (Beifall und Rufe: Fidel, Fidel!)
Wir hatten kalkuliert, daß der Marsch ungefähr eine Stunde und zehn Minuten dauern würde, aber der Marsch war schneller (Rufe aus dem Publikum: Mit dem Geist eines Kontingents!), mit dem Geist eines Kontingents in 50 Minuten. Ich sagte: Wie gut, ‚und ich sah vor allem die Jugend, ich sah die Studenten von heute, ich sah einige Genossen aus jener Zeit, ich sah die Stadt, ich sah das Volk; und wißt ihr, was ich dachte? Wie kann man eine Stadt wie diese einnehmen, mit einem Volk wie diesem? (Beifall und Rufe: Niemals!) Ich sah noch mehr: Ich sah mit Stolz unsere Jugend, gesund, stark und entschieden, und ich fragte mich, wie dieses Imperium, wie mächtig es auch immer sein mag, dieses Land je beherrschen könnte (Rufe: Niemals!), und ich fühlte ein sehr großes Vertrauen, ein unbegrenztes Vertrauen in unser Volk.
Ich überlegte und dachte an vergangene Zeiten, und ich erinnerte mich nicht nur an Martí, ich erinnerte mich an die Kämpfer unserer Unabhängigkeitskriege, ich erinnerte mich an Maceo, ich erinnerte mich an jenes kleine Volk, dessen Unabhängigkeit geboren wurde, dessen Nationalität geboren wurde, das zehn Jahre gegen eines der mächtigsten Imperien jener Epoche, als das Land zerstört war, als es keine Nahrungsmittel gab, als es keine Kuh und kein Huhn mehr gab, die als Nahrungsmittel hätten dienen können.
Antonio Maceo war zum Protest von Baraguá fähig und dazu seine Bereitschaft auszudrücken weiter zu kämpfen. (Beifall)
Und ich sagte mir: Das ist unser Volk! Das ist das Volk, dem das Schicksal heute das Privileg gegeben hat, Fahnenträger der revolutionärsten und edelsten Ideen zu sein, die die Menschheit je hervorgebracht hat. (Beifall) Das ist das Volk, das in der Lage ist, diese Ideen zu verteidigen, auch wenn sie es allein verteidigen müßte, aber wir werden sie nicht allein verteidigen müssen, weil wir heute nicht mehr im Jahr 1868 und auch nicht m Jahre 1878 leben, nicht im Jahre 1895 und nicht im Jahre 1898, als wir nicht beachtet wurden und die US-Truppen hier landeten, um uns den Sieg zu entreißen.
Wir sind heute ein Volk, auf das die ganze Welt aus jedem Winkel der Erde blickt (Beifall), und man fragt sich, ob wir in der Lage sein werden, Widerstand zu leisten (Ausrufe: Sicher!), weil man weiß, daß dies heute die ehrenvollste Verteidigungsbastion der Welt ist. (Beifall)
Wir sind nicht mehr das unbeachtete Volk von 1868 oder 1878, wir sind nicht das unbeachtete Volk von 1895 oder 1898, man weiß, daß auf dieser kleinen Insel heute das Schicksal der revolutionären Bewegungen der Welt entschieden wird, weil das Schicksal uns das Privileg zukommen lassen hat, hier dem Imperium gegenüberzutreten, nur wenige Meilen von dem mächtigen Imperium entfernt, das es je auf der Erde gegeben hat, und die Frage, die sich stellt, ist, ab dieses kleine Land von diesem Imperium geschluckt werden kann oder nicht (Rufe: Nein! Sprechchöre: Wenn meine Fahne einst in kleine Stücke zerrissen sein wird, werden unsere Toten sie noch mit erhobenen Armen zu verteidigen wissen!) Deshalb wird das, was wir tun, geschichtliche Bedeutung haben, und deswegen müssen wir dafür sorgen, daß wir dem Imperium in der Kehle stecken bleiben, bis es erstickt, wenn man es wagen sollte, unsere Erde anzugreifen. (Beifall und Rufe: Fidel, mach Druck, Kuba muß man respektieren!)
Dieser vortreffliche Mann, dessen wir heute gedenken, an dessen Geburt wir uns heute erinnern, sagte einmal: Bastionen aus Ideen sind mehr wert, als Bastionen aus Stein. Und heute sind wir eine gewaltige Bastion von Ideen, eine revolutionäre Bastion, eine moralische Bastion (Man ruft ihm aus dem Publikum etwas zu), dessen, was ihr gerade gesagt habt!
Und wenn es einmal ein Zanjón gab und Leute, die in schwierigen Augenblicken desertierten, so sage ich, daß es mit diesem Volk niemals ein Zanjón geben wird. (Starker Beifall und Rufe: Fidel gib's ihnen!) Und wenn es nach Zanjón ein Baraguá gab, sage ich, daß die Zukunft unseres Vaterlandes ein ewiges Baraguá sein wird. (Beifall)
Und heute, anläßlich des 137. Jahrestages, versichern und schwören wir vor dem Denkmal Martís, das wir immer getreue und unbesiegbare Gefolgsleute Maceos sein werden, und mit seinen Worten sagen wir heute, daß "Der, der versuchen sollte, sich Kuba zu bemächtigen, den Staub seines Bodens blutgetränkt vorfinden wird, wenn er nicht vorher im Kampf zugrunde geht." (Beifall)
Hier vor dem Denkmal Martís rufen wir: Sozialismus oder Tod!
Vaterland oder Tod, José Martí!
Venceremos!
(Stürmischer Beifall)
Quelle: Verlag José Martí