Rede vor dem III. Kongreß des Cubanischen Frauenverbandes (FMC)


Havanna, 8.3.1980 (Auszüge)

Erlaubt mir, Genossinnen, daß ich diese Gelegenheit wahrnehme und etwas zu einem Thema sage, das nicht direkt mit diesem Kongreß zu tun hat, aber gerade sehr wichtig für uns ist.

Überall im Land bemüht man sich, erfolgreiche und effiziente Arbeit zu leisten. Von Beginn an sagten wir, daß es sich nicht um eine Kampagne handelt, sondern um eine Haltung. Und von dieser Haltung beginnt man auch schon etwas zu spüren. Man hat sie sehen können in der Organisation und Vorbereitung eben dieses Kongresses. (...) Wir sollten nichts Spektakuläres in der kurzen Zeit erwarten, aber eine Menge sollten wir uns auf lange Sicht erwarten. (...) Kader, viele der Kader, nehmen einen energischeren Standpunkt ein, machen sich mehr Gedanken, sind gewissenhafter. Natürlich, das ist nur ein Anfang. (…)

Man kann schon etwas sehen davon; als Beispiel das Transportwesen in Havanna. Die Anzahl der Touren pro Tag ist von durchschnittlich 19000 auf ungefähr 26500 gestiegen. Keine Frage, von den Investitionen, die wir für die Busse getätigt haben, war wenig zu spüren, (…) aus objektiven und subjektiven, völlig subjektiven Gründen. (...) Man hat berechnet, daß um die 28.000 oder 29.000 Touren den Bedarf etwa decken könnten. Wenn 28000 benötigt werden und nur 19.000 zur Verfügung sind, klar, daß es da Probleme geben muß. Was wir hier bis jetzt erreicht haben, verdanken wir der Unterstützung der Partei in der Provinz, dem Transportwesen, dem Ministerium, der Gewerkschaft und - fairerweise muß man das sagen - dem neuen Management für die Busse in Havanna. (…)

Das Jahr der Fäule - Seuchen hier Brand dort

Dieses Jahr sieht sich unser Land mehreren Problemen gegenüber. Ich würde es das Jahr der Fäule nennen. Seuchen hier, Brand dort. Das Jahr der Pest, ich glaube, so hieß ein englisches Buch über die schlimme Beulenpest, die ganze Städte ausradierte, über London, glaube ich.

Diese Seuchen, die Krankheiten, sie sind nicht so aufsehenerregend wie Hurrikane, aber sie hinterlassen ihre Zeichen. Sie richten großen Schaden an. Wir haben es mit dem Zuckerrost zu tun, der eine der besten Zuckerrohrsorten befallen hat, die wir haben und die auf etwa einem Drittel unseres Bodens für den Anbau gepflanzt ist. (....)

Dem Brand werden wir Herr, indem wir neue Sorten einführen, 10 oder 12 neue Sorten, die resistent sind. Es gibt einen knapp kalkulierten Plan zur Wiederbepflanzung von über 270.000 ha im Frühjahr. (...) Man ist überall dabei, den Boden dafür zu präparieren. (...) In vielen Provinzen laufen die Maschinen 24 Stunden am Tag, und es gibt Leute, die schlafen neben ihnen. (...) Das folgende Frühjahr wird noch größere Anstrengungen erfordern, um weitere 350.000 ha zu ersetzen, so daß dann nicht einmal mehr in den botanischen Gärten eine Stange dieser empfindlichen Sorte zu finden sein wird. (…)

Wir haben das Problem mit dem Tabak gehabt. Der Schimmel tauchte vergangenes Jahr bei uns auf, aber dieses Jahr hat er praktisch unsere Plantagen vernichtet. Die Tabakproduktion wurde auf 10 Prozent reduziert, in einem Jahr, in dem viel Boden für den Anbau bereitet worden ist.

Trotzdem wird die Bevölkerung nicht ohne Zigarren sein müssen, daran wird es nicht fehlen. Wir haben die Exporte, die auf Lager waren, storniert, den Export von Tabakblättern eingestellt und sogar einigen Tabak eingeführt, um den Bedarf hier decken zu können. Die Bevölkerung ist also nicht betroffen, aber die Einnahmen des Landes werden es sein, weil wir uns aus dem Markt zurückziehen in diesem Jahr. (…) Wir sind nun mit der Zuckerrohrernte hinterher, 400.000 Tonnen hinterher. Es hat einen guten Preis für den Zucker gegeben, was uns half, die Tabakkrankheit und andere Plagen auszugleichen; aber wir müssen jetzt Zucker produzieren, wir müssen es.

So rufen wir zu besonderen Anstrengungen in allen Provinzen für die nächsten beiden Monate, März und April, auf, wenn das Rohr am höchsten ist. Und zu einer, man kann sagen: einer außerordentlichen Anstrengung im Mai, um die Ernte zu Ende zu bringen und die neuen Pflanzen zu setzen. (…)

Die Welt erlebt derzeit eine Reihe von Krisen

Laßt mich einige Worte zur internationalen Lage sagen.

Die internationale Situation hat sich in den letzten Wochen verschlechtert. Bemerkenswerte Rückschläge hat es bei dem gegeben, was erreicht wurde, um das Wettrüsten zu beenden, um auf dem Weg der internationalen Entspannung voranzukommen und den Boden zu festigen, der auf der Suche nach dem Frieden gewonnen wurde. Dies ist das Ergebnis imperialistischer Politik, der Aktionen der reaktionärsten imperialistischen Kräfte; sie haben die Lage im Vergleich zu den vergangenen Monaten verschlechtert.

Das begann vor einigen Monaten. Erinnern Sie sich an das Skandalgeschrei, das sie in den Tagen der 6. Gipfelkonferenz über die Anwesenheit sowjetischen Personals auf Kuba anhoben, wegen Militärpersonal, das seit 17 Jahren auf Kuba ist. Alle amerikanischen Regierungen haben davon gewußt; jeder wußte davon. Dennoch begannen sie damit zu agitieren, veranstalteten ein wildes Geschrei, um, na,ihre feindliche Politik gegenüber Kuba zu rechtfertigen, Kubas Einfluß zu bekämpfen, interventionistische Maßnahmen in der Region zu rechtfertigen und die Ratifizierung von SALT II zu verzögern.

Sie nahmen die Spionageflüge über unserem Land wieder auf. Sie richteten ein Kommando in Key West ein und veranstalteten eine Landesoperation im Gebiet von Guantαnamo. Insoweit ist unser Land betroffen.

International gingen sie zur Errichtung von Militärstützpunkten im Indischen Ozean über. (…) entsandten sie Flottenverbände in die Region des Indischen Ozeans und des Persischen - Golfs. Inder NATO beschlossen sie, 572 Nuklearraketen mittlerer Reichweite zu installieren; in dem Versuch, das Kräftegleichgewicht aufzubrechen und militärische Vorteile zu erlangen. Sie benutzen die Ereignisse in Afghanistan, die eben gerade von den interventionistischen Provokationen aus dem Ausland resultierten, um die internationale Spannung bis zum Maximum zu steigern. (…)

Natürlich sind diese Ereignisse besorgniserregend, die internationale Spannungssituation betrifft die ganze Welt. Die Welt erlebt derzeit eine Reihe von Krisen: eine internationale Wirtschaftskrise, eine Energiekrise, Inflation und Rezession. (...) in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen Ressourcen für die Entwicklung der Länder mobilisiert werden müssen, wie wir es vor den Vereinten Nationen vorgeschlagen haben. - Diese wahrhaft schwerwiegende und besorgniserregende Situation für alle Völker auf der Welt besteht jetzt.

Wir fragen uns, ob die Welt es sich leisten kann, sich den Luxus des Wettrüstens, den Luxus eines erneuten kalten Krieges angesichts der ökonomischen Probleme, die die Welt hat, leisten kann.

Die Militärausgaben, Vilma sprach davon im Bericht, belaufen sich schon auf 400 Milliarden Dollar pro Jahr, 400 Milliarden Dollar im Jahr! Das ist wirklich unglaublich! In einer Zeit, in der Tausende von Millionen Menschen von wirtschaftlichen Problemen und Armut betroffen sind. Es ist verrückt.

Eine klare Drohung gegen unser Land

Die aktuelle Situation betrifft natürlich auch uns. Kürzlich sagte der wichtigste Berater Carters in einer offiziellen Erklärung, daß, wenn in irgendeinem anderen Gebiet der Erde ein Problem auftreten werde, sie sich das Recht nähmen, das Gebiet auszuwählen, das am geeignetsten für eine Aktion wäre. Beobachter in Washington meinen, daß er von Kuba sprach, daß er dabei an Kuba gedacht hätte; und im übrigen hat dies natürlich niemand in der nordamerikanischen Regierung bestritten. Das war eine klare Drohung gegen unser Land. (…)

Natürlich, wenn sie uns angreifen, dann müssen sie auch mit uns rechnen, dann müssen sie mit uns rechnen!

(BEIFALL UND RUFE): Fidel, gib’s ihnen!

(...) Wir wissen, daß wir mit der Gefahr gelebt haben, 21 Jahre haben wir mit ihr gelebt; wir kennen den Preis unserer Revolution! (…) Selbstverständlich werden wir nicht nervös werden.

(RUFE): Niemals!

(...) Des weiteren, was uns angeht, fördern sie die illegale Ausreise aus unserem Land, die Entführung von Schiffen. (...) Es gab solche Fälle, und wir haben sie gewarnt. Einige Menschen sind bereits auf dem Weg ertrunken, und wir haben gesagt, daß wir dafür nicht verantwortlich sind, denn nicht wir haben die Einreisebeschränkungen eingeführt. Wir haben sie aufgefordert, Maßnahmen zu treffen. (…)

Es scheint uns, daß es der nordamerikanischen Regierung an Reife fehlt, wenn sie noch einmal solche Situationen schafft, denn wir halten an der Meinung fest, daß unsere revolutionäre Gemeinschaft eine freiwillige ist, eine freiwillige! Der Kampf für den Sozialismus und Kommunismus ist ein freiwilliger Kampf; das war, ist und wird unsere Ansicht bleiben. (…)

Die Vereinigten Staaten planen überall Interventionen, aber besonders in dieser Region, der Karibik und Mittelamerika, sind sie besonders deutlich. Sie planen in Grenada, Nicaragua, EI Salvador und Kuba einzugreifen; in der Karibik und Zentralamerika.(...)

Warum sollten die Völker unseres Kontinents nicht das Recht auf Unabhängigkeit und Freiheit haben?(...)

Vielleicht könnten sie ein kolossales Vietnam in dieser Hemisphäre erzeugen. (...) weil der Kampf der Völker nicht aufgehalten werden kann. (...) Noch könnten sie historischen Verstand zeigen, daß das Unvermeidliche zu vermeiden ist. Sie könnten sich abfinden mit der Realität, daß unsere Völker(...) ihre Geschicke selbst lenken wollen. (…)

Ja, man muß einen Sinn für die Geschichte haben, um zu verstehen, um die Verdienste der sandinistischen Revolution, das Verdienst der Revolution in Grenada richtig zu sehen. Grenada, Nicaragua und Kuba, das sind drei Riesen, die sich erhoben haben, um ihr Recht auf Unabhängigkeit, Souveränität und Gerechtigkeit zu verteidigen - direkt vor der Haustüre des Imperialismus. (…)

Wir können uns nicht aus dieser Hälfte der Welt fortbewegen. Und selbst wenn wir es könnten, wir würden es nicht tun, unserer Ehre und Würde wegen. Wir sind wirklich zufrieden mit unserer geographischen Lage.

Wir verfolgen keine bewußte Konfrontationspolitik gegenüber.den Vereinigten Staaten. Wir weigern uns nicht, Gespräche zu führen und Anstrengungen zu unternehmen, um unsere Beziehungen zu verbessern, wenn dies dazu beiträgt, dem Frieden in unserer Hemisphäre oder dem Klima auf internationaler Ebene zu dienen. Mit anderen Worten, es ist richtig, unsere Politik klar zu definieren, damit niemand Irrtümer begeht, niemand Anlaß hat, uns mißzuverstehen. Aber wir können all unseren Gegnern versichern, daß dieses Land nicht bedroht und eingeschüchtert werden kann, nicht dazu gebracht wird nachzugeben, nie gezwungen werden .kann, von seinen Prinzipien abzugehen. Das ist unsere Position. (…)

Dieses Jahr wird unsere Partei ihren zweiten Kongreß abhalten. (…)

Dieses Jahr ist ein Jahr der Schwierigkeiten, aber es wird auch ein Jahr der Fortschritte sein, der Fortschritte da, wo Verbesserungen in unserer Hand liegen, all das, was wir noch subjektiv. vorankommen müssen, wie zum Beispiel beim Busverkehr und vielen anderen Dingen. (...) Es wird ein Jahr der Schwierigkeiten sein, aber auch eines der Fortschritte auf vielen Gebieten, ein Jahr, aus dem die Revolution politisch und ideologisch gestärkt hervorgehen wird. (…)

Vielen Dank, Genossinnen! Ich danke euch für die Ermutigung, die uns dieser Kongreß gegeben hat, für den Ansporn, den wir von euch erhalten haben.

Vaterland oder Tod!
Wir werden siegen!

Fidel Castro Ruz
Havanna. 3. März 1980

Quelle: Cuba Libre 2-1980